Der Beherrschungsvertrag ist eine spezielle Vertragsform im deutschen Gesellschaftsrecht. Mit dem Abschluss eines Beherrschungsvertrags verpflichtet sich die beherrschte Gesellschaft, ihre Leitungsgewalt an die herrschende Gesellschaft abzugeben. Dies ermöglicht eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit und bietet Vorzüge für beide Vertragsparteien.

In diesem umfassenden Blog-Beitrag behandeln wir:

  • Grundlagen und rechtlicher Rahmen des Beherrschungsvertrags
  • Anwendungsbereiche und beispielhafte Branchen
  • Kritische Aspekte und Grenzen des Beherrschungsvertrags
  • Aktuelle Gerichtsurteile und deren Bedeutung
  • FAQs zum Verständnis und zur Umsetzung eines Beherrschungsvertrags

Wir wollen unser rechtliches Know-how als erfahrene Rechtsanwälte mit Ihnen teilen und Ihnen helfen, den Beherrschungsvertrag besser zu verstehen. Unser Ziel ist es, dass Sie nach der Lektüre dieses Beitrags in der Lage sind, fundierte Entscheidungen über das Eingehen oder die Anfechtung eines Beherrschungsvertrages zu treffen.

Grundlagen des Beherrschungsvertrags und rechtlicher Rahmen

Ein Beherrschungsvertrag ist ein privatrechtlicher Vertrag, der im deutschen Gesellschaftsrecht Anwendung findet. Der Vertrag dient dazu, die Leitungsgewalt einer beherrschten Gesellschaft unter die Führung der herrschenden Gesellschaft zu stellen. Typische Vertragsparteien sind zwei Aktiengesellschaften (AGs) oder eine Aktiengesellschaft und eine GmbH. Der rechtliche Rahmen des Beherrschungsvertrags ist im Aktiengesetz (AktG) verankert, insbesondere in den §§ 291-307 AktG.

Rechtliche Grundlagen

Der Beherrschungsvertrag ist ein sogenanntes faktisches Organ enthaltendes Abhängigkeitsverhältnis. Zu den rechtlichen Grundlagen zählen:

  • § 291 AktG: Grundlage für den Abschluss eines Beherrschungsvertrags
  • § 293 AktG: Zustimmung der Hauptversammlung der beherrschten Gesellschaft
  • § 293a AktG: Schutzbestimmungen für externe Aktionäre
  • § 295 AktG: Umsetzung der Leitungsbefugnisse der herrschenden Gesellschaft
  • § 307 AktG: Kündigung und Beendigung des Beherrschungsvertrags

Der Abschluss eines Beherrschungsvertrags ist zudem nur dann zulässig, wenn er auch im Interesse beider Vertragsparteien liegt. Auch eine angemessen Entschädigung für externe Aktionäre und Gläubiger sollte durch den Vertrag gewährleistet werden.

Anwendungsbereiche und beispielhafte Branchen

Der Beherrschungsvertrag ist in verschiedenen Branchen und Unternehmenssituationen einsetzbar. Typische Anwendungsfälle sind:

  • Zusammenschluss von Unternehmen zur Verfolgung gemeinsamer wirtschaftlicher Ziele
  • Stärkung der Marktposition durch engere Zusammenarbeit
  • Bündelung von Ressourcen und Fähigkeiten, um Synergien zu erzielen
  • Absicherung von Investitionen und Risikomanagement

Beispiele für Branchen, in denen Beherrschungsverträge häufig anzutreffen sind, sind:

  • Automobilindustrie: Große Autokonzerne strukturieren ihre Beziehungen zu Zulieferern und Partnerunternehmen häufig über Beherrschungsverträge
  • Chemie- und Pharmaindustrie: In diesen Branchen erleichtert der Beherrschungsvertrag den Technologietransfer und die Zusammenarbeit bei Forschung und Entwicklung
  • Banken und Finanzdienstleister: Zur Absicherung von Finanzierungen und Krediten können Banken den Abschluss eines Beherrschungsvertrags fordern

Kritische Aspekte und Grenzen des Beherrschungsvertrags

Obwohl der Beherrschungsvertrag in bestimmten Situationen Vorteile bieten kann, gibt es auch kritische Aspekte und Grenzen zu beachten, wie z.B.:

  • Schutz der Minderheitsaktionäre und Gläubiger: Der Beherrschungsvertrag dürfen nicht dazu führen, dass Minderheitsaktionäre und Gläubiger benachteiligt werden. Schutzbestimmungen, wie etwa die Zahlung von angemessenen Entschädigungen und Abfindungen, müssen gewährleistet sein
  • Mögliche Interessenkonflikte: Die Zusammenführung der Leitungsgewalt von zwei Gesellschaften unter eine herrschende Gesellschaft kann zu Interessenkonflikten führen, die zu negativen Auswirkungen für eine oder beide Vertragsparteien führen
  • Kartellrechtliche Problemstellungen: Der Abschluss eines Beherrschungsvertrags kann unter Umständen gegen das Kartellrecht verstoßen, insbesondere wenn dadurch Marktmacht missbräuchlich ausgenutzt oder eine marktbeherrschende Stellung erreicht wird

Aktuelle Gerichtsurteile und deren Bedeutung

Gerichtsurteile können einen wichtigen Einfluss auf die Auslegung und Anwendung von Beherrschungsverträgen haben. Im Folgenden stellen wir einige aktuelle Gerichtsurteile vor, die für das Verständnis des Beherrschungsvertrags relevant sind.

