Das Bundesvertriebenengesetz (BVFG) ist ein deutsches Bundesgesetz, das die Rechtsstellung von Vertriebenen, Flüchtlingen und Übersiedlern aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten regelt. Das Gesetz wurde erstmals im Jahr 1953 verabschiedet und seitdem mehrfach novelliert. In diesem umfangreichen Blogbeitrag möchten wir Ihnen ein umfassendes Verständnis über das BVFG vermitteln, wobei wir auf wichtige Aspekte, gesetzliche Grundlagen, aktuelle Gerichtsurteile sowie häufig gestellte Fragen eingehen werden.
Bundesvertriebenengesetz: Gesetzliche Grundlagen
Um das BVFG besser zu verstehen, sollte man sich zunächst die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen anschauen. Die folgenden Regelungen sind entscheidend:
- § 1 BVFG: Begriffsbestimmungen (Vertriebener, Flüchtling, Übersiedler)
- § 2 BVFG: Recht auf Hinterbliebenenversorgung
- § 3 BVFG: Gleichstellung von Vertriebenen und Flüchtlingen
- § 4 BVFG: Erlöschen von Sonderrechten
- § 5 BVFG: Vertriebenengruppen, deren eigene Einrichtungen oder Organisationen
In den folgenden Abschnitten werden wir einige dieser Regelungen erörtern und klarstellen, was sie für die Betroffenen bedeuten.
§ 1 BVFG: Begriffsbestimmungen
Der Begriff Vertriebener ist ein zentrales Element des BVFG. In § 1 Abs. 1 BVFG sind die Kriterien für die Anerkennung als Vertriebener festgelegt. Eine Person gilt als Vertriebener, wenn sie:
- deutscher Volkszugehöriger ist (§ 6 Abs. 1 BVFG).
- vor dem 1. Januar 1950 als Deutsche/r ihren Wohnsitz in den ehemaligen deutschen Ostgebieten oder den Gebieten außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches hatte.
- aufgrund von Vertreibungsmaßnahmen oder aufgrund Flucht oder Vertreibung ihren Wohnsitz verloren hat.
- ihre Hauptwohnung im Geltungsbereich des BVFG hat.
Innerhalb der gesetzlichen Bestimmungen sind auch Flüchtlinge und Übersiedler aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten definiert. Flüchtlinge sind Personen, die aufgrund von Kriegshandlungen oder -folgen ihre Hauptwohnung verloren haben (§ 1 Abs. 2 BVFG). Übersiedler sind deutsche Volkszugehörige, die nach dem 1946 aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit zu einem anderen Staat übersiedelt sind (§ 1 Abs. 3 BVFG).
§ 3 BVFG: Gleichstellung von Vertriebenen und Flüchtlingen
Der Gesetzgeber hat in § 3 BVFG die Gleichstellung von Vertriebenen und Flüchtlingen mit den Ansässigen im Geltungsbereich des BVFG festgelegt. Diese Regelung soll insbesondere im Bereich Sozial- und Arbeitsrecht sowie im Staats- und Landesrecht für gleiche Voraussetzungen sorgen.
Sonderleistungen
Das BVFG sieht für die Betroffenen verschiedene Sonderleistungen vor, die diesen helfen sollen, sich in Deutschland ein neues Leben aufzubauen. Zu diesen Leistungen gehören insbesondere:
- Vertriebenenhilfsgesetz bietet finanzielle Unterstützung für den Aufbau einer neuen Existenz
- Wiedergutmachungs- und Entschädigungsansprüche gegenüber dem deutschen Staat oder dem Staat, der sie vertrieben hat
- soziale Leistungen wie Renten, Krankenversicherungen und Arbeitsförderung
Aussiedler und Spätaussiedler: Unterschiede und Rechte
Im Zusammenhang mit dem Bundesvertriebenengesetz gibt es oft Verwirrung über die Begrifflichkeiten Aussiedler und Spätaussiedler. Während das BVFG primär Vertriebene, Flüchtlinge und Übersiedler thematisiert, finden Aussiedler und Spätaussiedler ihre Regelung im Bundesvertriebenengesetz und im Bundesgesetzblatt Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
Hier werden sie als deutsche Volkszugehörige definiert, die nach dem Stichtag 31. Dezember 1992 aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten oder aus Gebieten außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt sind.
Aussiedler und Spätaussiedler haben Anspruch auf verschiedene Leistungen und Rechte, um ihre Integration und ihr Leben in Deutschland zu erleichtern. Dazu zählen unter anderem:
- Einbürgerung nach § 40b des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG)
- Teilnahme an Integrationskursen nach dem Zuwanderungsgesetz
- Sozialleistungen wie Renten, Krankenversicherungen und Arbeitsförderung
Feststellungsverfahren nach dem Bundesvertriebenengesetz
Personen, die als Vertriebene, Flüchtlinge, Übersiedler, Aussiedler oder Spätaussiedler anerkannt werden möchten, müssen ein amtliches Feststellungsverfahren durchlaufen. Dieses Verfahren wird in der Regel von den zuständigen Vertriebenenbehörden der Bundesländer durchgeführt.
