In Zeiten des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels können Vollrentner eine wertvolle Ressource für Unternehmen darstellen. Gleichzeitig stellt die Beschäftigung von Vollrentnern eine flexible Möglichkeit für Rentner dar, ihre Rente aufzubessern und auch im Ruhestand weiterhin aktiv und in den Arbeitsmarkt integriert zu sein. Doch wie sieht es rechtlich bei dieser Form der Beschäftigung aus? In diesem umfangreichen Blogbeitrag geben wir Ihnen als kompetenter und erfahrener Rechtsanwalt einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Aspekte der Beschäftigung von Vollrentnern in Deutschland. Wir gehen insbesondere auf folgende Punkte ein:

  • Arten von Arbeitsverträgen für Vollrentner
  • Steuerliche Aspekte der Beschäftigung von Vollrentnern
  • Sozialversicherungsabgaben für Vollrentner
  • Aktuelle Gesetze und Gerichtsurteile
  • FAQs zur Beschäftigung von Vollrentnern

Arten von Arbeitsverträgen für Vollrentner

Grundsätzlich bestehen für die Beschäftigung von Vollrentnern verschiedene Möglichkeiten der Vertragsgestaltung. In jedem Fall sollte ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen werden, um die Rechte und Pflichten beider Vertragsparteien – Arbeitnehmer und Arbeitgeber – klar zu regeln. Mögliche Vertragsarten sind:

  • Unbefristeter Arbeitsvertrag: Der unbefristete Arbeitsvertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen und beinhaltet keine (!) Regelungen zur Befristung des Vertrages. Für die Beendigung des Vertrags gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen.
  • Befristeter Arbeitsvertrag: Ein befristeter Arbeitsvertrag wird auf bestimmte Zeit geschlossen. Nach Ablauf der Befristung endet das Arbeitsverhältnis automatisch, ohne dass es einer Kündigung bedarf.
  • Teilzeitarbeitsvertrag: Bei einem Teilzeitarbeitsvertrag wird eine geringere Wochenarbeitszeit als die übliche Vollzeitarbeitszeit vereinbart. Teilzeitarbeit kann sowohl unbefristet als auch befristet erfolgen.
  • Minijob: Bei einem Minijob (auch 450-Euro-Job oder geringfügige Beschäftigung genannt) liegt das monatliche Arbeitsentgelt bei maximal 450 Euro. Minijobs können ebenfalls auf unbefristeter oder befristeter Basis erfolgen.

Es besteht auch die Möglichkeit, einen Mischvertrag aus verschiedenen Vertragselementen zu schließen, indem beispielsweise Teilzeit und Befristung miteinander kombiniert werden. Ein Vertrag über eine versicherungspflichtige Beschäftigung kann außerdem eine Gleitzone oder ein vertraglich vereinbartes Abrufarbeitsverhältnis beinhalten.

Steuerliche Aspekte der Beschäftigung von Vollrentnern

Vollrentner, die neben ihrer Rente noch einer Erwerbstätigkeit nachgehen möchten, sollten sich über die steuerlichen Auswirkungen im Klaren sein. Grundsätzlich erzielen Arbeitnehmer wie auch Vollrentner mit ihrer Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daher unterliegen diese Einkünfte der Einkommensteuer. Bei Vollrentnern gelten jedoch einige Besonderheiten:

