Als Käufer einer Eigentumswohnung oder eines Einfamilienhauses in einem Neubauprojekt stehen Sie vor zahlreichen Herausforderungen. Eine der größten Herausforderungen ist die fristgerechte Übergabe der Wohnung oder des Hauses durch den Bauträger. Doch was können Sie tun, wenn der Bauträger die Wohnung oder das Haus nicht wie vereinbart übergibt? In diesem umfangreichen Leitfaden erfahren Sie alles, was Sie über Ihre rechtlichen Möglichkeiten und Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes wissen müssen.
Inhalt:
- Einführung: Was kann schiefgehen bei der Übergabe?
- Rechtliche Grundlagen der Übergabe
- Leitfaden: Schritte, wenn die Übergabe nicht erfolgt
- Einstweiliger Rechtsschutz und seine Voraussetzungen
- Aktuelle Gerichtsurteile zur Übergabeverzögerung
- Zusammenfassung und Fazit
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Einführung: Was kann schiefgehen bei der Übergabe?
Leider kommt es immer wieder vor, dass ein Bauträger seine vertraglichen Verpflichtungen nicht einhält oder die vereinbarte Übergabe der Wohnung oder des Hauses verzögert. Hier können verschiedene Gründe vorliegen:
- Verzögerungen bei der Baugenehmigung oder behördlichen Auflagen
- Mangel an Baumaterialien oder Fachkräften
- Unvorhergesehene Umstände, wie etwa Naturkatastrophen oder Insolvenz von Subunternehmern
- Finanzielle Schwierigkeiten oder Insolvenz des Bauträgers
- Bewusstes Hinauszögern der Übergabe, um einen höheren Verkaufspreis zu erzielen
- Mangelhafte Bauausführung oder andere Mängel, die eine Nutzung oder Übergabe beeinträchtigen
Zunächst sollten Sie im Falle einer Verzögerung immer zunächst das Gespräch mit dem Bauträger suchen, um mögliche Missverständnisse oder Kommunikationsfehler auszuschließen. In vielen Fällen können auf diese Weise Probleme und Verzögerungen aufgeklärt und behoben werden. Sollte dies jedoch nicht zur gewünschten Lösung führen, müssen Sie Ihre rechtlichen Möglichkeiten und insbesondere den einstweiligen Rechtsschutz in Betracht ziehen.
Rechtliche Grundlagen der Übergabe
Die rechtlichen Grundlagen für die Pflicht zur Übergabe der Wohnung oder des Hauses durch den Bauträger finden sich im Werkvertragsrecht und im Kaufrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Ein Bauträgervertrag ist dabei in der Regel eine Mischung aus Werk- und Kaufvertrag. Die Pflicht zur Übergabe folgt in erster Linie aus § 631 BGB, der besagt, dass der Unternehmer ein Werk schuldet und der Besteller als Gegenleistung den vereinbarten Werklohn zu bezahlen hat.
Weiterhin finden sich Übergabepflichten auch in § 929 BGB (Übereignung), § 985 BGB (Herausgabeanspruch) und § 433 BGB (Kaufvertrag). Die jeweiligen Vorschriften regeln dabei die Verpflichtungen des Bauträgers zur Übergabe und Gewährleistung der Wohnung oder des Hauses sowie die Ansprüche des Käufers im Falle von Mängeln oder Verzögerungen.
Für den Fall einer Übergabeverzögerung ist insbesondere § 286 BGB von Bedeutung, der den Schuldner – hier den Bauträger – in Verzug setzt, wenn er die Leistung – hier die Übergabe – nicht fristgerecht erbringt. Der Käufer kann dann unter Umständen Schadensersatz wegen Verzugs gemäß § 280 BGB fordern oder sogar von dem Vertrag zurücktreten (§ 323 BGB).
Leitfaden: Schritte, wenn die Übergabe nicht erfolgt
Wenn der Bauträger die Wohnung oder das Haus nicht übergibt, sollten Sie die folgenden Schritte unternehmen:
- Prüfen Sie den Bauträgervertrag auf konkrete Vereinbarungen zur Übergabe, Fristen und mögliche Vertragsstrafen.
- Fordern Sie den Bauträger schriftlich auf, die vereinbarte Leistung – also die Übergabe der Wohnung oder des Hauses – innerhalb einer angemessenen Frist nachzuholen. Setzen Sie eine Frist zur Nacherfüllung gemäß § 281 BGB und dokumentieren Sie dies schriftlich.
