Die Bürgschaft ist ein Sicherungsmittel, das häufig im Zusammenhang mit der Vergabe von Krediten verwendet wird. Dabei verpflichtet sich eine dritte Person, dem Bürgen, gegenüber dem Gläubiger für die Verbindlichkeiten des Hauptschuldners einzustehen. Dabei stellt sich oft die Frage, welche Rechte und Pflichten Bürgen und Gläubiger haben und welche rechtlichen Aspekte bei der Bürgschaft zu beachten sind. In diesem Blog-Beitrag gehen wir auf diese Fragen ein und geben einen Überblick über das Bürgschaftsrecht, aktuelle Gerichtsurteile und nützliche Tipps für Bürgen und Gläubiger.
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen des Bürgschaftsrechts
- Arten von Bürgschaften
- Rechte und Pflichten von Bürgen
- Rechte und Pflichten von Gläubigern
- Prüfung der Bürgschaft
- Aktuelle Gerichtsurteile
- FAQs zum Bürgschaftsrecht
- Nützliche Tipps für Bürgen und Gläubiger
Grundlagen des Bürgschaftsrechts
Die gesetzlichen Regelungen zur Bürgschaft finden sich in den §§ 765 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Eine Bürgschaft ist ein Vertrag, durch den sich der Bürge verpflichtet, für eine Verbindlichkeit des Hauptschuldners einzustehen (§ 765 Abs. 1 BGB). Der Bürge haftet dabei mit seinem gesamten Vermögen, sofern nichts anderes vereinbart ist. Die Haftung des Bürgen ist jedoch auf die Höhe der Hauptschuld begrenzt.
Die Bürgschaft bedarf der Schriftform, d.h. sie muss handschriftlich unterzeichnet werden (§ 766 BGB). Eine elektronische Form ist nicht ausreichend. Die Bürgschaft kann sowohl für gegenwärtige als auch für zukünftige Verbindlichkeiten des Hauptschuldners eingegangen werden.
Die Bürgschaft endet in der Regel mit der Erfüllung der Hauptschuld durch den Hauptschuldner oder den Bürgen. Sie kann auch durch Kündigung oder Eintritt einer aufschiebenden Bedingung beendet werden. Eine Bürgschaft kann auch befristet sein, d.h. sie endet automatisch mit Ablauf der vereinbarten Frist.
Arten von Bürgschaften
Es gibt verschiedene Arten von Bürgschaften, die sich hinsichtlich der Haftung des Bürgen und der Durchsetzbarkeit der Forderung durch den Gläubiger unterscheiden:
- Ausfallbürgschaft: Bei der Ausfallbürgschaft haftet der Bürge erst, wenn der Hauptschuldner trotz erfolgter Zwangsvollstreckung nicht leistungsfähig ist. Der Gläubiger muss also zunächst gegen den Hauptschuldner vollstrecken, bevor er den Bürgen in Anspruch nehmen kann.
- selbstschuldnerische Bürgschaft: Bei der selbstschuldnerischen Bürgschaft verzichtet der Bürge auf die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB). Das bedeutet, dass der Gläubiger den Bürgen unmittelbar in Anspruch nehmen kann, ohne vorher gegen den Hauptschuldner vollstreckt zu haben.
- Höchstbetragsbürgschaft: Bei der Höchstbetragsbürgschaft ist die Haftung des Bürgen auf einen bestimmten Höchstbetrag begrenzt. Dieser Betrag kann niedriger sein als die Hauptschuld.
- Bürgschaft auf erste Anforderung: Bei der Bürgschaft auf erste Anforderung hat der Bürge bereits bei der ersten Zahlungsaufforderung des Gläubigers zu zahlen, ohne dass der Gläubiger nachweisen muss, dass der Hauptschuldner zahlungsunfähig ist.
Rechte und Pflichten von Bürgen
Der Bürge hat verschiedene Rechte und Pflichten im Rahmen einer Bürgschaft. Diese umfassen insbesondere:
- Haftung für die Hauptschuld: Der Bürge haftet für die Erfüllung der Hauptschuld, sofern der Hauptschuldner nicht leistungsfähig ist. Die Haftung des Bürgen ist jedoch auf die Höhe der Hauptschuld begrenzt.
- Einrede der Vorausklage: Der Bürge kann sich grundsätzlich darauf berufen, dass der Gläubiger zunächst gegen den Hauptschuldner vollstrecken muss, bevor er den Bürgen in Anspruch nehmen kann (§ 771 BGB). Diese Einrede entfällt jedoch bei der selbstschuldnerischen Bürgschaft.
- Auskunftsanspruch: Der Bürge hat ein Recht auf Auskunft über den Stand der Hauptschuld (§ 766 BGB). Der Gläubiger ist verpflichtet, den Bürgen über die Höhe der Hauptschuld und etwaige Änderungen zu informieren.
