Das Erbrecht ist ein komplexes Rechtsgebiet, das viele verschiedene Aspekte und Fragestellungen umfasst. In diesem Blog-Beitrag beschäftigen wir uns mit den Rechten, Pflichten und Ansprüchen von Enkeln im Erbrecht. Wir beleuchten die gesetzlichen Regelungen, die für Enkel in der Erbfolge relevant sind, und erläutern, wie sie ihren gesetzlichen Erbanspruch geltend machen können. Zudem geben wir einen Überblick über aktuelle Gerichtsurteile, die für Enkel im Erbrecht von Bedeutung sind, und beantworten häufig gestellte Fragen (FAQs) zu diesem Thema. Wir möchten Ihnen damit eine umfassende und fundierte Information zu diesem Bereich des Erbrechts bieten.
Inhaltsverzeichnis
- Erbrechtliche Stellung von Enkeln
- Gesetzliche Erbfolge und Erbanspruch von Enkeln
- Testament und Erbvertrag: Enkel als Erben einsetzen
- Pflichtteil: Mindestanspruch von Enkeln im Erbrecht
- Erbschaftsteuer: Steuerliche Aspekte für Enkel
- Aktuelle Gerichtsurteile zum Erbrecht von Enkeln
- FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Erbrecht von Enkeln
Erbrechtliche Stellung von Enkeln
Die erbrechtliche Stellung von Enkeln wird im deutschen Erbrecht durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) geregelt. Grundsätzlich können Enkel sowohl in der gesetzlichen Erbfolge (§§ 1924 ff. BGB) als auch aufgrund eines Testaments oder Erbvertrags (§§ 1937 ff., 1941 ff. BGB) Erben sein. Dabei können sie entweder als direkte Erben oder als Ersatzerben in Betracht kommen.
Als direkte Erben treten Enkel dann in Erscheinung, wenn sie von ihrem Großelternteil ausdrücklich als Erben eingesetzt werden oder wenn sie im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge als Erben berufen sind. In solchen Fällen erben sie unmittelbar von ihrem verstorbenen Großelternteil.
Als Ersatzerben kommen Enkel dann in Betracht, wenn ihr eigener Elternteil, also der Sohn oder die Tochter des Erblassers, bereits vorverstorben ist oder aus anderen Gründen aus der Erbfolge ausscheidet (z. B. wegen einer Erbausschlagung). In diesem Fall treten die Enkel an die Stelle ihres verstorbenen oder ausgeschlossenen Elternteils und erben an dessen Stelle.
Gesetzliche Erbfolge und Erbanspruch von Enkeln
Die gesetzliche Erbfolge tritt immer dann ein, wenn der Erblasser keine letztwillige Verfügung, also kein Testament oder keinen Erbvertrag, hinterlassen hat oder wenn die letztwillige Verfügung unwirksam ist. Die gesetzliche Erbfolge ist in den §§ 1924 ff. BGB geregelt und sieht eine Unterteilung in drei Ordnungen vor:
- Erbfolge 1. Ordnung: Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel, Urenkel etc.)
- Erbfolge 2. Ordnung: Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (Geschwister, Nichten, Neffen etc.)
- Erbfolge 3. Ordnung: Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (Onkel, Tanten, Cousinen, Cousins etc.)
Enkel gehören zur Erbfolge 1. Ordnung und sind damit in der gesetzlichen Erbfolge privilegiert. Sie erben jedoch nur dann, wenn ihr eigener Elternteil, also der Sohn oder die Tochter des Erblassers, bereits vorverstorben ist oder aus anderen Gründen aus der Erbfolge ausscheidet. In solchen Fällen treten die Enkel an die Stelle ihres ausgeschlossenen oder vorverstorbenen Elternteils (sog. „Erbfolge durch Repräsentation“).
Die Höhe des Erbanspruchs von Enkeln richtet sich nach der gesetzlichen Erbquote, die im BGB geregelt ist. Die Erbquote hängt dabei von der Anzahl der Erben und der jeweiligen Verwandtschaftsbeziehung ab:
- Enkel erben zu gleichen Teilen, wenn sie gemeinsam mit ihren Geschwistern erben (§ 1924 Abs. 3 BGB).
- Enkel erben die Hälfte des Nachlasses, wenn sie gemeinsam mit einem Elternteil erben (§ 1924 Abs. 4 BGB).
- Enkel erben allein, wenn kein näherer Verwandter vorhanden ist (§ 1924 Abs. 6 BGB).