- Informieren Sie sich über mögliche Gründe für die Verzögerung und kommunizieren Sie Ihre Forderungen und Bedenken gegenüber dem Bauträger.
- Ziehen Sie einen Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Bau- und Immobilienrecht hinzu, um Ihre rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen und weitere Schritte einzuleiten, etwa den Gang zu den Gerichten oder die Inanspruchnahme von einstweiligem Rechtsschutz.
- Reichen Sie gegebenenfalls eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung bei Gericht ein, um die Übergabe zu erwirken.
- Fordern Sie unter Umständen Schadensersatz wegen Verzugs oder nutzen Sie weitere rechtliche Ansprüche, wie etwa den Rücktritt vom Vertrag oder die Minderung des Kaufpreises.
In jedem Fall sollten Sie bei einer verzögerten Übergabe immer bereits frühzeitig einen Rechtsanwalt konsultieren, um Ihre rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen und keine eigenen Fristversäumnisse zu riskieren.
Einstweiliger Rechtsschutz und seine Voraussetzungen
Einstweiliger Rechtsschutz ist ein Instrument der Rechtsverfolgung im Rahmen der Streitbeilegung, das den Parteien (hier dem Käufer) ermöglicht, vorläufigen Rechtsschutz zu erhalten, um irreparable Schäden zu verhindern oder um eine „faktische“ Vollstreckung eines Anspruchs (hier die Übergabe) zu erreichen. Der einstweilige Rechtsschutz ist im Wesentlichen auf zwei Rechtswege beschränkt:
- Einstweilige Verfügung (§§ 935 ff. ZPO)
- Einstweilige Anordnung (§§ 916 ff. ZPO, insbesondere in Familiensachen)
Im Falle einer Übergabeverzögerung durch den Bauträger kommt in der Regel die einstweilige Verfügung in Betracht. Hier müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
- Verfügungsanspruch: Der Käufer muss einen Verfügungsanspruch gegen den Bauträger haben, also einen Anspruch auf die Übergabe der Wohnung oder des Hauses gemäß den oben genannten gesetzlichen Regelungen (§§ 631, 985, 433 BGB).
- Verfügungsgrund: Weiterhin muss ein Verfügungsgrund, wie etwa Dringlichkeit oder Eilbedürftigkeit, vorliegen. Dies bedeutet, dass ohne die einstweilige Verfügung eine wesentliche Verschlechterung der Rechtsposition des Käufers zu befürchten ist, etwa weil er in der Zwischenzeit ohne Wohnung dasteht oder der Bauträger insolvent wird.
- Waffengleichheit und Verhältnismäßigkeit: Der einstweilige Rechtsschutz darf nicht dazu führen, dass eine Partei (hier der Bauträger) unverhältnismäßig benachteiligt oder nicht ausreichend angehört würde. Dies ist im Einzelfall zu prüfen und hängt insbesondere davon ab, welche Beweise für die Forderung auf Übergabe vorliegen und ob der Bauträger die Möglichkeit zur Stellungnahme erhält.
Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen können Sie als Käufer über einen Anwalt eine einstweilige Verfügung beantragen und so möglicherweise eine schnelle Abhilfe und Übergabe der Wohnung oder des Hauses erreichen. Wichtig ist dabei, keine Zeit zu verlieren und bereits bei ersten Anzeichen einer Verzögerung Ihre rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen.
Aktuelle Gerichtsurteile zur Übergabeverzögerung
In der jüngsten Rechtsprechung haben sich einige interessante Urteile zum Thema Übergabeverzögerung durch Bauträger ergeben. Hier eine Auswahl an wichtigen Entscheidungen:
- Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 21.02.2019 – VII ZR 37/13: In diesem Fall entschied der BGH, dass Bauträger eine Karenzzeit von sechs Monaten für die Übergabe der Wohnung einräumen dürfen, wenn diese aufgrund von höherer Gewalt oder anderen unabwendbaren Gründen nicht rechtzeitig fertiggestellt wird. Das Gericht betonte jedoch, dass die Begründung nicht pauschal, sondern konkret von Fall zu Fall erfolgen müsse und nicht alle Gründe, die vom Bauträger vorgetragen werden, automatisch eine Karenzzeit rechtfertigen würden.
- Oberlandesgericht (OLG) Köln, Urteil vom 11.12.2015 – 19 U 132/12: Das OLG Köln entschied, dass der Käufer einer Eigentumswohnung, die mit wesentlichen Mängeln behaftet ist und deren Beseitigung der Bauträger verweigert, ein Zurückbehaltungsrecht an den noch ausstehenden Raten hat. Das bedeutet, dass der Käufer die Umlagezahlungen erst leisten muss, wenn die Mängel beseitigt sind.
