Stellen Sie sich vor, Sie stecken mitten in einem Rechtsstreit, der emotional, finanziell und mental beträchtlich an Ihren Ressourcen zehrt. Ihr Anwalt ist vermutlich der einzige, der genau versteht, was auf dem Spiel steht und wie man den Sturm navigiert. Doch was passiert, wenn genau dieser Anwalt plötzlich Ihren Fall abbricht, und das ohne Ihren Wunsch hin? Diese Frage wird oft gestellt und bleibt in den meisten Fällen unbeantwortet, bis es zu spät ist.

Warum könnte ein Anwalt einen Fall abbrechen?

Bevor wir uns der Hauptfrage zuwenden, lohnt es sich zu verstehen, warum ein Anwalt einen Fall ohne den Wunsch des Mandanten abbrechen könnte. Einige der möglichen Gründe könnten sein:

  • Interessenkonflikt
  • Mangelnde Bezahlung
  • Verstoß gegen berufliche Regeln und ethische Grundsätze
  • Gesundheitliche Probleme

Es ist wichtig zu verstehen, dass Anwälte nicht willkürlich entscheiden können, einen Fall abzubrechen. Sie müssen sich an berufliche und ethische Richtlinien halten. Ein Verstoß gegen diese kann zu beruflichen Konsequenzen führen.

Interessenkonflikt

Ein typisches Szenario, in dem ein Anwalt einen Fall abbrechen könnte, ist das Vorliegen eines Interessenkonflikts. Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn Ihr Anwalt auch den Gegner in einem anderen Fall vertritt. In solchen Situationen ist es für Anwälte, gemäß den Regeln der Anwaltschaft, Pflicht, den Fall abzubrechen.

Mangelnde Bezahlung

Ein weiterer Grund könnte sein, dass der Mandant seine finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Anwalt nicht erfüllt. Laut dem Anwaltsgesetz kann der Anwalt das Mandat in einem solchen Fall beenden, sofern er seinen Mandanten zuvor vergeblich zur Zahlung aufgefordert und ihn über die Folgen einer Beendigung des Mandats informiert hat.

Verstoß gegen berufliche und ethische Grundsätze

Anwälte sind dazu verpflichtet, sich an eine Reihe von beruflichen und ethischen Grundsätzen zu halten. Diese Grundsätze, die im Berufs- und Standesrecht der Anwälte verankert sind, sollen das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant schützen. Wenn ein Mandant seinen Anwalt dazu auffordert, gegen diese Grundsätze zu verstoßen, indem er zum Beispiel von ihm verlangt, falsche Tatsachen vor Gericht zu behaupten, muss der Anwalt das Mandat beenden.

Gesundheitliche Probleme

Zuletzt gibt es Situationen, in denen ein Anwalt aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, einen Fall fortzuführen. Bei schweren Erkrankungen oder einer plötzlichen Verschlechterung der Gesundheit, könnte ein Anwalt gezwungen sein, einen Fall abzubrechen.

Gesetzliche Grundlagen zur Annahme oder Ablehnung von Mandaten

Die Grundlagen zur Annahme oder Ablehnung von Mandaten sind im deutschen Recht in verschiedenen gesetzlichen Regelungen verankert. Nachstehend finden Sie die wichtigsten Gesetze und Vorschriften, die für die Frage relevant sind:

Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO)

Die BRAO bildet die wichtigste Grundlage des deutschen anwaltlichen Berufsrechts. Hier ist der Grundsatz der Mandatsfreiheit in § 3 Abs. 1 BRAO verankert: „Der Rechtsanwalt übt seinen Beruf selbständig und eigenverantwortlich aus. Er darf dabei nur an die Gesetze und seine eigenen Regeln des Anstandes gebunden sein.“

Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA)

Die BORA konkretisiert die berufsrechtlichen Regelungen der BRAO und enthält in § 7 Abs. 1 BORA die allgemeine Pflicht zur Annahme des Mandats: „Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, das ihm angebotene Mandat, außer in den Fällen des § 8, zu übernehmen, wenn er dadurch seine anwaltlichen Pflichten nicht verletzt.“

§ 8 BORA enthält jedoch zugleich auch die Fälle, in denen eine Ablehnung des Mandats zulässig ist:

