Im Arbeitsrecht sind die Fälle, in denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich einvernehmlich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses entscheiden, keine Seltenheit. Eine der Möglichkeiten für eine solche einvernehmliche Regelung ist der sog. Abwicklungsvertrag – ein schriftlicher Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Abwicklung des Arbeitsverhältnisses im Fall der Kündigung. Der Abwicklungsvertrag regelt dabei nicht nur die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern auch die Modalitäten und Folgen der Beendigung.
In diesem Blog-Beitrag erfahren Sie alles, was Sie über Abwicklungsverträge wissen müssen: was sie sind, warum sie genutzt werden, ihre Vorteile und möglichen Nachteile, wie sie sich von einem Aufhebungsvertrag unterscheiden und warum sie juristisch fundiert gestaltet sein sollten. Außerdem geben wir Ihnen praktische Tipps zur Gestaltung und informieren Sie über die neuesten Urteile und Entwicklungen im Zusammenhang mit Abwicklungsverträgen.
Was ist ein Abwicklungsvertrag?
Ein Abwicklungsvertrag ist eine einvernehmliche Regelung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Der Abwicklungsvertrag wird meist im Zusammenhang mit einer Kündigung geschlossen, wobei er die Modalitäten und Folgen der Kündigung regelt. Dabei kann es etwa um die Zahlung einer Abfindung, die Aussetzung einer Kündigungsschutzklage oder die Regelung des Arbeitszeugnisses gehen.
Rechtsgrundlagen und Voraussetzungen
Der Abwicklungsvertrag als solcher ist gesetzlich nicht geregelt. Allerdings finden die allgemeinen Grundsätze des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in Bezug auf Verträge (§§ 145 ff. BGB) und Willenserklärungen (§§ 116 ff. BGB) Anwendung. Ein Abwicklungsvertrag muss schriftlich abgeschlossen werden (§ 126 BGB) und bedarf keiner bestimmten Form, in der Praxis ist jedoch die Schriftform üblich.
Abgrenzung zum Aufhebungsvertrag
Ein Abwicklungsvertrag ist nicht mit einem Aufhebungsvertrag zu verwechseln, obwohl beide darauf abzielen, ein Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden. Der wesentliche Unterschied besteht in der Tatsache, dass ein Abwicklungsvertrag im Zusammenhang mit einer Kündigung geschlossen wird, während ein Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis unabhängig von einer Kündigung löst.
Vorteile eines Abwicklungsvertrags
Es gibt sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer eine Reihe von Vorteilen, die ein Abwicklungsvertrag bietet:
- Flexibilität: Ein Abwicklungsvertrag gibt den Vertragsparteien Raum, die vielen individuellen Aspekte des Arbeitsverhältnisses zu regeln. Die Vertragsparteien haben somit die Möglichkeit, die Beendigungsmodalitäten auf ihre Vorstellungen und Bedürfnisse zuzuscheiden.
- Kosteneinsparungen: Die einvernehmliche Regelung im Abwicklungsvertrag erspart beiden Seiten die Kosten eines Verfahrens vor dem Arbeitsgericht. Dazu zählen Rechtsanwaltsgebühren, Gerichtskosten und – bei zeitaufwändigen Verfahren – eventuell auch Arbeitsausfallkosten.
- Abfindungsregelung: Ein Abwicklungsvertrag bietet die Möglichkeit, eine Abfindung zu vereinbaren. Diese kann für den Arbeitnehmer etwa als Ausgleich für den Wegfall der Kündigungsschutzklage oder für eine längere Kündigungsfrist dienen.
- Vermeidung von Streitigkeiten: Ein Abwicklungsvertrag verhindert, dass es im Anschluss an eine Kündigung zu längeren und emotional belastenden Streitigkeiten vor Gericht kommt. Dies ist sowohl für den Arbeitgeber als auch den Arbeitnehmer von Vorteil.
Nachteile und mögliche Probleme bei einem Abwicklungsvertrag
Trotz der genannten Vorteile gibt es auch gewisse Nachteile und potenzielle rechtliche Risiken, die sich aus dem Abschluss eines Abwicklungsvertrags ergeben können:
- Anspruch auf Arbeitslosengeld: Wichtig ist zu beachten, dass der Abschluss eines Abwicklungsvertrags unter Umständen eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld auslösen kann. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer aufgrund des Abwicklungsvertrags sein Arbeitsverhältnis selbst beendet und damit, nach Ansicht der Bundesagentur für Arbeit, seine Arbeitslosigkeit zu verschulden hat (§ 159 SGB III).
