Die Einsichtnahme in Krankenunterlagen ist ein wichtiges Element der Patientenrechte, um einen fundierten Überblick über die eigene medizinische Versorgung zu erhalten. Dieser ausführliche Blog-Beitrag beleuchtet die rechtlichen Grundlagen, die Rechte der Patienten und Pflichten der Ärzte bei der Einsichtnahme in Krankenunterlagen. Wir betrachten Beispiele, Gesetze, aktuelle Gerichtsurteile und häufig gestellte Fragen zu diesem Thema. Dabei orientieren wir uns an der Praxis in Deutschland.

Rechtliche Grundlagen der Einsichtnahme

Das Recht auf Einsichtnahme in die eigene Patientenakte ist in verschiedenen Gesetzen geregelt, beispielsweise im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem Sozialgesetzbuch (SGB) und dem Patientenrechtegesetz (PatR). Im Folgenden erhalten Sie einen Überblick über die wesentlichen Regelungen:

§ 630g BGB: Dieser Paragraf verankert das Recht auf Einsichtnahme in die Patientenakte. Patientinnen und Patienten haben das Recht, unaufgefordert und kostenlos Einsicht in ihre vollständige Krankenakte zu nehmen. Sie können auch verlangen, dass ihnen Kopien ausgehändigt werden, wobei die Kosten dafür von den Patientinnen und Patienten selbst getragen werden müssen.

SGB V: Im Sozialgesetzbuch V (§ 301, § 305) sind die Anforderungen an die Dokumentation im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung festgelegt. Krankenunterlagen müssen demnach mindestens zehn Jahre, Röntgenaufnahmen und ähnliche Unterlagen sogar bis zu dreißig Jahre aufbewahrt werden (§ 630f BGB).

§ 13 PatR: Das Patientenrechtegesetz konkretisiert das Einsichtsrecht und stellt klar, dass Patientinnen und Patienten auch dann Einsicht nehmen dürfen, wenn sie sich nicht mehr in der Behandlung der betreffenden Ärztin oder des betreffenden Arztes befinden.

Das Einsichtsrecht ist folglich ein wesentlicher Bestandteil der Patientenrechte und ermöglicht es ihnen, einen umfassenden Eindruck von ihrer eigenen medizinischen Versorgung zu erhalten.

Patientenrechte und -pflichten bei der Einsichtnahme

Bei der Einsichtnahme in Krankenunterlagen hat der Patient oder die Patientin bestimmte Rechte, die schützen und ermöglichen, dass sie sich umfassend über ihren Gesundheitszustand und die medizinischen Maßnahmen informieren können. Gleichzeitig gibt es auch Pflichten, die er oder sie wahrnehmen muss. Im Folgenden ein Überblick über die wichtigsten Rechte und Pflichten:

Rechte der Patienten und Patientinnen

  • Unbeschränktes Einsichtsrecht: Gemäß § 630g BGB haben Patientinnen und Patienten das Recht, jederzeit und unbeschränkt Einsicht in ihre vollständige Patientenakte zu nehmen. Sie können auch verlangen, dass ihnen Kopien der Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, wobei sie die Kosten dafür selbst tragen müssen.
  • Keine Begründung erforderlich: Patientinnen und Patienten müssen bei der Ausübung ihres Einsichtsrechts keine Gründe für ihren Wunsch angeben.
  • Recht auf Vertretung: Sollte der Patient oder die Patientin nicht selbst in der Lage sein, Einsicht in die Krankenunterlagen zu nehmen, hat er oder sie das Recht, eine Vertretung, beispielsweise einen Rechtsanwalt oder eine Vertrauensperson, damit zu beauftragen.

Pflichten der Patienten und Patientinnen

  • Persönliche Anwesenheit: Einsichtnahme in Krankenunterlagen wird in der Regel persönlich vor Ort in der Praxis oder im Krankenhaus gewährt. Es obliegt den Patientinnen und Patienten, einen Einsichtstermin zu vereinbaren und persönlich vorstellig zu werden.
  • Tragen der Kopierkosten: Werden auf Wunsch des Patienten oder der Patientin Kopien von Krankenunterlagen erstellt, müssen die Kosten dafür von ihnen selbst getragen werden.
  • Ausübung des Einsichtsrechts in angemessener Weise: Patientinnen und Patienten sind verpflichtet, ihr Einsichtsrecht in einer angemessenen Weise auszuüben. Das beinhaltet den respektvollen Umgang mit den Ärztinnen und Ärzten sowie den Mitarbeitern der Praxis oder des Krankenhauses.