BGH-Urteil vom 30.07.2020 – II ZR 299/18

In diesem Urteil befasste sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage, ob eine aktienrechtliche Anerkennungspflicht einer konzernexternen Garantie für eine konzerninterne Schuld besteht. Der BGH entschied, dass ein beherrschendes Unternehmen auch bei einer solchen Garantie eine angemessene Vergütung an die Tochtergesellschaft zahlen muss, da dies im Rahmen eines Beherrschungsvertrags ebenfalls erforderlich wäre.

BGH-Urteil vom 21.07.2020 – II ZR 59/19

Dieses Urteil betraf die Frage, ob ein Schadensersatzanspruch nach § 304 AktG auch dann besteht, wenn der Beherrschungsvertrag nicht ordnungsgemäß gekündigt wurde. Der BGH entschied, dass die Pflicht zur Schadensersatzleistung auch bei fehlerhafter Kündigung weiterhin besteht, da die Regelungen des § 304 AktG auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses noch gelten.

BGH-Urteil vom 18.12.2019 – II ZR 218/18

In diesem Urteil ging es um die Höhe der Abfindung für ausgeschiedene Aktionäre im Zusammenhang mit einem Beherrschungsvertrag. Der BGH entschied, dass dabei das vereinbarte Abfindungsangebot an die Aktionäre angemessen sein muss, wobei ein durchschnittlicher Börsenkurs als Berechnungsgrundlage herangezogen werden kann.

FAQs zum Verständnis und zur Umsetzung eines Beherrschungsvertrags

In diesem Abschnitt beantworten wir häufig gestellte Fragen zum Thema Beherrschungsvertrag, um Ihnen ein besseres Verständnis der Materie zu ermöglichen.

Warum ist der Abschluss eines Beherrschungsvertrags für Unternehmen vorteilhaft?

Ein Beherrschungsvertrag kann für Unternehmen in verschiedener Hinsicht vorteilhaft sein. Es ermöglicht eine engere Zusammenarbeit und das Erreichen gemeinsamer wirtschaftlicher Ziele, die Bündelung von Ressourcen sowie eine bessere Absicherung von Risiken.

Welche rechtlichen Schutzmechanismen sind für Minderheitsaktionäre und Gläubiger bei einem Beherrschungsvertrag vorgesehen?

Das Aktiengesetz sieht einige Schutzbestimmungen für Minderheitsaktionäre und Gläubiger vor, z.B.:

  • Zustimmung der Hauptversammlung der beherrschten Gesellschaft (§ 293 AktG)
  • Ausschüttungsanspruch, angemessene Entschädigung und Abfindung für Aktionäre (§ 293a AktG)
  • Haftung der herrschenden Gesellschaft für Verluste der beherrschten Gesellschaft (§ 302 AktG)

Wie wirken sich Gerichtsurteile auf die Umsetzung und Praxis von Beherrschungsverträgen aus?

Gerichtsurteile können die Auslegung und Anwendung von Beherrschungsverträgen beeinflussen, indem sie z.B. die Grenzen und rechtlichen Anforderungen für Abfindungen oder Entschädigungen konkretisieren, die Zulässigkeit bestimmter Vertragsklauseln klären oder allgemeine Grundsätze zum Schutz der Vertragsparteien prägen.

Welche kartellrechtlichen Probleme können beim Abschluss eines Beherrschungsvertrags entstehen?

Beim Abschluss eines Beherrschungsvertrags können kartellrechtliche Problemstellungen auftreten. Insbesondere dann, wenn dadurch eine marktbeherrschende Stellung erreicht oder Marktmacht missbräuchlich ausgenutzt wird. Dies kann zu einer Untersagung des Vertragsabschlusses oder zu kartellrechtlichen Sanktionen führen.

Wie kann ein Beherrschungsvertrag gekündigt bzw. beendet werden?

Ein Beherrschungsvertrag kann laut § 307 AktG ordentlich unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von mindestens sechs Monaten gekündigt werden. Eine außerordentliche Kündigung ist unter bestimmten Voraussetzungen, wie bei einer schweren Vertragsverletzung oder einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse einer der Vertragsparteien, ebenfalls möglich.

Fazit: Rechtliche Expertise ist unverzichtbar beim Beherrschungsvertrag

Ein Beherrschungsvertrag kann für Unternehmen viele Vorteile bieten, ist jedoch mit einer Reihe rechtlicher Fragestellungen und Herausforderungen verbunden. Die Beachtung der aktuellsten Gerichtsurteile und rechtlichen Rahmenbedingungen ist entscheidend, um Fehlentscheidungen und potenzielle Nachteile für Unternehmen und Aktionäre zu vermeiden. Daher ist die Beratung und Begleitung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt bei der Gestaltung und Umsetzung eines Beherrschungsvertrags von hoher Bedeutung.

In diesem Blog-Beitrag haben wir die Grundlagen, Anwendungsbereiche, kritische Aspekte und rechtliche Rahmenbedingungen des Beherrschungsvertrags betrachtet und Ihnen einen Einblick in aktuelle Gerichtsurteile und Antworten auf häufig gestellte Fragen gegeben. Mit diesem Wissen sind Sie bestens gerüstet, um in Sachen Beherrschungsvertrag informierte Entscheidungen zu treffen und sich kompetent beraten zu lassen.

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