- Fehlender Kündigungsschutz: Der Arbeitnehmer verzichtet mit einem Abwicklungsvertrag auf den Kündigungsschutz, den er durch das Kündigungsschutzgesetz oder durch tarifliche Regelungen genießt. Im Gegenzug erhält er jedoch in der Regel eine Abfindung.
- Unzureichende Regelungen: Ein schlecht formulierter Abwicklungsvertrag kann sich negativ auf die Rechtsposition des Arbeitnehmers oder Arbeitgebers auswirken. Deshalb ist es ratsam, die Hilfe eines erfahrenen Anwalts in Anspruch zu nehmen.
Insgesamt ist daher eine sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile sowie eine individuelle Prüfung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt dringend empfehlenswert.
Zahlung einer Abfindung im Abwicklungsvertrag: rechtliche Grundlagen und Berechnung
Die Zahlung einer Abfindung ist einer der Hauptgründe, aus denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Abwicklungsvertrag schließen möchten. Die Abfindung dient dabei als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes und soll insbesondere zur Abwendung von Arbeitsgerichtsprozessen dienen.
Höhe der Abfindung
Die Höhe einer vereinbarten Abfindung variiert je nach den Umständen des Einzelfalls und ist oft Gegenstand von Verhandlungen zwischen den Vertragsparteien. Dabei wird häufig die sog. Regelabfindung als Orientierungshilfe herangezogen, bei der ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr als Abfindungsbetrag angesetzt wird. Es handelt sich jedoch lediglich um eine Faustformel und keine gesetzliche Regelung.
Steuerliche Behandlung von Abfindungen
Abfindungen unterliegen grundsätzlich der Lohnsteuer gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Allerdings gibt es bei der Besteuerung der Abfindungen eine sog. Fünftelregelung, die dafür sorgt, dass Abfindungen günstiger besteuert werden als das laufende Arbeitsentgelt. Diese Regelung findet in § 34 Abs. 1 EStG seine gesetzliche Grundlage und stellt eine Form der Steuerermäßigung dar.
Gestaltung eines Abwicklungsvertrages
Ein Abwicklungsvertrag sollte sorgfältig und professionell aufgesetzt werden. Hier finden Sie einige Tipps zur Gestaltung:
- Formalitäten: Achten Sie darauf, dass der Abwicklungsvertrag schriftlich abgeschlossen wird und alle erforderlichen Angaben enthält, wie z.B. die Daten der Vertragsparteien, das Datum und die exakte Bezeichnung des Arbeitsverhältnisses.
- Klarheit und Vollständigkeit: Regeln Sie alle wesentlichen Punkte des Arbeitsverhältnisses, um Missverständnisse und spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Dazu gehören die Regelung der Kündigungsfrist, die Zahlung einer Abfindung, die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses und gegebenenfalls die Vereinbarung einer Freistellung.
- Verständlichkeit: Achten Sie auf verständliche Formulierungen und klare Regelungen, damit der Abwicklungsvertrag sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer verständlich ist und keine rechtlichen Probleme bereitet.
- Anpassung an den Einzelfall: Jedes Arbeitsverhältnis ist individuell, daher sollten Sie den Abwicklungsvertrag an die konkreten Umstände anpassen.
- Einhaltung von Gesetzen und Tarifverträgen: Stellen Sie sicher, dass alle Regelungen im Abwicklungsvertrag geltendem Recht, insbesondere Arbeitsrecht, und den ggf. einschlägigen Tarifverträgen entsprechen.
- Anwaltliche Beratung: Lassen Sie den Entwurf des Abwicklungsvertrages von einem erfahrenen Anwalt oder Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen und ggf. überarbeiten, um rechtliche Risiken auszuschließen und eine an Ihre Bedürfnisse angepasste Regelung sicherzustellen.
Aktuelle Gerichtsurteile und Entwicklungen im Zusammenhang mit Abwicklungsverträgen
Wir haben an dieser Stelle einige relevante Gerichtsentscheidungen und Entwicklungen im Bereich der Abwicklungsverträge zusammengestellt, um Ihnen einen Überblick über die aktuelle Rechtsprechung und mögliche Entwicklungen zu geben:
- BAG, Urteil vom 18.09.2018, 9 AZR 162/18: Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass ein Abwicklungsvertrag, der unter Verstoß gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot des Arbeitnehmers geschlossen wird, unwirksam sein kann.
- BAG, Urteil vom 27.09.2017, 10 AZR 270/16: Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die nachvertragliche Abfindungsabrede im Abwicklungsvertrag arbeitsrechtliche Fahrlässigkeitspflichten nicht ausschließt.