  • bei einer Überlastung (§ 8 Nr. 1 BORA)
  • wenn das Mandat zu einem Verstoß gegen Gesetze oder Standesrecht führen würde (§ 8 Nr. 2 BORA)
  • wenn die Angelegenheit außerhalb des Fachgebiets des Rechtsanwalts liegt (§ 8 Nr. 3 BORA)
  • bei Vorliegen eines die Annahme des Mandats ausschließenden Interessenkonflikts (§ 8 Nr. 4 BORA)

Standesregeln der Rechtsanwälte (CCBE-Berufsregeln) & Zivilprozessordnung (ZPO)

Auch die Standesregeln der Rechtsanwälte (CCBE-Berufsregeln) und die Zivilprozessordnung (ZPO) enthalten Regelungen, die bei der Beurteilung der Frage, ob ein Anwalt zu einer Annahme oder Ablehnung eines Mandats berechtigt ist, relevant sind.

Anwaltliche Unabhängigkeit gemäß CCBE-Berufsregeln

In Artikel 2.1 der CCBE-Berufsregeln heißt es: „Die wesentliche Funktion des Rechtsanwalts besteht darin, die Interessen seiner Mandanten unabhängig, uneigennützig und mit voller persönlicher Integrität wahrzunehmen. Die Achtung dieser Regeln gehört zum Wesen der anwaltlichen Unabhängigkeit.“

Zu den wesentlichen Aspekten der anwaltlichen Unabhängigkeit gehört auch die Freiheit, ein Mandat abzulehnen, wenn dessen Annahme den Grundsätzen der Unabhängigkeit, Integrität und uneigennützigen Interessenwahrnehmung widersprechen würde.

Prozessuale Grundsätze gemäß ZPO

Die Zivilprozessordnung enthält prozessuale Grundsätze, die für die Frage der Annahme oder Ablehnung von Mandaten ebenfalls relevant sind. Insbesondere kann sich aus der Rechtsschutzgarantie des Art.19 Abs. 4 GG in Verbindung mit den Grundrechten und den allgemeinen Geschäftsgrundlagen der ZPO eine Pflicht zur Annahme eines Mandats ergeben, wenn keine anderen Gründe für eine Ablehnung vorliegen.

Berufsrechtliche Regelungen und Standesregeln

Wie bereits angesprochen, sind die Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) und die Standesregeln der Rechtsanwälte (CCBE-Berufsregeln) zentrale Regelwerke, wenn es um Fragen der Annahme oder Ablehnung von Mandaten geht. Ihre Regelungen sollen im Folgenden näher betrachtet werden.

Annahmepflicht und Ausnahmen (BORA)

Grundsätzlich ist ein Rechtsanwalt gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BORA verpflichtet, ein ihm angebots Mandat zu übernehmen, sofern er dadurch seine anwaltlichen Pflichten nicht verletzt. Dabei geht es insbesondere um folgende Aspekte:

  • Überlastung
  • Gesetzes- oder Standesrechtsverstoß
  • Fremdes Fachgebiet
  • Interessenkonflikt

Interessenkonflikte (CCBE-Berufsregeln)

Die Standesregeln der Rechtsanwälte (CCBE-Berufsregeln) legen besonderen Wert auf die Vermeidung von Interessenkonflikten. Artikel 3.1 besagt: „Ein Rechtsanwalt darf kein Mandat annehmen oder einen Auftrag ausführen, wenn er von seinem Mandanten oder von einer dritten Partei eine Leistung erhalten würde, die die Unabhängigkeit seiner Entscheidungen beeinträchtigen könnte oder die Objektivität seiner anwaltlichen Tätigkeit gefährdet.“

Darüber hinaus regelt Artikel 3.2: „Ein Rechtsanwalt darf kein Mandat annehmen oder einen Auftrag ausführen, wenn dies einen Interessenkonflikt zwischen ihm und einem anderen Mandanten, einem früheren Mandanten oder einer dritten Partei herbeiführen würde.“

Mögliche Gründe für eine Ablehnung eines Mandats

Im Lichte der oben genannten gesetzlichen Grundlagen und berufsrechtlichen Regelungen gibt es verschiedene Gründe, die für einen Anwalt eine Ablehnung eines Mandats rechtfertigen können. Dazu zählen unter anderem:

I. Überlastung

Ein Anwalt darf ein Mandat ablehnen, wenn er aufgrund einer Überlastung seine anwaltlichen Pflichten in dem entsprechenden Fall nicht erfüllen kann. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn er bereits in zu vielen parallel laufenden Verfahren tätig ist und dadurch keine ausreichende Zeit für eine adäquate Bearbeitung eines neuen Falles aufbringen kann.

