Als erfahrene Rechtsanwälte werden wir oft gefragt, ob Minderjährige, insbesondere solche im Alter von 16 Jahren, Anwälte haben oder von ihnen vertreten werden können. Um diese Frage umfassend zu beantworten, wollen wir im Folgenden auf die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Handlungsfähigkeit Minderjähriger und die Rolle von Eltern oder gesetzlichen Vertretern eingehen. Dabei werden wir auf die einschlägigen Gesetze, Regelungen und Urteile verweisen, die in Bezug auf die anwaltliche Vertretung Minderjähriger gelten.
Das Recht des Kindes auf rechtlichen Beistand
In vielen Rechtsstreitigkeiten sind Minderjährige involviert, sei es als Kläger, Beklagte oder Zeugen. Im deutschen Rechtssystem ist das Recht des Kindes auf rechtlichen Beistand und auf Anhörung in Verfahren, die es betreffen, in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen verankert.
Der § 52 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) schreibt beispielsweise vor, dass das Gericht Minderjährigen in bestimmten Fällen einen Verfahrensbeistand, in der Regel einen Rechtsanwalt, bestellen muss. Dieser soll die Interessen des Minderjährigen vertreten und kann auch zur Erhebung von Rechtsmitteln berechtigt sein.
Daher kann man festhalten, dass auch Minderjährige von einem Anwalt vertreten werden können und sollen.
Art. 24 der UN-Kinderrechtskonvention (KRK) – Minderjährige haben das Recht auf einen dem Alter und Reifegrad angemessenen Zugang zu anwaltlicher Vertretung in allen Angelegenheiten, die sie betreffen.
§ 159 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) – Bei familienrechtlichen Angelegenheiten kann das Familiengericht einen Verfahrensbeistand bestellen, um die Interessen des Minderjährigen zu wahren und durchzusetzen.
§ 67b Jugendgerichtsgesetz (JGG) – Bei Strafsachen, in denen Minderjährige oder Heranwachsende beschuldigt sind, besteht die Möglichkeit, einen Verteidiger zu bestellen, der die Interessen des Angeklagten vertritt.
Die Handlungsfähigkeit Minderjähriger im Zivilrecht
Um zu verstehen, inwieweit Minderjährige agieren und rechtliche Beziehungen eingehen können, muss man sich zunächst mit dem Begriff der Handlungsfähigkeit (§ 104 BGB) befassen. Grundsätzlich ist eine Person handlungsfähig, wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet hat und somit volljährig ist. Minderjährige sind daher grundsätzlich handlungsunfähig.
Jedoch besteht eine Ausnahme in Form der sogenannten „beschränkten Handlungsfähigkeit“ (§ 110 BGB), die für Minderjährige gilt, die das 7. Lebensjahr vollendet haben und lediglich rechtliche Vorteile bewirken wollen (z. B. die Entgegennahme von Schenkungen). In diesem Fall sind sie im rechtlichen Sinne beschränkt handlungsfähig und können sich von einem Anwalt vertreten lassen oder mit Zustimmung der Eltern einen Anwalt beauftragen.
Die Rolle der Eltern oder gesetzlichen Vertreter
In den meisten Fällen sind es die Eltern oder gesetzlichen Vertreter, die die Interessen Minderjähriger wahren und die Beauftragung eines Anwalts in die Wege leiten. In einigen Fällen ist die Inanspruchnahme eines Anwalts für Minderjährige sogar obligatorisch, wie bei Schuldanerkenntnissen, Grundstücksgeschäften oder gerichtlichen Genehmigungen (§ 1643 Abs. 1 BGB).
- § 1629 BGB – Eltern vertreten ihre minderjährigen Kinder gemeinschaftlich.
- § 1629 a BGB – Eltern sind berechtigt und verpflichtet, die rechtlichen Interessen ihrer minderjährigen Kinder wahrzunehmen und können in ihrem Namen rechtliche Beziehungen eingehen.