  • Einkommensteuerfreibetrag: Jeder Steuerpflichtige hat einen jährlichen Einkommensteuerfreibetrag. Dieser beträgt für das Jahr 2022 für Alleinstehende 9.984 Euro und für Verheiratete 19.968 Euro. Solange das Gesamteinkommen (Rente plus Arbeitseinkommen) unterhalb dieser Grenzen liegt, fallen keine Einkommensteuern an.
  • Rentenbesteuerung: Seit dem Alterseinkünftegesetz von 2005 sind Renten teilweise steuerpflichtig. Der steuerpflichtige Anteil der Rente hängt vom Jahr des Rentenbeginns ab und steigt für Neurentner jedes Jahr an. Für Renten, die ab 2040 beginnen, sind 100 % der Rente steuerpflichtig. Details hierzu finden Sie in § 22 EStG.
  • Progressionsvorbehalt: Soweit ein Rentner neben seiner Rente noch weitere steuerpflichtige Einkünfte erzielt, wirkt sich dies durch den Progressionsvorbehalt auf die Höhe des individuellen Steuersatzes aus. Dabei wird das Arbeitsentgelt zu der Rente hinzugerechnet, und daraufhin wird der individuelle Steuersatz bestimmt. Das Arbeitsentgelt unterliegt damit dem erhöhten Steuersatz und zwar unabhängig von der Höhe der Rente.

Es empfiehlt sich, im Einzelfall von einem Steuerberater oder einem darauf spezialisierten Rechtsanwalt beraten zu lassen, um mögliche steuerliche Folgen genau abzuwägen.

Sozialversicherungsabgaben für Vollrentner

Wenn Vollrentner neben ihrer Rente noch einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, gelten einige Besonderheiten in Bezug auf Sozialversicherungsabgaben:

  • Krankenversicherung: Vollrentner, die gesetzlich krankenversichert sind, zahlen keine weiteren Beiträge zur Krankenversicherung aus ihrem Arbeitseinkommen, wenn sie schon die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung erreicht haben. Andernfalls muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmeranteil zur Krankenversicherung abführen. Privat versicherte Rentner müssen weiterhin ihre privaten Beiträge zahlen.
  • Pflegeversicherung: Auch zur Pflegeversicherung müssen Vollrentner in der Regel keine weiteren Beiträge aus ihrem Arbeitseinkommen zahlen. Ausnahme: Sind sie in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung und haben die Beitragsbemessungsgrenze noch nicht erreicht, müssen auch hier Beiträge abgeführt werden.
  • Rentenversicherung: Grundsätzlich unterliegen Vollrentner, die einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, der Beitragspflicht in der Rentenversicherung. Allerdings besteht für Vollrentner die Möglichkeit, sich von der Rentenversicherungspflicht auf Antrag befreien zu lassen (§ 6 Abs. 1a SGB VI).
  • Arbeitslosenversicherung: Vollrentner sind in der Regel nicht verpflichtet, Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu zahlen. Ausnahme: Sie sind in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung mit einem Entgelt von mehr als 450 Euro.

Arbeitgeber sollten beachten, dass sie in jedem Fall verpflichtet sind, ihren Anteil zu den Sozialversicherungsbeiträgen für ihren vollrentenbeziehenden Arbeitnehmer zu entrichten – selbst wenn der Arbeitnehmer von der Versicherungspflicht befreit ist.

Aktuelle Gesetze und Gerichtsurteile

Im Rahmen der rechtlichen Ausführungen zur Beschäftigung von Vollrentnern sind einige aktuelle Gesetze und Gerichtsurteile von besonderer Bedeutung:

  • Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 03.04.2019 (7 ABR 53/17): Das BAG entschied, dass Arbeitnehmer, die neben ihrem Arbeitsentgelt eine Altersrente beziehen, nicht automatisch von der Nachtarbeitszulage ausgeschlossen sind. Der Arbeitgeber muss die Nachtarbeitszulage auch an Arbeitnehmer zahlen, die eine Altersrente beziehen, sofern sie tatsächlich Nachtarbeit leisten.
  • Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.02.2017 (9 AZR 431/15): Das BAG entschied, dass eine Regelung im Arbeitsvertrag, die eine pauschale Abgeltung von Überstunden vorsieht, für einen Arbeitnehmer, der neben seiner Rente als vollrentenbeziehender Arbeitnehmer beschäftigt ist, unwirksam sein kann. Die Regelung könne gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) verstoßen, wenn sie nicht klarstellt, dass das von der Pauschale abgegoltene Arbeitsvolumen nach dem individuellen Arbeitszeitmodell in Bezug zur Vergütung steht.
  • Flexirentengesetz (Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben) vom 17.08.2016: Das Flexirentengesetz trat am 01.01.2017 in Kraft und ermöglicht es, flexiblere Regelungen beim Übergang in den Ruhestand zu treffen. Rentner können beispielsweise stufenweise in den Ruhestand gehen oder ihre Rente durch eine Teilzeitbeschäftigung aufbessern. Auch die Hinzuverdienstgrenzen wurden angehoben.
  • § 20 SGB IV: Gleitzone: Vollrentner, die neben ihrer Rente eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen, unterliegen grundsätzlich der Beitragspflicht in der Rentenversicherung. Bei einer Beschäftigung in der Gleitzone (Entgelt zwischen 450,01 Euro und 1.300 Euro) ermäßigt sich jedoch der Rentenversicherungsbeitrag.
  • § 6 Abs. 1a SGB VI: Befreiung von der Versicherungspflicht: Vollrentner können sich auf Antrag von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen. Die Befreiung hat keine Auswirkungen auf die bereits erworbene Rente, führt aber dazu, dass keine weiteren Rentenanwartschaften aufgebaut werden.

FAQs zur Beschäftigung von Vollrentnern

Im Folgenden beantworten wir einige häufig gestellte Fragen zur Beschäftigung von Vollrentnern:

  • Wie wirkt sich die Beschäftigung eines Vollrentners auf dessen Rente aus? Grundsätzlich beeinflusst eine versicherungspflichtige Beschäftigung neben der Vollrente den Rentenanspruch. Wird jedoch ein Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1a SGB VI gestellt und bewilligt, hat die Beschäftigung keine Auswirkungen auf die Höhe der Rente.
  • Welche Hinzuverdienstgrenzen gelten für Vollrentner? Für Vollrentner, die einen vorzeitigen Rentenanspruch haben oder die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht haben, gelten Hinzuverdienstgrenzen. Diese betragen aktuell 6.300 Euro pro Kalenderjahr für Teilrentenbezieher und 14.400 Euro pro Kalenderjahr für Vollrentner.
  • Müssen Arbeitgeber bei der Beschäftigung von Vollrentnern Mindestlohn zahlen? Ja, auch bei der Beschäftigung von Vollrentnern besteht die Verpflichtung zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns. Zurzeit beträgt der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland 9,60 Euro pro Stunde (Stand: 2022).
  • Können Arbeitsverträge mit Vollrentnern ohne Angabe von Gründen befristet werden? Befristungen ohne Sachgrund sind nur dann zulässig, wenn eine bestimmte Höchstdauer (aktuell 24 Monate) nicht überschritten wird. Eine Befristung mit Sachgrund (z.B. Vertretung eines erkrankten Mitarbeiters) kann auch bei Vollrentnern angewendet werden und ist grundsätzlich unabhängig von der Dauer der Befristung.
  • Wie setzt sich das Urlaubsentgelt für Vollrentner zusammen? Das Urlaubsentgelt für Vollrentner setzt sich aus dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst der letzten 13 Wochen vor Beginn des Urlaubs zusammen. Die Berechnung erfolgt analog zu regulären Arbeitnehmern.

Fazit: Beschäftigung von Vollrentnern

Durch die Beschäftigung von Vollrentnern können Unternehmen wertvolle Erfahrungen und Kenntnisse nutzen und davon profitieren, dass solche Mitarbeiter tendenziell flexibler und auch weniger krankheitsanfällig sind als jüngere Arbeitnehmer. Andererseits müssen bei der Beschäftigung von Vollrentnern einige rechtliche Besonderheiten beachtet werden, insbesondere in Bezug auf Vertragsarten, steuerliche Aspekte und Sozialversicherungsabgaben. Vollrentner selbst sollten mögliche Auswirkungen auf ihre Rente und die entsprechenden Hinzuverdienstgrenzen im Auge behalten. Bei Unsicherheiten in rechtlichen Fragen bietet sich eine Beratung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt oder Steuerberater an.

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