Es gibt viele Gründe, warum man sich von einem Geschäftsführer trennen möchte – sei es wegen schlechter Leistung, unethischen Verhaltens, oder weil schlichtweg die Unternehmensziele nicht mehr übereinstimmen. Anders als bei einfachen Angestelltenverhältnissen ist die Abberufung eines Geschäftsführers jedoch ein komplexer rechtlicher Prozess. Dieser Blog-Beitrag bietet Ihnen einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Voraussetzungen, praxisnahe Beispiele und wertvolle Tipps aus der Sicht einer professionellen Anwaltskanzlei.
Rechtliche Grundlagen der Abberufungsklage
Die Grundlage für die Abberufung eines Geschäftsführers in Deutschland bildet das GmbHG (Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung). Hier sind die Rechte und Pflichten der Geschäftsführung sowie die Möglichkeiten zu deren Abberufung geregelt.
§ 38 GmbHG besagt: „Die Geschäftsführer sind von der Gesellschaft jederzeit widerruflich, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag anderes bestimmt.“ Allerdings wird dieser Grundsatz durch zahlreiche weitere Vorschriften und Gerichtsentscheidungen präzisiert und teilweise eingeschränkt. Die wichtigsten Bestimmungen im Überblick:
- § 38 GmbHG: Jederzeitige Widerruflichkeit der Geschäftsführerbestellung, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag sieht etwas anderes vor.
- § 84 AktG: Relevant für Geschäftsführer einer AG (Aktiengesellschaft), enthält Regelungen zur Abberufung und Kündigung.
- Beschluss der Gesellschafterversammlung: Der Widerruf erfolgt in der Regel durch Beschluss der Gesellschafterversammlung. Hierbei sind Form und Fristsetzung wesentliche Punkte.
Neben den gesetzlichen Regelungen können auch die Inhalte des Geschäftsführeranstellungsvertrags oder die Satzung der Gesellschaft eine Rolle spielen. Diese spezifischen Regelungen sollten immer geprüft werden, um keine formellen Fehler zu riskieren, die die Abberufung unwirksam machen könnten.
Kündigung des Anstellungsvertrags vs. Abberufung
Ein häufiger Irrglaube ist, dass die Abberufung des Geschäftsführers gleichzeitig auch die Kündigung seines Anstellungsvertrags bedeutet. Dies ist jedoch nicht der Fall. Diese beiden Maßnahmen müssen separat behandelt werden.
Abberufung des Geschäftsführers: Diese beendet nur das Organverhältnis, das heißt, der Betroffene ist nicht mehr zur Vertretung und Leitung der Gesellschaft befugt.
Kündigung des Anstellungsvertrags: Dieser gesonderte Akt beendet das schuldrechtliche Dienstverhältnis. Hier greifen dieselben gesetzlichen und vertraglichen Kündigungsfristen wie bei anderen Angestelltenverhältnissen.
In der Praxis stellt sich oft die Frage, ob die Abberufung ohne Kündigung des Anstellungsvertrags sinnvoll ist, da der „abberufene“ Geschäftsführer weiterhin Gehaltsansprüche hat. In solchen Fällen kann es zu teuren Abfindungen kommen.
Gründe für die Abberufung eines Geschäftsführers
Die gesetzlichen Regelungen ermöglichen zwar eine jederzeitige Abberufung, doch in der Praxis sollten dafür zwingende Gründe vorliegen, um spätere juristische Auseinandersetzungen zu vermeiden. Die häufigsten Gründe für die Abberufung eines Geschäftsführers sind:
- Treuepflichtverletzung: Zum Beispiel durch Handlungen, die dem Unternehmen schaden oder den Interessen der Gesellschafter zuwiderlaufen.
- Unfähigkeit zur Geschäftsführung: Insbesondere bei grober Fahrlässigkeit oder dauerhafter Unfähigkeit, den Aufgaben der Geschäftsführung nachzukommen.
- Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften: Hierzu zählen unter anderem Verstöße gegen Datenschutzrichtlinien, Arbeitsgesetze, Steuerrecht oder Insolvenzordnung.
- Vertragsverletzungen: Missachtung von Regelungen aus dem Geschäftsführeranstellungsvertrag.
Ein konkretes und nachweisbares Fehlverhalten erleichtert die Chancen auf eine erfolgreiche Abberufung. Es muss jedoch abgewogen werden, ob ein Interessenausgleich, zum Beispiel durch eine einvernehmliche Trennung mit Abfindung, sinnvoller sein könnte.
Der Ablauf einer Abberufungsklage
Der rechtliche Weg einer Abberufung beginnt meist mit einem einvernehmlichen Gespräch. Doch wenn dies nicht fruchtet, müssen weitere Schritte eingeleitet werden. Der Ablauf einer Abberufungsklage gestaltet sich wie folgt:
1. Vorbereitung der Abberufungsklage
Erste Maßnahmen beinhalten die Prüfung und Sicherstellung, dass alle gesetzlichen und vertraglichen Voraussetzungen erfüllt sind.
- Überprüfung des Gesellschaftsvertrags und des Geschäftsführeranstellungsvertrags
- Dokumentation sämtlicher Pflichtverletzungen oder ineffizienten Verhaltens
- Einholen von Rechtsrat zur korrekten Durchführung des Verfahrens
2. Einberufung der Gesellschafterversammlung
Um einen offiziellen Beschluss über die Abberufung zu fassen, ist eine Gesellschafterversammlung einzuberufen. Der Ablauf sollte strikt nach gesetzlichen Vorgaben und nach der Satzung der Gesellschaft erfolgen.
- Form- und fristgerechte Einladung der Gesellschafter
- Angabe des Tagesordnungspunkts „Abberufung des Geschäftsführers“
- Durchführung der Abstimmung samt Protokollierung der Beschlüsse
3. Umsetzung und Mitteilung der Abberufung
Nach positiver Beschlussfassung muss der betroffene Geschäftsführer über die Abberufung informiert werden. Dies sollte schriftlich und unter Zeugen geschehen, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
- Zustellung des Beschlusses an den Geschäftsführer
- Eintrag der Abberufung im Handelsregister
- Sicherstellung, dass der Geschäftsführer keine weiteren Handlungen im Namen der Gesellschaft vornimmt
Gerichtliche Schritte im Falle eines Streits
Häufig werden Abberufungen angefochten, was die Angelegenheit vor Gericht bringt. Die Rolle eines Anwalts in diesem Szenario kann nicht genug betont werden. Gerichtliche Schritte sollten gut durchdacht und vorbereitet sein.
Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Abberufung
Der abberufene Geschäftsführer hat die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Abberufung anzufechten. Er kann mittels einer Feststellungsklage die Abberufung für unwirksam erklären lassen.
- Prüfung und Vorbereitung von Beweismaterialien, die die Rechtmäßigkeit der Abberufung untermauern
- Koordination von Zeugenaussagen und ggf. Einholen von Gutachten
- Gerichtliche Vertretung während des Verfahrens
Klage auf Schadensersatz
Der abberufene Geschäftsführer könnte ebenfalls auf Schadensersatz klagen, wenn er der Ansicht ist, dass die Abberufung ungerechtfertigt war und ihm dadurch finanzielle Nachteile entstanden sind.