Testament und Erbvertrag: Enkel als Erben einsetzen
Enkel können auch aufgrund einer letztwilligen Verfügung, also eines Testaments oder eines Erbvertrags, Erben sein. In diesen Fällen können sie entweder als direkte Erben oder als Ersatzerben eingesetzt werden. Dabei gelten für die Errichtung eines Testaments oder eines Erbvertrags bestimmte Formvorschriften, die im BGB geregelt sind:
- Testament: handschriftlich und eigenhändig verfasst und unterschrieben (§ 2247 BGB) oder öffentlich beurkundet durch einen Notar (§ 2232 BGB)
- Erbvertrag: schriftlich und notariell beurkundet (§ 1941 BGB)
Bei der Einsetzung von Enkeln als Erben im Testament oder Erbvertrag hat der Erblasser die Möglichkeit, die Erbquote der Enkel individuell zu bestimmen. Er kann ihnen auch bestimmte Vermögensgegenstände oder Vermögensrechte zuwenden (sog. „Vermächtnis“, § 1939 BGB).
Der Erblasser kann die Erbenstellung von Enkeln auch mit bestimmten Auflagen oder Bedingungen verknüpfen (z. B. die Verpflichtung zur Auszahlung von Vermächnisleistungen an andere Personen, § 1940 BGB). Zudem besteht die Möglichkeit, die Erbeinsetzung von Enkeln durch eine sogenannte „Testamentsvollstreckung“ abzusichern (§ 2203 BGB). In diesem Fall wird ein Testamentsvollstrecker eingesetzt, der die letztwilligen Verfügungen des Erblassers im Interesse der Erben durchsetzt und überwacht.
Pflichtteil: Mindestanspruch von Enkeln im Erbrecht
Der Pflichtteil ist ein gesetzlich garantiertes Mindestrecht von bestimmten nahen Verwandten, das auch dann greift, wenn sie durch eine letztwillige Verfügung (Testament oder Erbvertrag) aus der Erbfolge ausgeschlossen wurden. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 BGB) und ist ein reiner Geldanspruch, der sich gegen die Erben richtet (§ 2317 BGB).
Enkel haben grundsätzlich nur dann einen Pflichtteilsanspruch, wenn ihr eigener Elternteil, also der Sohn oder die Tochter des Erblassers, bereits vorverstorben ist oder aus anderen Gründen aus der Erbfolge ausscheidet (§ 2309 BGB). In diesen Fällen treten die Enkel an die Stelle ihres ausgeschlossenen oder vorverstorbenen Elternteils und erhalten den Pflichtteil, der ihrem Elternteil zugestanden hätte.
Der Pflichtteilsanspruch von Enkeln muss innerhalb einer Frist von drei Jahren nach Kenntnis vom Erbfall und der Enterbung geltend gemacht werden (§ 2332 BGB). Andernfalls verjährt der Anspruch. Der Pflichtteil kann durch den Erblasser nur in besonders schwerwiegenden Fällen entzogen oder beschränkt werden (z. B. wegen einer schweren Verfehlung des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erblasser, § 2333 BGB).
Erbschaftsteuer: Steuerliche Aspekte für Enkel
Die Erbschaftsteuer ist eine Steuer, die auf den Erwerb von Vermögen durch Erbschaft oder Schenkung erhoben wird. Sie wird vom Finanzamt auf der Grundlage des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) berechnet und ist von den Erben zu entrichten. Die Höhe der Erbschaftsteuer hängt von der Höhe des erworbenen Vermögens und dem Verwandtschaftsgrad zwischen Erblasser und Erben ab.
Enkel gehören im Erbschaftsteuerrecht zur Steuerklasse II und haben damit einen höheren Steuersatz als Kinder (Steuerklasse I). Die aktuellen (2021) Steuersätze für Enkel in der Steuerklasse II sind wie folgt gestaffelt:
- Erwerb bis 75.000 Euro: 15 %
- Erwerb von 75.001 bis 300.000 Euro: 20 %
- Erwerb von 300.001 bis 600.000 Euro: 30 %
- Erwerb von 600.001 bis 6 Mio. Euro: 30 %
- Erwerb von 6.000.001 bis 13 Mio. Euro: 50 %
- Erwerb über 13 Mio. Euro: 50 %
Enkel haben jedoch auch einen Freibetrag, der bei der Berechnung der Erbschaftsteuer berücksichtigt wird. Der Freibetrag für Enkel beträgt derzeit (Stand 2021) 200.000 Euro (§ 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG). Das bedeutet, dass Enkel bis zu diesem Betrag steuerfrei erben können. Erst darüber hinausgehende Beträge unterliegen der Erbschaftsteuer.