- Rückgriffsanspruch: Hat der Bürge die Hauptschuld erfüllt, steht ihm ein Rückgriffsanspruch gegen den Hauptschuldner zu (§ 774 BGB). Der Bürge kann also den gezahlten Betrag vom Hauptschuldner zurückfordern.
- Freistellungsanspruch: Der Bürge kann vom Hauptschuldner verlangen, ihn von der Bürgschaft freizustellen, wenn die Hauptschuld getilgt ist oder der Bürge anderweitig von seiner Haftung befreit ist (§ 775 BGB).
Rechte und Pflichten von Gläubigern
Auch der Gläubiger hat bestimmte Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Bürgschaft. Dazu gehören insbesondere:
- Inanspruchnahme des Bürgen: Der Gläubiger kann den Bürgen in Anspruch nehmen, wenn der Hauptschuldner nicht leistungsfähig ist. Bei der Ausfallbürgschaft muss der Gläubiger jedoch zunächst gegen den Hauptschuldner vollstrecken, bevor er den Bürgen in Anspruch nehmen kann.
- Auskunftspflicht: Der Gläubiger ist verpflichtet, den Bürgen über den Stand der Hauptschuld und etwaige Änderungen zu informieren (§ 766 BGB).
- Verzicht auf Einrede der Vorausklage: Bei der selbstschuldnerischen Bürgschaft verzichtet der Gläubiger auf die Einrede der Vorausklage, so dass er den Bürgen unmittelbar in Anspruch nehmen kann, ohne vorher gegen den Hauptschuldner vollstreckt zu haben.
- Sorgfaltspflichten: Der Gläubiger hat Sorgfaltspflichten gegenüber dem Bürgen zu beachten. Dazu gehört insbesondere die Prüfung der Kreditwürdigkeit des Hauptschuldners und die Einholung von Sicherheiten zur Absicherung der Hauptschuld.
Prüfung der Bürgschaft
Bevor ein Bürge eine Bürgschaft eingeht, sollte er die Bürgschaft sorgfältig prüfen und sich über die möglichen Risiken und Folgen im Klaren sein. Folgende Aspekte sollten dabei beachtet werden:
- Formelle Anforderungen: Die Bürgschaft muss schriftlich und handschriftlich unterzeichnet sein (§ 766 BGB). Eine elektronische Form ist nicht ausreichend. Achten Sie darauf, dass alle notwendigen Angaben im Bürgschaftsvertrag enthalten sind, wie z.B. die Höhe der Hauptschuld, die Art der Bürgschaft und die Haftung des Bürgen.
- Kreditwürdigkeit des Hauptschuldners: Informieren Sie sich über die finanzielle Situation des Hauptschuldners und seine Zahlungsmoral. Wenn der Hauptschuldner bereits in der Vergangenheit Zahlungsschwierigkeiten hatte, ist das Risiko höher, dass Sie als Bürge in Anspruch genommen werden.
- Höhe der Hauptschuld: Prüfen Sie, ob die Höhe der Hauptschuld in einem angemessenen Verhältnis zu Ihrem Vermögen und Ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit steht. Bedenken Sie, dass Sie im Falle einer Inanspruchnahme mit Ihrem gesamten Vermögen haften, sofern nichts anderes vereinbart ist.
- Art der Bürgschaft: Informieren Sie sich über die verschiedenen Arten von Bürgschaften und prüfen Sie, welche Art von Bürgschaft in Ihrem Fall am besten geeignet ist. Bedenken Sie dabei auch die unterschiedlichen Rechte und Pflichten, die mit den jeweiligen Bürgschaftsarten verbunden sind.
Aktuelle Gerichtsurteile
In den letzten Jahren gab es einige bedeutende Gerichtsurteile zum Bürgschaftsrecht, die das Verhältnis zwischen Bürgen, Gläubigern und Hauptschuldnern beeinflusst haben. Hier sind einige der wichtigsten Urteile:
- Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.01.2016, Az. XI ZR 103/15: Der BGH hat entschieden, dass eine Bürgschaft, die von einem Ehegatten ohne eigene wirtschaftliche Interessen und ohne ausreichende Aufklärung über die Risiken abgegeben wurde, sittenwidrig und damit unwirksam sein kann.
- Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.02.2011, Az. XI ZR 356/09: Der BGH hat entschieden, dass der Bürge einen Anspruch auf Herausgabe von Sicherheiten hat, die der Hauptschuldner dem Gläubiger zur Verfügung gestellt hat, wenn der Bürge die Hauptschuld erfüllt hat und der Gläubiger die Sicherheiten nicht mehr benötigt.
- Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.09.2017, Az. XI ZR 285/16: Der BGH hat entschieden, dass der Gläubiger bei einer Bürgschaft auf erste Anforderung den Bürgen sofort in Anspruch nehmen kann, ohne dass er nachweisen muss, dass der Hauptschuldner zahlungsunfähig ist. Dies gilt jedoch nur, wenn die Bürgschaft ausdrücklich als Bürgschaft auf erste Anforderung bezeichnet ist.
FAQs zum Bürgschaftsrecht
In diesem Abschnitt beantworten wir häufig gestellte Fragen zum Bürgschaftsrecht:
- Was passiert, wenn der Bürge die Bürgschaft kündigt? Die Kündigung der Bürgschaft führt dazu, dass die Haftung des Bürgen für zukünftige Verbindlichkeiten des Hauptschuldners endet (§ 777 BGB). Für bereits bestehende Verbindlichkeiten bleibt der Bürge jedoch weiterhin haftbar.
- Wie lange dauert eine Bürgschaft? Die Dauer der Bürgschaft hängt von den vertraglichen Vereinbarungen ab. Eine Bürgschaft kann befristet oder unbefristet sein. Bei einer befristeten Bürgschaft endet die Haftung des Bürgen automatisch mit Ablauf der vereinbarten Frist. Eine unbefristete Bürgschaft kann jederzeit von beiden Parteien gekündigt werden.
- Wann kann ein Gläubiger den Bürgen in Anspruch nehmen? Der Gläubiger kann den Bürgen in Anspruch nehmen, wenn der Hauptschuldner nicht leistungsfähig ist. Bei der Ausfallbürgschaft muss der Gläubiger jedoch zunächst gegen den Hauptschuldner vollstrecken, bevor er den Bürgen in Anspruch nehmen kann. Bei der selbstschuldnerischen Bürgschaft kann der Gläubiger den Bürgen unmittelbar in Anspruch nehmen, ohne vorher gegen den Hauptschuldner vollstreckt zu haben.
- Wie kann ein Bürge seine Haftung begrenzen? Der Bürge kann seine Haftung durch vertragliche Vereinbarungen begrenzen, z.B. indem er eine Höchstbetragsbürgschaft eingeht oder eine Bürgschaft mit aufschiebender Bedingung vereinbart. Eine weitere Möglichkeit ist die Vereinbarung einer Ausfallbürgschaft, bei der der Bürge erst in Anspruch genommen werden kann, wenn der Hauptschuldner trotz erfolgter Zwangsvollstreckung nicht leistungsfähig ist.
Nützliche Tipps für Bürgen und Gläubiger
Abschließend möchten wir Ihnen noch einige nützliche Tipps für Bürgen und Gläubiger geben, um mögliche Risiken und Probleme im Zusammenhang mit Bürgschaften zu vermeiden:
- Bürgen: Informieren Sie sich vor der Bürgschaftsübernahme über die finanzielle Situation des Hauptschuldners und prüfen Sie, ob die Höhe der Hauptschuld in einem angemessenen Verhältnis zu Ihrem Vermögen und Ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit steht. Achten Sie darauf, dass die Bürgschaft schriftlich und handschriftlich unterzeichnet ist und alle notwendigen Angaben enthält.
- Gläubiger: Prüfen Sie die Kreditwürdigkeit des Hauptschuldners sorgfältig und setzen Sie sich mit möglichen Alternativen zur Bürgschaft auseinander, wie z.B. der Einholung von Sicherheiten oder der Vereinbarung einer Globalzession. Achten Sie darauf, Ihre Auskunfts- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem Bürgen zu erfüllen und halten Sie den Bürgen über den Stand der Hauptschuld und etwaige Änderungen auf dem Laufenden.
- Rechtliche Beratung: Bei Unsicherheiten oder Problemen im Zusammenhang mit einer Bürgschaft ist es ratsam, sich rechtlich beraten zu lassen. Ein erfahrener Rechtsanwalt für Bürgschaftsrecht kann Ihnen dabei helfen, Ihre Rechte und Pflichten zu klären und mögliche Risiken zu minimieren.
- Verhandlungsbereitschaft: Sowohl für Bürgen als auch für Gläubiger ist es wichtig, bei Verhandlungen über eine Bürgschaft flexibel und kompromissbereit zu sein. Eine offene und ehrliche Kommunikation kann dazu beitragen, Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden und eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden.
Wir hoffen, dass dieser Blog-Beitrag Ihnen einen umfassenden Überblick über das Bürgschaftsrecht, die Rechte und Pflichten von Bürgen und Gläubigern sowie aktuelle Gerichtsurteile und nützliche Tipps gegeben hat. Bei weiteren Fragen oder Anliegen stehen wir Ihnen als erfahrene Rechtsanwälte im Bereich Bürgschaftsrecht gerne zur Verfügung.
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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter
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