Pflichten der Ärzte und Ärztinnen bei der Einsichtnahme

Nicht nur die Patienten und Patientinnen, sondern auch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte haben bestimmte Pflichten bei der Einsichtnahme in Krankenunterlagen. Diese umfassen vor allem die Informationspflicht und die Bereitstellung der Unterlagen:

Informationspflicht: Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, Patientinnen und Patienten auf das Recht der Einsichtnahme hinzuweisen.

Unterlagen bereitstellen: Sie müssen die vollständigen Patientenunterlagen für die Einsichtnahme bereitstellen und für die Sicherheit der Unterlagen sorgen.

Informationen verständlich erklären: Ärztinnen und Ärzte sind dazu verpflichtet, medizinische Informationen aus der Krankenakte – im Rahmen einer verständlichen Patientenkommunikation – zu erläutern, sodass sich die Patienten bzw. Patientinnen über ihren Gesundheitszustand angemessen informieren können.

Beratung bei Unklarheiten: Bei Unklarheiten oder Fragen zu den Krankenunterlagen haben Ärztinnen und Ärzte eine Beratungspflicht gegenüber den Patientinnen und Patienten.

Zeitnahe Einsicht gewähren: Die Einsichtnahme in die Patientenakte sollte zeitnah ermöglicht werden, um gegebenenfalls schnell auf bestimmte medizinische Informationen reagieren zu können.

Gerichtsurteile zur Einsichtnahme in Krankenunterlagen

Der Anspruch auf Einsichtnahme in die eigene Patientenakte ist in der Rechtsprechung anerkannt und es gibt einige interessante Gerichtsurteile, die das Einsichtsrecht und die damit verbundenen Rechte und Pflichten von Patienten, Ärzten und Krankenhäusern verdeutlichen. Hier stellen wir Ihnen zwei wichtige Urteile vor:

Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.09.2014 – VI ZR 329/13

In diesem Fall behandelte ein Kardiologe einen Patienten nach einer Bypass-Operation. Der Patient verstarb später. Die Witwe beantragte die Herausgabe aller Unterlagen, die während der Behandlung erstellt wurden. Der Kardiologe verweigerte dies jedoch, da er der Meinung war, dass er als ärztlicher Berater für den Hausarzt des Verstorbenen tätig war und deshalb nicht verpflichtet sei, die Unterlagen herauszugeben.

Der Bundesgerichtshof entschied jedoch, dass das Einsichtsrecht in die Patientenakte auch den Angehörigen zusteht, sofern der Patient zu Lebzeiten eingewilligt hatte oder ein berechtigtes Interesse vorliegt (z. B. bei Geltendmachung von Schadenersatz- oder Schmerzensgeldansprüchen).

Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Urteil vom 16.06.2015 – 26 U 174/14

Im Fall vor dem OLG Hamm ging es um eine Patientin, die sich wegen einer Fußverletzung in Behandlung befand. Die Patientin verlangte Einsicht in ihre Patientenakte und gab an, dass sie diese ohne Anwesenheit des behandelnden Arztes einsehen wollte. Der Arzt widersprach dem und bestand darauf, bei der Einsichtnahme anwesend zu sein.

Das Oberlandesgericht Hamm entschied, dass Patientinnen und Patienten grundsätzlich das Recht haben, ihre Patientenakten ohne Anwesenheit des behandelnden Arztes einzusehen. Allerdings sind Einschränkungen zulässig, wenn dadurch die Patientin bzw. der Patient geschützt wird (z. B. wenn eine unmittelbare Gefahr für ihr bzw. sein Leben besteht).

Diese beiden Urteile zeigen, dass das Einsichtsrecht in Krankenunterlagen von den Gerichten in Deutschland umfassend geschützt wird und sowohl Patientinnen und Patienten als auch Ärztinnen und Ärzte bestimmte Rechte und Pflichten haben, wenn es um die Einsichtnahme geht.