Aktuelle Gerichtsurteile zum Erbrecht von Enkeln
In dieser Rubrik möchten wir Ihnen einige aktuelle Gerichtsurteile vorstellen, die für Enkel im Erbrecht von Bedeutung sind:
Urteil des BGH vom 19.01.2021 (Az. X ZR 7/20): Pflichtteilsberechtigung von Enkeln bei Adoption ihrer Eltern
In diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Enkel ihren Pflichtteilsanspruch nicht verlieren, wenn ihre eigenen Eltern im Erwachsenenalter von einem Stiefelternteil adoptiert werden. Die Adoption führt zwar dazu, dass die erbrechtliche Stellung der adoptierten Person im Verhältnis zu ihren leiblichen Verwandten erlischt. Der BGH hat jedoch klargestellt, dass dies nicht für die Pflichtteilsberechtigung von Enkeln gilt, da diese unabhängig von der erbrechtlichen Stellung ihrer Eltern besteht.
Urteil des OLG Frankfurt vom 05.11.2020 (Az. 10 U 8/20): Ausgleichsanspruch von Enkeln bei Schenkungen des Erblassers an ihre Eltern
Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat in diesem Urteil entschieden, dass Enkel unter Umständen einen Ausgleichsanspruch gegen ihre Eltern haben können, wenn der Erblasser diesen während seines Lebens erhebliche Schenkungen gemacht hat. Der Ausgleichsanspruch besteht jedoch nur dann, wenn die Schenkungen innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgt sind und die Enkel im Rahmen der Erbfolge benachteiligt wurden.
Urteil des OLG Hamm vom 22.02.2018 (Az. 10 U 64/16): Auslegung einer Erbeinsetzung von Enkeln im Testament
Das OLG Hamm hatte in diesem Fall zu entscheiden, ob eine Erbeinsetzung von Enkeln im Testament des Erblassers als direkte Erbeinsetzung oder als Ersatzerbeinsetzung zu verstehen ist. Das Gericht hat dabei betont, dass es bei der Auslegung von Testamenten stets auf den konkreten Wortlaut und den mutmaßlichen Willen des Erblassers ankommt. Im konkreten Fall hat das Gericht die Erbeinsetzung der Enkel als direkte Erbeinsetzung interpretiert, da dies dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entsprach.
FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Erbrecht von Enkeln
Haben Enkel immer einen Anspruch auf das Erbe ihrer Großeltern?
Nein, Enkel haben nicht immer einen Anspruch auf das Erbe ihrer Großeltern. Sie erben nur dann, wenn ihr eigener Elternteil (also der Sohn oder die Tochter des Erblassers) bereits vorverstorben ist, aus der Erbfolge ausgeschlossen wurde oder die Erbschaft ausgeschlagen hat. In diesen Fällen treten die Enkel an die Stelle ihres ausgeschlossenen oder vorverstorbenen Elternteils. Zudem können Enkel auch aufgrund einer letztwilligen Verfügung (Testament oder Erbvertrag) Erben sein.
Können Enkel enterbt werden?
Grundsätzlich können Enkel durch eine letztwillige Verfügung (Testament oder Erbvertrag) von der Erbfolge ausgeschlossen werden. Allerdings haben sie in bestimmten Fällen einen Pflichtteilsanspruch, der ihnen einen gesetzlich garantierten Mindestanspruch auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils sichert. Der Pflichtteilsanspruch von Enkeln besteht jedoch nur dann, wenn ihr eigener Elternteil bereits vorverstorben ist oder aus anderen Gründen aus der Erbfolge ausscheidet.
Wie hoch ist der Pflichtteil für Enkel?
Der Pflichtteil für Enkel beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, der ihnen im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge zugestanden hätte (§ 2303 Abs. 1 BGB). Dabei ist zu beachten, dass der Pflichtteil ein reiner Geldanspruch ist, der sich gegen die anderen Erben richtet.
Wie wird die Erbschaftsteuer für Enkel berechnet?
Die Erbschaftsteuer für Enkel wird auf der Grundlage des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) berechnet. Enkel gehören zur Steuerklasse II und haben damit höhere Steuersätze als Kinder (Steuerklasse I). Die Steuersätze für Enkel sind gestaffelt und richten sich nach der Höhe des erworbenen Vermögens. Zudem haben Enkel einen Freibetrag von derzeit (Stand 2021) 200.000 Euro, bis zu dem sie steuerfrei erben können.
Was passiert, wenn Enkel die Erbschaft ausschlagen?
Wenn Enkel die Erbschaft ausschlagen, treten sie aus der Erbfolge aus und haben keinen Anspruch mehr auf das Erbe. Die Erbschaft fällt dann an die anderen Erben oder, wenn keine weiteren Erben vorhanden sind, an den Staat. Die Ausschlagung der Erbschaft muss innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Kenntnis vom Erbfall und der Erbenstellung gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht erklärt werden (§ 1944 BGB). Eine Ausschlagung kann nicht rückgängig gemacht werden.
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