Im Bereich des Baurechts treten häufig Fragen und Unsicherheiten auf. Besonders dann, wenn Baupläne nicht exakt dem Bebauungsplan entsprechen, stellt sich schnell die Frage, ob und wie eine Genehmigung für das Bauvorhaben eingeholt werden kann. Hier kommt der Befreiungsantrag ins Spiel. Diese rechtliche Option kann es Bauherren ermöglichen, bestimmte Abweichungen vom Bebauungsplan zu realisieren und trotzdem im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zu bleiben. In diesem umfassenden Leitfaden beleuchten wir detailliert die relevanten rechtlichen Grundlagen, Verfahren und praktischen Aspekte eines Befreiungsantrags.
Was ist ein Befreiungsantrag im Baurecht?
Ein Befreiungsantrag im Baurecht ist ein formelles Gesuch, das bei der zuständigen Baubehörde eingereicht wird, um eine Abweichung von den festgelegten Vorschriften eines Bebauungsplans zu erwirken. Der Bebauungsplan legt planerische Festsetzungen für ein bestimmtes Gebiet fest, wie etwa die Art der zulässigen Bebauung, Baugrenzen, und Bauhöhen. Doch in der Praxis kann es Situationen geben, in denen ein Bauvorhaben aufgrund der besonderen Umstände vom Bebauungsplan abweichen muss. Hier schafft der Befreiungsantrag rechtliche Möglichkeiten.
Rechtliche Grundlage für den Befreiungsantrag
Die gesetzliche Grundlage für Befreiungsanträge findet sich im Baugesetzbuch (BauGB), insbesondere in § 31 BauGB. Diese Norm regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans möglich ist. Ein wichtiger rechtlicher Aspekt ist dabei die Abwägung öffentlicher und privater Interessen. Die Bauaufsichtsbehörde prüft, ob die geplante Abweichung mit den öffentlichen Interessen vereinbar ist und ob die Grundzüge der Planung nicht beeinträchtigt werden.
Voraussetzungen für einen erfolgreichen Befreiungsantrag
Die Genehmigung eines Befreiungsantrags ist an bestimmte Bedingungen geknüpft. Folgende Punkte müssen in der Regel erfüllt sein:
- Unzumutbare Härte: Wenn die strikte Beachtung des Bebauungsplans für den Bauherrn eine unzumutbare Härte darstellt.
- Geringfügigkeit der Abweichung: Wenn die Abweichung geringfügig ist und die Grundzüge der Planung nicht beeinträchtigt werden.
- Öffentliches Interesse: Wenn das öffentliche Interesse nicht erheblich beeinträchtigt wird durch die Abweichung.
Beispiele für Abweichungen vom Bebauungsplan
Einige typische Beispiele für Abweichungen, die im Rahmen eines Befreiungsantrags genehmigt werden können, umfassen:
- Geringfügige Überschreitung der Bauhöhen
- Abweichende Dachformen oder -materialien
- Veränderungen bei Stellplätzen oder Garagen
- Änderungen an den Baugrenzen oder der Gebäudeausrichtung
Der Prozess des Befreiungsantrags
Der Prozess zur Einreichung eines Befreiungsantrags gliedert sich in verschiedene Schritte, die sorgfältig beachtet werden müssen, um eine erfolgreiche Genehmigung zu erhalten.
1. Vorbereitung und Beratung
Die sorgfältige Vorbereitung ist der erste Schritt. Bauherren sollten sich umfassend über die Vorschriften des geltenden Bebauungsplans informieren und prüfen, welche Abweichungen notwendig sind. Eine rechtliche Beratung durch unsere Kanzlei kann dabei helfen, die Erfolgschancen des Befreiungsantrags zu bewerten und die notwendigen rechtlichen Schritte einzuleiten.
2. Einreichung des Antrags
Der Befreiungsantrag wird bei der örtlichen Baubehörde eingereicht. Der Antrag sollte detaillierte Angaben zum Bauvorhaben und den gewünschten Abweichungen enthalten. Hilfreich sind auch Skizzen, Baupläne und umfassende Begründungen für die Abweichungen.
3. Prüfung durch die Baubehörde
Nach Einreichung des Antrags prüft die Baubehörde die Unterlagen und wägt die Interessen ab. Dies schließt auch die Betrachtung der Auswirkungen auf die Nachbarschaft und das städtebauliche Umfeld ein.
4. Entscheidung
Die Baubehörde trifft eine Entscheidung und erlässt einen Bescheid. Im Falle einer Genehmigung können die Bauherren mit der Umsetzung des Bauvorhabens beginnen. Sollte der Antrag abgelehnt werden, besteht die Möglichkeit, gegen den Bescheid Widerspruch einzulegen.
Praxisbeispiele für erfolgreiche Befreiungsanträge
Um die praktischen Aspekte eines Befreiungsantrags besser zu veranschaulichen, möchten wir einige Beispiele aus unserer Mandantenpraxis vorstellen.
Fall 1: Überschreitung der Bauhöhe
Ein Bauherr plante den Neubau eines Einfamilienhauses, das in der geplanten Form die im Bebauungsplan festgelegte Bauhöhe um 50 cm überschreiten würde. Aufgrund der besonderen topographischen Gegebenheiten des Grundstücks stellte sich diese Überschreitung als unumgänglich heraus. In unserem Befreiungsantrag für den Bauherrn legten wir ausführlich dar, dass die Überschreitung der Bauhöhe keine negativen Auswirkungen auf die Nachbarschaft haben würde und die Grundzüge der städtebaulichen Planung nicht beeinträchtigt werden. Die Baubehörde genehmigte den Antrag unter Berücksichtigung der vorgebrachten Argumente.
