In vielen Branchen ist es üblich, dass Aufträge ohne ein schriftliches Angebot angenommen werden. Dies kann aus verschiedenen Gründen erfolgen. In diesem Blog-Beitrag werden wir uns eingehend mit verschiedenen Aspekten rund um das Thema „Auftrag ohne schriftliches Angebot“ beschäftigen. Wir klären rechtliche Fragestellungen und erteilen praxisnahe Ratschläge für Unternehmen und ihre Auftragnehmer oder Auftraggeber. Dabei schöpfen wir aus unserer langjährigen Erfahrung im Wirtschaftsrecht sowie zahlreichen gerichtlichen und außergerichtlichen Praxisfällen.
Warum ein Auftrag ohne schriftliches Angebot erfolgen kann
Ein Auftrag ohne schriftliches Angebot kann aus verschiedenen Gründen zustande kommen. So kann eine mündliche Absprache getroffen worden sein, bei der beide Parteien sich über alle relevanten Voraussetzungen, wie etwa den Umfang der Leistung, die Fristen und den Preis, verständigen. In selteneren Fällen kann auch die eine oder andere Vertragspartei aufgrund von Unachtsamkeit, einer schwierigen wirtschaftlichen Situation oder eines Kommunikationsproblems vergessen haben, ein schriftliches Angebot zu unterbreiten bzw. anzufordern. Unabhängig vom Grund kann die Frage entstehen, wie die auftraggebende und die auftragnehmende Partei sich bei einer derartigen Vorgehensweise rechtlich absichert und möglichen Problemen bei der Auftragsdurchführung entgegenwirken kann.
Die rechtliche Grundlage für Aufträge ohne schriftliches Angebot
Grundsätzlich ist die Annahme eines Auftrags ohne schriftliches Angebot im deutschen Recht nicht ausgeschlossen. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sieht verschiedene Vertragsarten vor, die formfrei geschlossen werden können. Es findet sich in den §§ 145 ff. und insbesondere § 151 BGB eine Regelung für die unmittelbare Vertragsannahme ohne ausdrückliches Angebot. Dies betrifft vor allem den sogenannten „konkludenten“ ((= schlüssigen)) Vertragsschluss, bei dem ein Einverständnis durch schlüssiges Verhalten in Abwesenheit einer mündlichen oder schriftlichen Erklärung der Vertragsparteien angenommen wird.
- § 151 BGB: „Ein Vertrag kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, das Antrag (§ 145 BGB) und die Annahme (§ 147 BGB) gegenüberstehen, zustande. Wenn der Antragende mit der Entgegennahme der Leistung auf die empfangsbedürftige Annahmeerklärung verzichtet und der Vertrag nicht notariell beurkundet werden muss, kommt der Vertrag durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande, die einander unmittelbar folgen (§ 151 BGB).“
Rechtliche Unterschiede bei Aufträgen mit und ohne schriftliches Angebot
Der wesentliche Unterschied zwischen einem Auftrag mit schriftlichem Angebot und einem Auftrag ohne schriftliches Angebot besteht darin, dass bei letzterem der Beweis des Vertragsschlusses und der vertraglichen Vereinbarungen erschwert sein kann. Im Streitfall kann dies erhebliche Nachteile für die beteiligten Vertragsparteien bedeuten.
Es ist wichtig, die folgenden Unterschiede zu berücksichtigen:
- Beweiswert: Ein schriftliches Angebot hat einen höheren Beweiswert als eine mündliche Vereinbarung, da hier alle relevanten Vertragsbestandteile festgehalten sind. Im Streitfall können beide Parteien auf dieses Schriftstück Bezug nehmen und ihre Ansprüche damit belegen. Bei einem Auftrag ohne schriftliches Angebot ist es hingegen schwerer, den tatsächlichen Inhalt und Umfang der abgeschlossenen Vereinbarung nachzuweisen.
- Vertragsklauseln: Im schriftlichen Angebot können einzelne Klauseln vertraglich festgehalten werden, die im mündlichen Angebot nicht in diesem Umfang möglich sind. Dies betrifft z. B. Gewährleistungs- oder Haftungsregelungen sowie spezielle Zahlungsbedingungen.
- Formvorschriften: Bei bestimmten Vertragsarten gibt es gesetzliche Formvorschriften, die einzuhalten sind. Diese sind bei einem schriftlichen Angebot einfach zu erfüllen, während bei einem Auftrag ohne schriftliches Angebot diese möglicherweise nicht eingehalten werden, was zur Unwirksamkeit des Vertrags führen kann.
Ungeachtet dieser Unterschiede hat ein Auftrag ohne schriftliches Angebot rechtliche Gültigkeit, sofern die Voraussetzungen für einen wirksamen Vertragsschluss erfüllt sind.
Der mündliche Auftrag
Wie bereits erwähnt, können auch mündliche Aufträge wirksam sein. Hierbei ist es wichtig, auf bestimmte Punkte zu achten, um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden:
- Klare Vereinbarungen: Beide Vertragsparteien sollten sich bei einem mündlichen Auftrag auf alle wesentlichen Vertragsbestandteile einigen und diese klar und unmissverständlich kommunizieren. Dazu gehören unter anderem der Umfang der Leistung, die Fristen und der Preis.
- Dokumentation: Es ist ratsam, auch bei einem mündlichen Auftrag eine schriftliche Dokumentation zu erstellen, in der die wesentlichen Vertragsinhalte festgehalten werden. Das kann beispielsweise ein Protokoll oder eine einfache E-Mail sein.