- Landgericht (LG) Berlin, Urteil vom 16.03.2017 – 65 S 285/16: In einem weiteren Fall entschied das LG Berlin, dass ein Bauträger, der die Übergabe einer Wohnung verzögert, dem Käufer auch einen Schadensersatz für die ihm entstandenen Mehrkosten für Hotel- und Umzugsaufwendungen sowie erhöhte Mietzahlungen schuldet. Ein Verzicht auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch einen Vertragshinweis ist nach Auffassung des Gerichts nicht zulässig.
Die genannten Urteile zeigen, dass die Rechtsprechung im Bereich der Übergabeverzögerungen durch Bauträger in den letzten Jahren zunehmend zugunsten der Käufer entschieden hat und diese in vielen Fällen erfolgreich ihre Ansprüche durchsetzen konnten. Allerdings betonen die Gerichte auch immer wieder die Einzelfallabhängigkeit der Entscheidungen und die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung der jeweiligen Sachlage.
Zusammenfassung und Fazit
Die verzögerte Übergabe einer Wohnung oder eines Hauses durch den Bauträger ist ein ernsthaftes rechtliches Problem, das eine Vielzahl von Herausforderungen für die betroffenen Käufer bedeutet. Erfreulicherweise bieten das deutsche Werkvertragsrecht, das Kaufrecht und das Prozessrecht zahlreiche Möglichkeiten, um Ihre Ansprüche auf Übergabe durchzusetzen und möglicherweise auch Schadensersatz oder andere rechtliche Ansprüche geltend zu machen.
In solchen Fällen sollten Sie jedoch nicht zögern, frühzeitig einen auf Bau- und Immobilienrecht spezialisierten Rechtsanwalt hinzuzuziehen, um Ihre rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen und gegebenenfalls einstweiligen Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Verfügung oder einstweiligen Anordnung zu erreichen. Diese rechtlichen Instrumente bieten Ihnen die Möglichkeit, eine schnelle und effektive Abhilfe in Form der Übergabe der Wohnung oder des Hauses zu erreichen, ohne dass Sie auf langwierige und kostspielige Gerichtsverfahren angewiesen sind.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wie setze ich meine Rechte bei verspäteter Übergabe durch den Bauträger durch?
Zunächst sollten Sie den Bauträger schriftlich auffordern, die Übergabe der Wohnung oder des Hauses innerhalb einer angemessenen Frist nachzuholen. Wenn dies erfolglos bleibt, ziehen Sie einen auf Bau- und Immobilienrecht spezialisierten Rechtsanwalt hinzu, um Ihre Ansprüche auf Übergabe, Schadensersatz oder einstweiligen Rechtsschutz durchzusetzen.
Welche rechtlichen Möglichkeiten habe ich, wenn der Bauträger die Wohnung oder das Haus nicht übergibt?
Sie können unter anderem Fristen setzen, Schadensersatz wegen Verzugs fordern, eine einstweilige Verfügung beantragen, vom Vertrag zurücktreten oder eine Minderung des Kaufpreises geltend machen.
Worauf sollte ich bei einer verspäteten Übergabe durch den Bauträger achten?
Prüfen Sie rechtzeitig Ihren Bauträgervertrag auf Vereinbarungen zur Übergabe und Fristen, kommunizieren Sie Ihre Forderungen und Bedenken gegenüber dem Bauträger und handeln Sie bei anhaltenden Verzögerungen rasch, indem Sie einen Rechtsanwalt hinzuziehen und rechtliche Schritte einleiten.
Kann ich bei einer Übergabeverzögerung einstweiligen Rechtsschutz erhalten?
Ja, bei einer Übergabeverzögerung ist eine einstweilige Verfügung oder einstweilige Anordnung möglich, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, wie etwa ein Verfügungsanspruch, Verfügungsgrund, Waffengleichheit und Verhältnismäßigkeit.
Wie sieht die aktuelle Rechtsprechung zur Übergabeverzögerung durch Bauträger aus?
In jüngster Rechtsprechung haben Gerichte häufig zugunsten der Käufer entschieden und beispielsweise ein Recht auf Zurückbehaltungsrecht an Raten, Karenzzeiten für Bauträger oder Schadensersatz für erhöhte Kosten bei Übergabeverzögerungen bestätigt. Allerdings betonen die Gerichte stets die Einzelfallabhängigkeit der Entscheidungen.
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