Häufig gestellte Fragen zur Einsichtnahme in Krankenunterlagen

Im Folgenden erhalten Sie Antworten auf einige häufig gestellte Fragen zum Thema Einsichtnahme in Krankenunterlagen:

Was umfasst die Patientenakte?

Die Patientenakte umfasst alle schriftlichen oder elektronischen Unterlagen, die im Rahmen einer ärztlichen Behandlung angefertigt wurden und zur Dokumentation der gesamten medizinischen Versorgung relevant sind. Dazu zählen u.a.:

  • Anamnesen
  • Diagnosen
  • Therapiepläne
  • Medikamentenpläne
  • Untersuchungsergebnisse (z.B. Röntgenbilder, Laborbefunde)
  • Arztbriefe
  • Operationsberichte
  • Krankenhausentlassungsberichte

Kann ich meine Krankenunterlagen am Telefon oder per E-Mail anfordern?

Grundsätzlich dürfen Sie Ihre Krankenunterlagen auch am Telefon oder per E-Mail anfordern, allerdings sind die behandelnden Ärzte und Krankenhäuser nicht zur Herausgabe auf diesem Weg verpflichtet. In der Regel handhaben die Ärzte bzw. Krankenhäuser die Einsichtnahme so, dass Patientinnen bzw. Patienten vor Ort persönlich Einsicht nehmen können.

Gibt es Fälle, in denen mein Einsichtsrecht verweigert oder eingeschränkt werden kann?

In sehr seltenen Fällen kann das Einsichtsrecht verweigert oder eingeschränkt werden, etwa wenn dadurch eine unmittelbare Gefährdung für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit des Patienten oder einer anderen Person entstehen würde. Außerdem können bestimmte Informationen während laufender Therapien oder Diagnostiken zurückgehalten werden, um den Therapieerfolg nicht zu gefährden.

Darf der Arzt oder das Krankenhaus die Unterlagen vor der Einsichtnahme schwärzen?

Im Regelfall ist das Schwärzen von Informationen in Krankenunterlagen nicht zulässig. Ärzte bzw. Krankenhäuser sind verpflichtet Ihnen vollständige und ungeschwärzte Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Ausnahmen dieser Regel können nur aus wichtigen Gründen gemacht werden, beispielsweise wenn es um den Schutz von Geheimhaltungsinteressen Dritter geht.

Was kann ich tun, wenn mein Einsichtsrecht verweigert oder eingeschränkt wird?

Wenn Ihr Einsichtsrecht verweigert oder eingeschränkt wird, können Sie zunächst das Gespräch mit der Ärztin oder dem Arzt suchen und auf Ihr gesetzlich verankertes Recht hinweisen. Sollte dies nicht zu einer Klärung führen, können Sie rechtlichen Beistand in Anspruch nehmen und gegebenenfalls gerichtliche Schritte einleiten.

Welche Fristen sind bei der Aufbewahrung von Krankenunterlagen zu beachten?

nach § 630f BGB müssen Ärzte und Krankenhäuser die Krankenunterlagen für mindestens zehn Jahre aufbewahren. Röntgenaufnahmen und ähnliche Unterlagen müssen sogar bis zu dreißig Jahre aufbewahrt werden.

Fazit: Wissen Sie Bescheid über Ihre Rechte und Pflichten

Die Einsichtnahme in Krankenunterlagen ist ein wichtiges Element der Patientenrechte. In Deutschland ist dieses Recht umfassend gesetzlich geregelt. Patientinnen und Patienten haben das Recht auf uneingeschränkte Einsichtnahme in ihre vollständige Patientenakte.

Dabei müssen sie keine Gründe für ihren Wunsch angeben und können auch eine Vertretung beauftragen, wenn sie selbst nicht in der Lage sind, Einsicht zu nehmen. Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, die Patientenakten ungeschwärzt und vollständig für die Einsichtnahme bereitzustellen und bei Bedarf die darin enthaltenen medizinischen Informationen zu erläutern.

Die Rechtsprechung bestätigt und konkretisiert das Einsichtsrecht und beantwortet zahlreiche praxisrelevante Fragen dazu. Falls Sie Schwierigkeiten bei der Einsichtnahme haben, suchen Sie das Gespräch mit den behandelnden Ärzten bzw. dem Krankenhaus oder ziehen Sie professionellen rechtlichen Beistand heran.

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