Bei getrennt lebenden oder geschiedenen Eltern besteht in der Regel ein gemeinsames Sorgerecht, sofern keine andere Regelung vereinbart wurde. Daher muss jede Entscheidung bezüglich der Inanspruchnahme von Rechtsbeistand von beiden Elternteilen gemeinsam getroffen werden (§ 1687 BGB). Bei Uneinigkeiten kann das Familiengericht eine Entscheidung treffen.
Anwaltliche Vertretung bei Strafsachen
Bei Strafsachen, die Minderjährige oder Heranwachsende betreffen, besteht das Recht auf anwaltliche Vertretung unabhängig vom Alter des Beschuldigten (§ 68 JGG). In schwerwiegenden Fällen ist die Bestellung eines Verteidigers durch das Gericht sogar zwingend erforderlich (§ 68a JGG).
- § 68 k JGG – Angeklagte, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und in einer Hauptverhandlung vor dem Jugendrichter oder Jugendgericht erscheinen müssen, haben das Recht, sich von einem Rechtsanwalt vertreten zu lassen.
- § 68 n JGG – Angeklagte, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und in einer Hauptverhandlung vor dem Jugendrichter oder Jugendgericht erscheinen müssen, haben das Recht, sich von einem Rechtsanwalt vertreten zu lassen.
Unabhängig von den konkreten Vorgaben des Jugendgerichtsgesetzes ist die Bestellung eines Verteidigers auch im Rahmen des allgemeinen Strafprozessrechts, insbesondere bei Verfahren in erster Instanz vor dem Amtsgericht (§ 140 StPO) oder dem Landgericht (§ 141 StPO), möglich.
FAQs
- Ist es möglich, dass Minderjährige einen Anwalt ohne Zustimmung der Eltern beauftragen? Grundsätzlich können Minderjährige ohne Zustimmung der Eltern keinen einen Anwalt beauftragen, da sie rechtlich gesehen nur beschränkt handlungsfähig sind. Jedoch können die Gerichte in bestimmten Fällen von Amts wegen Anwälte für Minderjährige beauftragen, etwa bei Scheidungsverfahren oder Sorgerechtsstreitigkeiten.
- Wer trägt die Kosten für den Anwalt, wenn dieser Minderjährige vertritt? In den meisten Fällen tragen die Eltern oder gesetzlichen Vertreter die Kosten für den Anwalt. Wenn jedoch das Gericht einen Anwalt bestellt hat, kann die Staatskasse die Kosten übernehmen.
- Wann ist die anwaltliche Vertretung von Minderjährigen zwingend vorgeschrieben? Bei bestimmten gerichtlichen Verfahren, wie beispielsweise Scheidungsverfahren, Sorgerechtsstreitigkeiten oder Strafsachen, ist die anwaltliche Vertretung von Minderjährigen oft vorgeschrieben, um ihre Interessen bestmöglich zu schützen.
Fazit
Die Frage, ob man mit 16 Jahren einen Anwalt haben kann, kann mit einem klaren Ja beantwortet werden. Minderjährige haben gemäß verschiedenen Gesetzen und Regelungen das Recht auf anwaltliche Vertretung und Beistand. In einigen Fällen ist diese Vertretung sogar gesetzlich vorgeschrieben. Dennoch spielt auch die Rolle der Eltern oder gesetzlichen Vertreter eine entscheidende Rolle bei der Beauftragung eines Anwalts, da Minderjährige nur in eingeschränktem Maße rechtlich handeln können.
Abschließend möchten wir darauf hinweisen, dass es stets wichtig ist, die Rechte Minderjähriger zu wahren und zu schützen. Daher ist es entscheidend, bei rechtlichen Auseinandersetzungen, die Minderjährige betreffen, auf eine fachkundige anwaltliche Vertretung zurückzugreifen. Auf diese Weise können die besten Ergebnisse für alle Beteiligten erreicht und die Interessen des betroffenen Kindes gewahrt werden.
Bei weiteren Fragen rund um das Thema anwaltliche Vertretung Minderjähriger stehen wir Ihnen als kompetente Ansprechpartner zur Verfügung. Zögern Sie nicht, uns bei rechtlichen Fragestellungen oder Unklarheiten zu kontaktieren. Wir beraten und unterstützen Sie gerne im bestmöglichen Umfang.
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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter
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