Die Entlastung von Geschäftsführern ist ein wichtiges und oftmals missverstandenes Thema im deutschen Gesellschaftsrecht. Als erfahrene Kanzlei werden wir Sie in diesem Blog-Beitrag durch die rechtlichen Grundlagen führen, die Vor- und Nachteile der Entlastung erläutern, aktuelle Gerichtsurteile analysieren und die häufigsten Fragen rund um das Thema beantworten. Damit sollen Sie die nötige Sicherheit erhalten, um fundierte Entscheidungen im Zusammenhang mit der Entlastung von Geschäftsführern treffen zu können.
Rechtliche Grundlagen der Entlastung
Die Entlastung von Geschäftsführern ist in Deutschland gesetzlich verankert. Im Folgenden sind die wichtigsten rechtlichen Grundlagen dargestellt:
- Die Entlastung ist in § 46 Nr. 8 GmbH-Gesetz (GmbHG) und § 120 Abs. 1 Aktiengesetz (AktG) geregelt und betrifft die Geschäftsführung sowohl von GmbHs als auch von Aktiengesellschaften (AG).
- Die Entlastung ist ein Beschluss der Gesellschafterversammlung bzw. der Hauptversammlung, der mit einfacher Mehrheit gefasst werden kann.
- Die Entlastung bezieht sich auf die Tätigkeit des Geschäftsführers für ein bestimmtes Geschäftsjahr und hat die Wirkung, dass die Gesellschafter bzw. Aktionäre dem Geschäftsführer für seine Tätigkeit in diesem Zeitraum das Vertrauen aussprechen.
- Die Entlastung entbindet den Geschäftsführer jedoch nicht von seiner Haftung für Pflichtverletzungen. Sie kann aber den Ablauf von Verjährungsfristen für Schadensersatzansprüche hemmen.
Vorteile der Entlastung für Geschäftsführer und Gesellschaft
Die Entlastung von Geschäftsführern bietet sowohl für die Geschäftsführer selbst als auch für die Gesellschaft eine Reihe von Vorteilen. Hier sind die wichtigsten:
Vertrauensbeweis: Die Entlastung ist ein Ausdruck des Vertrauens der Gesellschafter bzw. Aktionäre in die Geschäftsführung. Dies kann sich positiv auf das Arbeitsklima und die Zusammenarbeit auswirken.
Rechtssicherheit: Durch die Entlastung erhält der Geschäftsführer Rechtssicherheit hinsichtlich seiner Tätigkeit im betreffenden Geschäftsjahr. Dies kann insbesondere dann von Bedeutung sein, wenn es im Nachhinein zu Unstimmigkeiten oder Streitigkeiten über die Geschäftsführung kommt.
Hemmung der Verjährung: Die Entlastung hemmt den Ablauf von Verjährungsfristen für Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer. Dadurch können mögliche Haftungsansprüche gegen den Geschäftsführer frühzeitig erkannt und geklärt werden.
Signalwirkung: Eine erteilte Entlastung kann als positives Signal für die Außenwirkung der Gesellschaft gewertet werden. Dies kann beispielsweise für potenzielle Investoren oder Geschäftspartner von Bedeutung sein.
Nachteile und Risiken der Entlastung
Trotz der genannten Vorteile kann die Entlastung von Geschäftsführern auch Nachteile und Risiken mit sich bringen. Diese sollten bei der Entscheidung über die Entlastung berücksichtigt werden:
Keine Befreiung von Haftung: Wie bereits erwähnt, entbindet die Entlastung den Geschäftsführer nicht von seiner Haftung für Pflichtverletzungen. Daher besteht weiterhin das Risiko, dass der Geschäftsführer für Schäden, die er der Gesellschaft zugefügt hat, haftbar gemacht werden kann.
Fehlende Kontrolle: Eine erteilte Entlastung kann dazu führen, dass die Gesellschafter bzw. Aktionäre die Geschäftsführung weniger kritisch hinterfragen und somit eine wichtige Kontrollfunktion verlieren.
Falsches Signal: Eine vorschnelle oder ungerechtfertigte Entlastung kann ein falsches Signal an die Öffentlichkeit senden und das Ansehen der Gesellschaft schädigen, wenn später Pflichtverletzungen des Geschäftsführers bekannt werden.