II. Gesetzes- oder Standesrechtsverstoß

Ein weiterer Grund zur Ablehnung eines Mandats liegt vor, wenn die Annahme des Mandats zu einem Verstoß gegen Gesetze oder standesrechtliche Regelungen führen würde. Solche Verstöße könnten etwa in einer unzulässigen Mandatsausübung, einem unerlaubten Werben um Mandate oder einer unzulässigen Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen bestehen.

III. Fremdes Fachgebiet

Ein Anwalt ist nicht verpflichtet, ein Mandat anzunehmen, das außerhalb seines Fachgebiets liegt. Dies bedeutet, dass er sich auf sein Spezialgebiet konzentrieren kann und nicht gezwungen ist, in für ihn fremden Rechtsgebieten tätig zu werden, in denen er möglicherweise nicht über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt.

IV. Interessenkonflikt

Ein besonders wichtiger Grund für die Ablehnung eines Mandats ist das Vorliegen eines Interessenkonflikts. Ein solcher Konflikt kann entstehen, wenn der Anwalt bereits für eine andere Partei tätig ist, deren Interessen im Widerspruch zu denen des neuen Mandanten stehen, oder wenn er in der Vergangenheit für eine solche Partei tätig war. Ziel dieser Regelung ist es, die anwaltliche Unabhängigkeit und Objektivität zu wahren.

Grenzen der Ablehnung und das Recht auf einen fairen Prozess

Obwohl Anwälte in vielen Fällen berechtigt sind, ein Mandat abzulehnen, gibt es auch Grenzen für diese Ablehnung. Diese ergeben sich aus dem grundgesetzlich verbrieften Recht auf einen fairen Prozess (Art. 103 Abs. 1 GG) und der UN-Menschenrechtskonvention (Artikel 6 EMRK).

Ein Anwalt darf ein Mandat beispielsweise nicht aufgrund der Nationalität, Ethnie, Religion, Geschlecht oder politischer Ansichten des potenziellen Mandanten ablehnen.

Anwalt bricht Fall ab: Kann ich gegen die Entscheidung meines Anwalts vorgehen?

Wenn sich Ihr Anwalt dazu entscheidet, Ihr Mandat niederzulegen, haben Sie bestimmte Rechte und Optionen. Im Folgenden erläutere ich, welche Schritte Sie in so einer Situation ergreifen können:

  • Juristische Beratung einholen: Sobald Ihr Anwalt andeutet, dass er Ihr Mandat niederlegen möchte, sollten Sie sofort einen anderen Anwalt oder eine entsprechende Beratungsstelle kontaktieren, um eine zweite Meinung einzuholen und Ihre Optionen abzuwägen.
  • Vereinbarung überprüfen: Überprüfen Sie das Mandatsverhältnis oder die Vereinbarung, die Sie mit Ihrem Anwalt getroffen haben. Diese sollte Einzelheiten über das Vorgehen im Falle einer Kündigung des Mandats durch den Anwalt enthalten.
  • Beschwerde einreichen: Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Anwalt Ihr Mandat ohne triftigen Grund niedergelegt hat oder wenn er Sie nicht ordnungsgemäß darüber informiert hat, haben Sie das Recht, sich bei der regionalen Anwaltskammer zu beschweren.
  • Schadensersatz fordern: In einigen Fällen könnten Sie berechtigt sein, Schadensersatz von Ihrem Anwalt einzufordern, wenn Sie durch sein Verhalten einen finanziellen Schaden erlitten haben. Dies könnte der Fall sein, wenn unzureichende Vertretung zu einem ungünstigen Gerichtsurteil geführt hat.

Anwalt bricht Fall ab: Häufig gestellte Fragen

Untenstehend finden Sie eine Übersicht über die am meisten gestellten Fragen und deren Antworten.

Kann mein Anwalt mein Mandat ohne meine Zustimmung niederlegen?

Nach den Bestimmungen der Bundesrechtsanwaltsordnung und anderer anwendbarer Gesetze kann ein Anwalt das Mandat ohne triftigen Grund niederlegen. Allerdings muss er dies dem Mandanten vorher ankündigen und darf dies nicht ohne dessen Wissen tun.

Was sind meine Rechte, wenn mein Anwalt mein Mandat niederlegt?