Während des Feststellungsverfahrens prüft die Vertriebenenbehörde, ob die betroffene Person die erforderlichen Voraussetzungen für die Anerkennung erfüllt. Dazu gehört insbesondere die Prüfung der deutschen Volkszugehörigkeit, des Wohnsitzverlusts infolge von Vertreibung, Flucht oder Aussiedlung sowie der aktuellen Hauptwohnung im Geltungsbereich des BVFG. Nach Abschluss des Feststellungsverfahrens wird ein Bescheid erlassen, der die Anerkennung als Vertriebener, Flüchtling, Übersiedler, Aussiedler oder Spätaussiedler bestätigt oder ablehnt.
Rechtsmittel gegen ablehnende Bescheide
Wird ein Antrag auf Anerkennung als Vertriebener, Flüchtling, Übersiedler, Aussiedler oder Spätaussiedler abgelehnt, kann die betroffene Person Rechtsmittel einlegen. In der Regel ist das Widerspruchsverfahren der erste Schritt. Dabei wird der ablehnende Bescheid von der zuständigen Vertriebenenbehörde nochmals überprüft. Bleibt der Widerspruch erfolglos, kann die betroffene Person Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht erheben.
Um bei der Geltendmachung von Rechten und der Durchführung von Rechtsmitteln erfolgreich zu sein, ist es empfehlenswert, sich rechtlichen Beistand zu sichern.
Aktuelle Gerichtsurteile zum BVFG
Die Anwendung des BVFG und die rechtliche Stellung von Vertriebenen und Flüchtlingen haben in den letzten Jahren zu einer Vielzahl von Urteilen geführt. Einige dieser Urteile sind besonders interessant und können dabei helfen, das BVFG und seine Anwendung im Alltag besser zu verstehen.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30. November 2016 – BVerwG 5 C 10.15:
Die Anerkennung als Vertriebener kann auch dann erfolgen, wenn eine Person ihre deutsche Volkszugehörigkeit erst nach der Vertreibung (zum Beispiel durch Eheschließung) erworben hat.
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 29. August 2016 – 7 K 955/15:
Ein Rückkehrrecht nach Russland für Spätaussiedler, die vor ihrem Aussiedlungsdatum nach § 4 Abs. 3 BVFG ihren ständigen Wohnsitz in der Russischen Föderation aufgegeben haben, steht der Anerkennung als Übersiedler nicht entgegen.
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Dezember 2016 – 18 A 1843/15:
Die Tatsache, dass eine Person aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nach Flucht oder Vertreibung in Polen geblieben ist, steht der Anerkennung als Vertriebener nicht entgegen, wenn die betreffende Person nachweisen kann, dass sie aufgrund ihrer deutschen Volkszugehörigkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt war.
Häufig gestellte Fragen (FAQs)
Im Folgenden beantworten wir einige häufig gestellte Fragen zum BVFG:
Wer zählt als Vertriebener im Sinne des BVFG?
Vertriebene sind deutsche Volkszugehörige, die aufgrund von Vertreibungsmaßnahmen, Flucht oder Vertreibung ihren Wohnsitz vor 1. Januar 1950 in den ehemaligen deutschen Ostgebieten oder in Gebieten außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches hatten und ihre Hauptwohnung im Geltungsbereich des BVFG haben.
Welche Leistungen können Vertriebene und Flüchtlinge erhalten?
Vertriebene und Flüchtlinge haben unter anderem Anspruch auf finanzielle Unterstützung für den Aufbau einer neuen Existenz, Wiedergutmachungs- und Entschädigungsansprüche sowie Sozialleistungen wie Renten, Krankenversicherungen und Arbeitsförderung.
Wer gilt als Spätaussiedler nach dem BVFG?
Spätaussiedler sind Personen, die als deutsche Volkszugehörige nach dem 1. Januar 1950 aus ihren Herkunftsgebieten in die Bundesrepublik Deutschland übersiedelt sind. Als Spätaussiedler gelten auch Ehegatten und Abkömmlinge von Spätaussiedlern.
Kann ein Vertriebener seine Anerkennung verlieren?
Ja, die Anerkennung als Vertriebener kann unter bestimmten Umständen widerrufen oder zurückgenommen werden, zum Beispiel wenn die Anerkennungsvoraussetzungen nachträglich entfallen oder sich als unwahr herausstellen.
Fazit und rechtliche Unterstützung
Das Bundesvertriebenengesetz regelt die rechtliche Stellung von Vertriebenen, Flüchtlingen und Übersiedlern aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Es gewährt den Betroffenen zahlreiche Sonderrechte und Leistungen, um ihnen den Neuanfang in Deutschland zu erleichtern. Um Ihre Rechte im Zusammenhang mit dem BVFG wahrzunehmen und durchzusetzen, ist es entscheidend, dass Sie sich über die gesetzlichen Grundlagen und aktuelle Gerichtsurteile informieren und kompetente rechtliche Beratung in Anspruch nehmen.
Wir begleiten Sie bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche und bieten Ihnen individuelle Lösungen für Ihre rechtlichen Anliegen.
Sollten Sie weitere Fragen zum BVFG haben oder rechtliche Unterstützung benötigen, zögern Sie bitte nicht, uns zu kontaktieren. Wir helfen Ihnen gerne weiter und unterstützen Sie kompetent und erfahren in allen Angelegenheiten rund um das Bundesvertriebenengesetz.
Unsere Rechtsanwälte stehen Ihnen bundesweit und im deutschsprachigen Ausland zur Verfügung.
Arthur Wilms | Rechtsanwalt | Associate
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