Checkliste für die Abberufung eines Geschäftsführers
Um eine strukturierte und rechtssichere Abberufung sicherzustellen, haben wir für Sie eine Checkliste mit den wichtigsten Punkten zusammengestellt:
- Überprüfung der geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen
- Dokumentation der Gründe für die Abberufung
- Rechtliche Beratung zur Vermeidung von Formfehlern
- Einlösung der Gesellschafterversammlung mit ordnungsgemäßer Einladung
- Protokollierung und Beschlussfassung
- Mitteilung der Abberufung an den Geschäftsführer
- Eintrag der Abberufung im Handelsregister
- Interne Kommunikation zur Absicherung und Neubesetzung der Geschäftsführung
Praxisbeispiele und Fallstudien
Um die theoretischen Ausführungen besser zu veranschaulichen, bieten wir Ihnen einige anonymisierte Fallstudien unserer Kanzlei an, die typische Szenarien und deren lösungsorientierte Ansätze aufzeigen.
Fallstudie 1: Abberufung wegen Treuepflichtverletzung
In diesem Fall war der Geschäftsführer einer mittelständischen GmbH über mehrere Monate hinweg in unethische Geschäftspraktiken verwickelt. Unsere Kanzlei unterstützte die Gesellschafter bei der Erstellung einer detaillierten Dokumentation aller Vorfälle.
Im Rahmen einer ordnungsgemäß einberufenen Gesellschafterversammlung wurde die Abberufung einstimmig beschlossen. Da der Geschäftsführer gegen die Abberufung Klage erhob, vertrat unsere Kanzlei die Gesellschafter erfolgreich vor Gericht. Das Gericht bestätigte die Rechtmäßigkeit der Abberufung aufgrund der umfassenden Beweisführung.
Fallstudie 2: Einvernehmliche Lösung durch Abfindung
Ein Geschäftsführer eines Start-ups und die Mehrheit der Gesellschafter hatten unterschiedliche Auffassungen über die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Um eine kostspielige und zeitaufwändige gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden, wurde in einer Mediation unter Beteiligung unserer Kanzlei eine einvernehmliche Lösung erarbeitet. Der Geschäftsführer trat gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung zurück.
Häufig gestellte Fragen (FAQs) zur Abberufungsklage
Hier beantworten wir einige der häufigsten Fragen, die uns in Bezug auf die Abberufung von Geschäftsführern regelmäßig gestellt werden:
Was kostet eine Abberufungsklage?
Die Kosten einer Abberufungsklage können variieren und hängen von verschiedenen Faktoren ab, darunter der Komplexität des Falls und der Dauer des Verfahrens. Auch Anwalts- und Gerichtskosten spielen eine wesentliche Rolle. Eine erste rechtliche Beratung kann Klarheit über die zu erwartenden Kosten bringen.
Wie lange dauert eine Abberufungsklage?
Die Dauer des Verfahrens hängt vom Einzelfall ab. In einigen Fällen kann es innerhalb weniger Monate zu einer Entscheidung kommen, in anderen kann sich der Prozess über Jahre hinziehen. Schnelligkeit und Effizienz hängen oft von der umfassenden Vorbereitung und der Qualität der Beweisführung ab.
Kann ein Geschäftsführer nach seiner Abberufung wieder eingestellt werden?
In der Regel ist dies durch einen erneuten Beschluss der Gesellschafterversammlung möglich. Allerdings muss ein Grundvertrauen in die Fähigkeiten und das Verhalten des Geschäftsführers bestehen, um eine solche Rückkehr zu rechtfertigen.
Schlusswort
Die Abberufung eines Geschäftsführers ist ein komplexer und oft emotional aufgeladener Prozess, der eine präzise rechtliche Vorbereitung und Durchführung erfordert. Mit einer systematischen Herangehensweise und Unterstützung durch erfahrene Rechtsanwälte kann dieser Prozess jedoch erfolgreich gemeistert werden. Unsere Kanzlei steht Ihnen dabei zur Seite, um den bestmöglichen Ausgang für Ihr Unternehmen zu sichern.
Unsere Rechtsanwälte stehen Ihnen bundesweit und im deutschsprachigen Ausland zur Verfügung.
Arthur Wilms | Rechtsanwalt | Associate
Philipp Franz | Rechtsanwalt | Associate
Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter
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