- Zeugen:Damit im Streitfall Aussage gegen Aussage nicht steht, sollte man Zeugen hinzuziehen, die bei den mündlichen Verhandlungen anwesend sind und im Streitfall die getroffenen Vereinbarungen bestätigen können.
Wie Auftragnehmer und Auftraggeber sich rechtlich absichern können
Es gibt einige Tipps, die auftraggebende und auftragnehmende Parteien befolgen können, um möglichen rechtlichen Problemen bei Aufträgen ohne schriftliches Angebot vorzubeugen:
- Nachträgliche Dokumentation: Schreiben Sie nach der Auftragsannahme eine Zusammenfassung der mündlichen Vereinbarung und dessen Bestandteile. Auch wenn dies keine rechtsverbindliche Wirkung haben sollte, kann es doch helfen, eventuelle Unklarheiten zu klären und auf einer sachlichen Ebene zu diskutieren.
- Zahlungsmoral prüfen:Seien Sie vorsichtig, wenn Sie bei einer Auftragsannahme ohne schriftliches Angebot mit einem neuen Kunden oder Lieferanten zusammenarbeiten. Prüfen Sie im Vorfeld die Bonität und die Zahlungsmoral des Vertragspartners. Ggf. sollten Sie Anzahlungen oder andere Finanzierungsmodelle erwägen.
- Anwalt hinzuziehen: Im Zweifelsfall kann die Hinzuziehung eines Anwalts hilfreich sein. Dieser kann Sie dabei unterstützen, sowohl mögliche rechtliche Fallen zu erkennen als auch eine adäquate rechtliche Lösung für Ihr Anliegen zu finden.
FAQs: Häufig gestellte Fragen
Im Folgenden haben wir die am häufigsten gestellten Fragen für Sie zusammengestellt.
Ist ein Auftrag ohne schriftliches Angebot rechtlich bindend?
Ein Auftrag ohne schriftliches Angebot kann rechtlich bindend sein, wenn ein wirksamer Vertrag zustande gekommen ist und keine gesetzlichen Formvorschriften verletzt wurden. Dabei kommt es auf eine übereinstimmende Willenserklärung der Vertragsparteien an, die entweder ausdrücklich oder konkludent (durch schlüssiges Verhalten) erfolgen kann.
Wie befähige ich mich im Streitfall zur Beweisführung bei einem Auftrag ohne schriftliches Angebot?
Um eventuellen Streitigkeiten bei einem Auftrag ohne schriftliches Angebot vorzubeugen oder im Streitfall eine Beweisführung zu ermöglichen, sollten Sie die getroffenen Vereinbarungen schriftlich festhalten, beispielsweise in einem Protokoll oder einer E-Mail. Zudem empfiehlt es sich, Zeugen hinzuzuziehen, die bei den mündlichen Verhandlungen anwesend waren und im Streitfall die getroffenen Vereinbarungen bestätigen können.
Was sollte bei einer mündlichen Vereinbarung im Tagesgeschäft beachtet werden?
Bei mündlichen Vereinbarungen im Tagesgeschäft sollten beide Parteien auf klare, unmissverständliche Absprachen achten und diese nach Möglichkeit schriftlich festhalten. Eine klare Kommunikation und Dokumentation kann helfen, spätere Missverständnisse und Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Zudem sollten bei mündlichen Aufträgen die gleichen rechtlichen Grundsätze beachtet werden wie bei schriftlichen Aufträgen, z. B. hinsichtlich der Vertragsgestaltung, der Preisvereinbarung und -gestaltung sowie der Haftungs- und Gewährleistungsregelungen.
Gibt es Situationen, in denen ein schriftliches Angebot unbedingt erforderlich ist?
Ein schriftliches Angebot ist vor allem dann unbedingt erforderlich, wenn gesetzliche Formvorschriften eingehalten werden müssen. Dies betrifft beispielsweise bestimmte Verträge wie Grundstückskaufverträge, Bürgschaftsverträge oder Eheverträge, bei denen eine notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist. In solchen Fällen ist ein mündlicher Vertrag unwirksam und ein schriftliches Angebot unerlässlich.
Kann ein Auftraggeber einen Auftrag ohne schriftliches Angebot einfach kündigen?
Die Kündigung eines Auftrags ohne schriftliches Angebot hängt von den jeweiligen Umständen und den getroffenen Vereinbarungen ab. Grundsätzlich besteht auch bei mündlichen Verträgen die Möglichkeit, den Vertrag unter Beachtung der gesetzlichen oder vereinbarten Regelungen zu kündigen. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass die Beweislast im Streitfall schwerer fallen kann, da keine schriftlichen Vereinbarungen vorliegen. Es empfiehlt sich daher, im Falle einer Kündigung nachweisbare Kommunikationsmittel wie E-Mails oder Einschreiben zu nutzen.
Fazit
Ein Auftrag ohne schriftliches Angebot hat grundsätzlich rechtliche Gültigkeit und kann daher von Vertragsparteien eingegangen werden. Allerdings sollten beide Parteien – Auftragnehmer und Auftraggeber – bestimmte Vorsichtsmaßnahmen und Best Practices beachten, um möglichen rechtlichen Problemen und Streitigkeiten vorzubeugen. Zu diesen Maßnahmen gehört insbesondere die klare Kommunikation und Dokumentation der getroffenen Vereinbarungen, die Hinzuziehung von Zeugen bei mündlichen Verhandlungen sowie die Rücksprache mit einem Anwalt bei rechtlichen Unklarheiten. Nur so lässt sich bei Aufträgen ohne schriftliches Angebot eine rechtssichere und erfolgreiche Auftragsabwicklung gewährleisten.
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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter
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