Wenn Ihr Anwalt Ihr Mandat niederlegt, haben Sie das Recht, die Gründe dafür zu erfahren. Sie haben auch das Recht, im Voraus informiert zu werden, um einen neuen Anwalt suchen zu können. Zudem können Sie bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer eine Beschwerde gegen Ihren Anwalt einreichen und gegebenenfalls Schadenersatz verlangen.

Was ist ein triftiger Grund für meinen Anwalt, das Mandat niederzulegen?

Ein triftiger Grund ist ein Umstand, der es einem Anwalt unmöglich oder unzumutbar macht, das Mandat fortzuführen. Zu solchen Gründen könnten ein Interessenkonflikt, ein Verstoß gegen das Berufsrecht oder ernsthafte gesundheitliche Probleme zählen.

Muss ein Anwalt jedes angebotene Mandat annehmen?

Nein, ein Anwalt ist grundsätzlich nicht verpflichtet, jedes ihm angebotene Mandat anzunehmen. Allerdings ist er gemäß § 7 Abs. 1 BORA verpflichtet, ein ihm angebotenes Mandat zu übernehmen, wenn er dadurch seine anwaltlichen Pflichten nicht verletzt. Es gelten jedoch Ausnahmen, wie etwa bei Überlastung, Gesetzes- oder Standesrechtsverstoß, fremdem Fachgebiet oder einem Interessenkonflikt.

Was passiert, wenn ein Anwalt ein Mandat ohne triftigen Grund ablehnt?

Ein Anwalt, der ein Mandat ohne triftigen Grund ablehnt, kann gegenüber der Rechtsanwaltskammer, bei der er zugelassen ist, berufsrechtlich belangt werden. Dies kann zu berufsrechtlichen Sanktionen wie einer Rüge, einem Verweis oder in besonders schweren Fällen sogar einer Geldbuße oder Erlöschung der Zulassung führen.

Kann ein Anwalt ein Mandat während der laufenden Vertretung beenden?

Ja, ein Anwalt kann grundsätzlich auch während der laufenden Vertretung ein Mandat beenden, wenn triftige Gründe vorliegen. Solche Gründe können etwa in einer Vertrauenskrise zwischen Anwalt und Mandant, einer Verschlechterung der finanziellen Verhältnisse des Mandanten oder einem neuen, unüberbrückbaren Interessenkonflikt bestehen.

Allerdings muss der Anwalt bei einer Kündigung während der laufenden Vertretung darauf achten, dass er die Interessen seines Mandanten dabei nicht schädigt.

Können Gerichte oder Behörden einem Anwalt bestimmte Mandate zuweisen?

In bestimmten Fällen kann ein Gericht oder eine Behörde einem Anwalt ein Mandat in Form einer Pflichtverteidigung oder einer öffentlichen Bestellung zuweisen. In solchen Fällen ist der Anwalt verpflichtet, das Mandat zu übernehmen, wenn keine zwingenden Gründe dagegensprechen. Im Rahmen dieser gesetzlich geregelten Fälle hat der Anwalt wenig Spielraum, das ihm zugewiesene Mandat abzulehnen.

Wie verhält es sich bei gerichtlichen Verfahren? Muss ein Anwalt dann jeden Fall übernehmen?

Im Strafrecht und in bestimmten zivilrechtlichen Angelegenheiten können Gerichte einem Anwalt ein Mandat durch die Bestellung als Pflichtverteidiger bzw. Verfahrensbeistand bzw. Ergänzungspfleger zuweisen. Hier gelten jedoch besondere Voraussetzungen, die im Einzelfall erfüllt sein müssen. Grundsätzlich hat der Anwalt auch in diesen Fällen die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen (beispielsweise bei einem Interessenkonflikt) die Übernahme des Mandats abzulehnen.

Anwalt bricht Fall ab: Schlussfolgerung

Das Niederlegen eines Mandats ist ein komplexer rechtlicher Vorgang, der von vielen Faktoren abhängt und ernsthafte Auswirkungen auf den Mandanten haben kann. Es ist unerlässlich, dass Mandanten ihre Rechte kennen und verstehen, was sie tun können, wenn ihr Anwalt ihr Mandat abbricht. Falls Sie sich in einer solchen Situation befinden, sollten Sie sofort rechtlichen Rat einholen, um Ihre Optionen abzuwägen und die nächsten Schritte zu planen.

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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter

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