Weitere Punkte zur Entlastung
Aufsichtsratsmitgliedern
Neben der Entlastung von Geschäftsführern spielt auch die Entlastung von Aufsichtsratsmitgliedern eine wichtige Rolle im deutschen Gesellschaftsrecht. Die rechtlichen Grundlagen und Voraussetzungen für die Entlastung von Aufsichtsratsmitgliedern sind ähnlich wie bei Geschäftsführern, jedoch gelten hier spezielle Regelungen gemäß § 120 Abs. 1 AktG für Aktiengesellschaften und § 52 GmbHG für GmbHs. Auch hier sollte bei der Entscheidung über die Entlastung eine sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile sowie der Risiken erfolgen.
Personengesellschaften
Bei Personengesellschaften, wie der Offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder der Kommanditgesellschaft (KG), ist die Entlastung der geschäftsführenden Gesellschafter ebenfalls von Bedeutung. Hier gelten jedoch andere rechtliche Grundlagen und Regelungen als bei Kapitalgesellschaften. Die Entlastung bei Personengesellschaften ist in § 666 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt und betrifft vor allem die Rechenschaftspflicht der geschäftsführenden Gesellschafter gegenüber den anderen Gesellschaftern.
Gemeinnützige Organisationen
Auch bei gemeinnützigen Organisationen, wie Vereinen oder Stiftungen, kann die Entlastung von Vorstandsmitgliedern oder Geschäftsführern eine Rolle spielen. Hier gelten spezielle Regelungen und Voraussetzungen, die sich aus dem Vereinsrecht (§§ 21-79 BGB) oder dem Stiftungsrecht ergeben. Die Entlastung von Vorstandsmitgliedern oder Geschäftsführern bei gemeinnützigen Organisationen sollte ebenfalls sorgfältig geprüft und abgewogen werden, um die Integrität und das Ansehen der Organisation zu wahren.
Internationaler Kontext
Die Entlastung von Geschäftsführern kann auch in internationalen Kontexten von Bedeutung sein, insbesondere bei grenzüberschreitenden Geschäftsaktivitäten oder Tochtergesellschaften im Ausland. Hier können unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen und Anforderungen gelten, die bei der Entscheidung über die Entlastung berücksichtigt werden müssen. In solchen Fällen ist es besonders wichtig, sich von einem erfahrenen Rechtsanwalt mit internationaler Expertise beraten zu lassen.
Präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Haftungsrisiken
Um das Risiko von Haftungsansprüchen gegen Geschäftsführer und die Notwendigkeit einer Entlastung zu minimieren, sollten Unternehmen präventive Maßnahmen ergreifen. Dazu gehören unter anderem eine sorgfältige Auswahl und Überwachung der Geschäftsführung, die Implementierung von Compliance-Management-Systemen, die regelmäßige Schulung von Geschäftsführern und Mitarbeitern im Hinblick auf rechtliche Anforderungen und Pflichten sowie eine transparente und offene Kommunikation zwischen Geschäftsführung, Gesellschaftern bzw. Aktionären und Aufsichtsrat.
Aktuelle Gerichtsurteile zur Entlastung von Geschäftsführern
Im Folgenden sind einige aktuelle Gerichtsurteile aufgeführt, die das Thema Entlastung von Geschäftsführern betreffen und wichtige rechtliche Aspekte beleuchten:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Juli 2018, II ZR 314/16: In diesem Urteil hat der BGH klargestellt, dass die Entlastung eines Geschäftsführers einer GmbH nicht nur eine rechtliche Bewertung der Geschäftsführung im abgelaufenen Geschäftsjahr darstellt, sondern auch eine verbindliche Entscheidung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer trifft. Eine nachträgliche Anfechtung der Entlastung ist möglich, wenn eine fehlerhafte Entlastung aufgrund von neuen Erkenntnissen über das Fehlverhalten des Geschäftsführers festgestellt wird.