Fall 2: Abweichende Dachform
Ein anderer Bauherr plante den Bau eines Wohnhauses mit einer modernen, abweichenden Dachform, die vom gültigen Bebauungsplan nicht vorgesehen war. In unserem Antrag argumentierten wir, dass die gewählte Dachform zur architektonischen Aufwertung des Wohngebiets beitragen würde. Zudem wiesen wir nach, dass die Abweichung keine negativen Auswirkungen auf die Umgebung hätte. Auch dieser Antrag wurde nach eingehender Prüfung durch die Baubehörde genehmigt.
Tipps für einen erfolgreichen Befreiungsantrag
Um die Chancen auf eine Genehmigung ihres Befreiungsantrags zu erhöhen, sollten Bauherren folgende Tipps beachten:
- Frühzeitige Planung: Planen Sie frühzeitig und berücksichtigen Sie die Vorgaben des Bebauungsplans in Ihren Bauplänen von Anfang an.
- Detaillierte Begründung: Legen Sie Ihrem Antrag eine detaillierte Begründung bei, warum die Abweichung notwendig ist und welche Auswirkungen diese haben wird.
- Rechtliche Beratung: Ziehen Sie rechtlichen Rat hinzu, um sicherzustellen, dass Ihr Antrag formal und inhaltlich korrekt ist.
- Nachbarschaftseinbindungen: Notieren Sie die Position Ihrer Nachbarn und versuchen Sie, deren Zustimmung zu den geplanten Abweichungen einzuholen, soweit dies möglich ist.
Häufig gestellte Fragen zum Befreiungsantrag
Kann jede Abweichung vom Bebauungsplan genehmigt werden?
Nein. Nicht jede Abweichung wird genehmigt. Die Abweichung darf die Grundzüge der planerischen Konzeption nicht beeinträchtigen und muss mit den öffentlichen und nachbarlichen Interessen vereinbar sein.
Welchen zeitlichen Rahmen muss ich einplanen?
Die Bearbeitungszeit eines Befreiungsantrags kann variieren und hängt von der Komplexität des Vorhabens sowie der Arbeitsbelastung der zuständigen Baubehörde ab. In der Regel sollte man jedoch einige Wochen bis Monate einplanen.
Was kostet ein Befreiungsantrag?
Die Kosten für einen Befreiungsantrag setzen sich aus den Gebühren der Baubehörde und den möglichen Kosten für eine anwaltliche Beratung zusammen. Die genauen Kosten können je nach Umfang und Komplexität des Bauvorhabens variieren.
Checkliste für den Befreiungsantrag
Um sicherzugehen, dass alle wichtigen Punkte bei der Einreichung eines Befreiungsantrags berücksichtigt werden, haben wir eine praktische Checkliste für Sie zusammengestellt:
- Prüfung des geltenden Bebauungsplans
- Identifizierung der Abweichungen und Notwendigkeiten
- Erstellung von detaillierten Skizzen und Bauplänen
- Umfassende Begründung der Abweichungen
- Einholung der Zustimmung der Nachbarn (falls möglich)
- Beratung durch einen Anwalt zur rechtlichen Prüfung
- Einreichung des Antrags bei der zuständigen Baubehörde
- Verfolgung des Bearbeitungsstands und ggf. Nachreichung weiterer Unterlagen
- Prüfen des Bescheids und Einlegen eines Widerspruchs im Falle einer Ablehnung
Mandantengeschichten: Erfahrungen mit Befreiungsanträgen
Die Praxis zeigt, dass Befreiungsanträge in vielen Fällen zum Erfolg führen können. Anhand zweier anonymisierter Mandantengeschichten möchten wir Ihnen praktische Einblicke geben:
Geschichte 1: Bebauung eines Wohngebiets
Ein Investor plante die Bebauung eines neuen Wohngebiets und stellte fest, dass die im Bebauungsplan festgelegten Baugrenzen die vorgesehenen modernen Architekturentwürfe erheblich einschränkten. In Zusammenarbeit mit unserer Kanzlei wurde ein Befreiungsantrag erarbeitet, der die planerischen Vorteile der vorgeschlagenen Gebäude verdeutlichte. Letztlich konnte der Investor eine Genehmigung erreichen, die eine ansprechende und zweckmäßige Bebauung ermöglichte.
Geschichte 2: Erhalt eines historischen Gebäudes
Ein privater Bauherr wollte ein historisches Gebäude renovieren und um einige moderne Anbauten ergänzen. Diese Anbauten entsprachen allerdings nicht den Vorgaben des Bebauungsplans. Durch einen rechtlich fundierten Befreiungsantrag, der sowohl historische Aspekte als auch moderne Nutzungsmöglichkeiten berücksichtigte, erreichten wir eine flexible Handhabung der Vorschriften und ermöglichten so den Erhalt und die Modernisierung des Gebäudes.
Fazit
Ein Befreiungsantrag bietet Bauherren eine sinnvolle Möglichkeit, Abweichungen vom Bebauungsplan zu beantragen und trotzdem den gesetzlichen Rahmen nicht zu überschreiten. Die sorgfältige Vorbereitung, detaillierte Begründung und die rechtliche Beratung durch unsere Kanzlei sind entscheidend für den Erfolg eines solchen Antrags. Durch das Zusammenspiel von rechtlichen Vorgaben und praktischen Argumenten lassen sich oftmals zufriedenstellende Lösungen für beide Seiten finden. So wird es möglich, Bauprojekte flexibel und planungssicher zu realisieren.
Natürlich ist der gesamte rechtliche Prozess komplex und bedarf einer sorgfältigen Planung sowie fundierten Kenntnissen der geltenden Vorschriften. Unsere Anwälte stehen Ihnen hier beratend zur Seite und unterstützen Sie bei der erfolgreichen Durchführung Ihres Bauvorhabens.
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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter

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