- BAG, Urteil vom 25.10.2016, 1 AZR 569/15: Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass ein Abwicklungsvertrag nicht grundsätzlich unwirksam oder anfechtbar ist, wenn er unter Berufung auf ein falsches Trennungsdatum geschlossen wurde.
- LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.06.2016, 15 Sa 2072/15: Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschied, dass eine Arbeitnehmerin, die einen Abwicklungsvertrag geschlossen hat, von ihrem Arbeitgeber keinen Schadenersatz für die Verlängerung der Sperrzeit beim Arbeitslosengeld beanspruchen kann, da eine solche Sperrzeit lediglich eine gesetzliche Folge ist.
FAQs
Was ist der Unterschied zwischen einem Abwicklungs- und einem Aufhebungsvertrag?
Ein Abwicklungsvertrag wird im Zusammenhang mit einer Kündigung geschlossen und regelt die Folgen der Kündigung, während ein Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis unabhängig von einer Kündigung beendet. Eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist in beiden Fällen das Ziel.
Wann ist ein Abwicklungsvertrag sinnvoll?
Ein Abwicklungsvertrag kann sinnvoll sein, wenn beide Parteien ein Interesse daran haben, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden, um Kosten und Risiken eines Arbeitsgerichtsverfahrens zu vermeiden. Insbesondere die Vereinbarung einer Abfindung kann ein Anreiz für den Abschluss eines Abwicklungsvertrages sein.
Worauf muss ich bei der Gestaltung eines Abwicklungsvertrages achten?
Bei der Gestaltung eines Abwicklungsvertrages sollten alle wesentlichen Punkte des Arbeitsverhältnisses geregelt werden – insbesondere die Kündigungsfrist, die Zahlung einer Abfindung, das Arbeitszeugnis und eine eventuelle Freistellung. Dabei sollte der Vertrag verständlich, klar und umfassend gestaltet sein. Zudem sollte der Vertrag geltendem Recht und ggf. einschlägigen Tarifverträgen entsprechen. Die rechtliche Beratung durch einen Anwalt ist empfehlenswert.
Hat der Abschluss eines Abwicklungsvertrages Auswirkungen auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld?
Der Abschluss eines Abwicklungsvertrages kann unter Umständen zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld führen, wenn dem Arbeitnehmer nach Ansicht der Bundesagentur für Arbeit ein Verschulden an seiner Arbeitslosigkeit angelastet werden kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer durch den Abwicklungsvertrag seine eigene Kündigung verschuldensunabhängig verursacht.
Kann ich einen einmal geschlossenen Abwicklungsvertrag noch anfechten?
Eine Anfechtung eines Abwicklungsvertrages ist in Ausnahmefällen möglich, etwa wenn er unter Verstoß gegen das nachvertragliche Wettbewerbsverbot geschlossen wurde oder ein grobes Missverhältnis zwischen den vereinbarten Regelungen besteht. Eine solche Anfechtung ist jedoch eher selten und sollte juristisch gut begründet werden.
Wie wird eine Abfindung im Rahmen eines Abwicklungsvertrages besteuert?
Abfindungen unterliegen grundsätzlich der Lohnsteuer gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Allerdings gibt es bei der Besteuerung der Abfindungen die sog. Fünftelregelung gemäß § 34 Abs. 1 EStG, die dafür sorgt, dass Abfindungen günstiger besteuert werden als das laufende Arbeitsentgelt.
Welche Vorteile bietet ein Abwicklungsvertrag?
Ein Abwicklungsvertrag bietet Vorteile wie Flexibilität bei der Regelung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Kosteneinsparungen durch Vermeidung von Gerichtskosten, Vereinbarung einer Abfindung und die Vermeidung von Streitigkeiten vor Gericht.
Was sind mögliche Risiken und Nachteile eines Abwicklungsvertrags?
Risiken und Nachteile eines Abwicklungsvertrags können u.a. eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld, fehlender Kündigungsschutz und unzureichende Regelungen sein. Eine sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile sowie eine individuelle Prüfung durch einen erfahrenen Anwalt ist deshalb ratsam.
Fazit
Ein Abwicklungsvertrag bietet sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer Chancen für eine einvernehmliche Regelung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die vielen individuellen Aspekte berücksichtigt. Dabei sind insbesondere Flexibilität, Kosteneinsparungen und finanzielle Vorzüge im Rahmen einer Abfindung hervorzuheben. Doch es ist auch Vorsicht geboten, um möglichen Nachteilen wie Sperrzeit beim Arbeitslosengeld oder fehlendem Kündigungsschutz zu begegnen. Deshalb sollte ein Abwicklungsvertrag stets sorgfältig und juristisch fundiert gestaltet werden, und die Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung stellt hierbei einen großen Mehrwert dar.
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