Oberlandesgericht Düsseldorf , Urteil vom 14. April 2017, I-6 U 253/14: Das OLG Düsseldorf entschied, dass die Entlastung des Geschäftsführers durch die Gesellschafterversammlung nicht automatisch zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche führt. Eine Hemmung der Verjährung tritt nur ein, wenn die Gesellschafter die Entlastung ausdrücklich von der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen abhängig machen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. Juli 2017, II ZR 319/15: In diesem Urteil hat der BGH entschieden, dass die Entlastung des Geschäftsführers einer GmbH nicht zwangsläufig bedeutet, dass er von seiner Haftung für Pflichtverletzungen befreit ist. Die Entlastung hat lediglich die Wirkung, dass die Gesellschafter dem Geschäftsführer für seine Tätigkeit im betreffenden Geschäftsjahr das Vertrauen aussprechen.
Oberlandesgericht München, Urteil vom 28. März 2019, 23 U 1390/18: Das OLG München hat klargestellt, dass die Entlastung des Geschäftsführers einer GmbH keine Voraussetzung für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen ihn ist. Die Entlastung kann jedoch im Einzelfall Indizien für die Verjährung von Schadensersatzansprüchen liefern.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Entlastung von Geschäftsführern
Im Folgenden finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen rund um das Thema Entlastung von Geschäftsführern:
Muss ein Geschäftsführer entlastet werden?
Die Entlastung eines Geschäftsführers ist keine gesetzliche Pflicht, sondern eine freiwillige Entscheidung der Gesellschafter bzw. Aktionäre. Sie kann jedoch in der Satzung der Gesellschaft vorgesehen sein oder im Rahmen von Geschäftsführerverträgen vereinbart werden.
Wann sollte die Entlastung erfolgen?
Die Entlastung sollte grundsätzlich nach Abschluss des Geschäftsjahres und Vorlage des Jahresabschlusses bzw. des Lageberichts erfolgen. In der Praxis erfolgt die Entlastung in der Regel im Rahmen der ordentlichen Gesellschafterversammlung bzw. Hauptversammlung.
Kann die Entlastung verweigert werden?
Die Gesellschafter bzw. Aktionäre können die Entlastung verweigern, wenn sie Zweifel an der ordnungsgemäßen Geschäftsführung des Geschäftsführers haben oder wenn sie der Meinung sind, dass der Geschäftsführer für Schäden haftbar gemacht werden sollte. Die Verweigerung der Entlastung sollte jedoch gut begründet sein und nicht willkürlich erfolgen.
Kann die Entlastung rückgängig gemacht werden?
Die Entlastung kann unter bestimmten Umständen rückgängig gemacht werden, etwa wenn neue Erkenntnisse über das Fehlverhalten des Geschäftsführers bekannt werden oder wenn die Entlastung aufgrund von falschen Informationen erteilt wurde. Eine Anfechtung der Entlastung ist jedoch nur innerhalb einer bestimmten Frist und unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
Was passiert, wenn die Entlastung verweigert wird?
Die Verweigerung der Entlastung hat keine unmittelbaren rechtlichen Folgen für den Geschäftsführer. Sie kann jedoch als Ausdruck des Misstrauens der Gesellschafter bzw. Aktionäre gewertet werden und dazu führen, dass der Geschäftsführer abberufen oder in Regress genommen wird. Zudem kann die Verweigerung der Entlastung das Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit beeinträchtigen.
Entlastung des Geschäftsführers im Überblick
Die Entlastung von Geschäftsführern ist ein wichtiges und komplexes Thema im deutschen Gesellschaftsrecht. Sie bietet sowohl Vorteile als auch Nachteile und Risiken. Bei der Entscheidung über die Entlastung sollten die Gesellschafter bzw. Aktionäre daher eine sorgfältige Abwägung vornehmen und sich gegebenenfalls rechtlich beraten lassen.
Die rechtlichen Grundlagen und aktuellen Gerichtsurteile, die in diesem Blog-Beitrag dargestellt wurden, bieten eine solide Grundlage für das Verständnis der Entlastung von Geschäftsführern. Bei weiteren Fragen oder im Falle von rechtlichen Auseinandersetzungen ist es jedoch ratsam, einen erfahrenen Rechtsanwalt hinzuzuziehen, der auf das Gesellschaftsrecht spezialisiert ist.
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Arthur Wilms | Rechtsanwalt | Associate
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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter
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