In diesem Blog-Beitrag beschäftigen wir uns ausführlich mit dem Erkenntnisverfahren im deutschen Zivilrecht und beleuchten alle damit in Zusammenhang stehenden Aspekte. Das Erkenntnisverfahren ist ein zentraler Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens und wird für viele Menschen sowohl beruflich als auch privat äußerst relevant. Wir werden daher in die Materie eintauchen und Ihnen eine fundierte, praxisnahe Einführung in die juristische Welt dieses Prozesses geben. Dabei werden wir besonderen Wert auf zivilrechtliche Regelungen und ihre praktische Anwendung legen und auf wichtige Gesetzesgrundlagen, aktuelle Gerichtsurteile und häufig gestellte Fragen (FAQs) eingehen.
Inhaltsverzeichnis
- Definition und Zweck des Erkenntnisverfahrens
- Aufbau und Struktur des Erkenntnisverfahrens
- Aktuelle gesetzliche Grundlagen des Erkenntnisverfahrens
- Praktische Anwendung: Beispiele, Gerichtsurteile und aktuelle Rechtsprechung
- FAQs
Definition und Zweck des Erkenntnisverfahrens
Das Erkenntnisverfahren ist Teil des gerichtlichen Verfahrens im deutschen Zivilprozess. Es dient der gerichtlichen Klärung von Rechtsverhältnissen zwischen (natürlichen und juristischen) Personen auf Basis eines zivilrechtlichen Anspruchs. Die Parteien tragen dabei ihren Sach- und Rechtsvortrag vor und versuchen, ihre jeweilige Position durchzusetzen. Das Ziel des Erkenntnisverfahrens ist die Durchsetzung bzw. Abwehr von Ansprüchen und Unteransprüchen und die Klärung rechtlicher Beziehungen zwischen den Parteien, indem das Gericht den Parteien eine verbindliche Entscheidung (Urteil) verkündet oder einen Vergleich schließt.
Aufbau und Struktur des Erkenntnisverfahrens
Das Erkenntnisverfahren verläuft in mehreren Phasen, die sich wie folgt gliedern lassen:
Erste Phase: Durchführung des Mahnverfahrens (kalte und warme Phase)
In der Regel geht dem eigentlichen Erkenntnisverfahren ein Mahnverfahren voraus, das der Beitreibung von Geldforderungen dient. Dieses wird in der „kalten“ Phase durch ein vollautomatisiertes, gerichtliches Mahnverfahren ohne mündliche Verhandlung abgewickelt. Wird der Antragsgegner in diesem Stadium bereits zur Zahlung veranlasst, bleibt es beim Mahnverfahren und das Erkenntnisverfahren wird nicht eröffnet. Wenn der Antragsgegner keinen Widerspruch erhebt, werden in der „warmen“ Phase weitere Schritte eingeleitet, die zur Durchführung des eigentlichen Erkenntnisverfahrens führen können.
Zweite Phase: Klage und Klageerwiderung
Erhebt der Anspruchssteller eine Klage, wird das Erkenntnisverfahren – nunmehr in der Klagephase – in Gang gesetzt. Die Parteien tragen hierbei ihren Sachvortrag und Rechtsverständnis vor und tauschen Schriftsätze aus, um ihre Positionen klarzustellen und zu untermauern. Diese Phase soll dem Gericht ein klareres Bild der strittigen Fragestellungen vermitteln und gut gerüstet in die Phase der Beweisaufnahme eintreten lassen.
Dritte Phase: Beweisaufnahme
In der dritten Phase, der Beweisaufnahme, werden die behaupteten Tatsachen durch Beweismittel, wie Zeugen, Sachverständige oder Urkunden, prüfend untersucht. Dies geschieht in der Regel im Rahmen einer mündlichen Verhandlung. Die Beweislast liegt hierbei grundsätzlich bei der Partei, die eine bestimmte Tatsache behauptet.
Vierte Phase: Urteil oder Vergleich
Am Ende des Erkenntnisverfahrens steht entweder ein im Namen des Volkes verkündetes Urteil oder ein zwischen den Parteien geschlossener gerichtlicher Vergleich. Das Gericht entscheidet dabei nach sachlicher Prüfung und auf Basis des geltenden Rechts über die geltend gemachten Ansprüche. Die Entscheidung ist (grundsätzlich) rechtskräftig und vollstreckbar, allerdings können Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt werden. Alternativ kann das Gericht die Parteien auch auf einen außergerichtlichen Vergleich hinweisen, der im Falle einer Einigung ebenfalls rechtskräftig und vollstreckbar ist.
Aktuelle gesetzliche Grundlagen des Erkenntnisverfahrens
Das deutsche Zivilprozessrecht ist in der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Im Rahmen des Erkenntnisverfahrens sind vor allem die folgenden Gesetzesgrundlagen von Bedeutung:
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- §§ 1-14 ZPO: Allgemeine Vorschriften und Zuständigkeiten der Gerichte
- §§ 253-261 ZPO: Bestimmungen über die Klageerhebung und die Klageschrift
- §§ 263-297 ZPO: Regelungen zur Klageerwiderung, sachdienlicher Prozessstoff, Beweisaufnahme und mündliche Verhandlung
- §§ 322-330 ZPO: Bestimmungen über das Urteil
- §§ 331-343 ZPO: Rechtsmittel: Berufung, Revision und Rechtsbeschwerde
- §§ 794-795a ZPO: Vollstreckung von Urteilen und Vergleichen
- §§ 696 ff. ZPO: Mahnverfahren
- §§ 919 ff. ZPO: Gerichtlicher Vergleich
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Daneben sind auch zahlreiche spezialgesetzliche Regelungen zu beachten, die das Erkenntnisverfahren in bestimmten Rechtsgebieten ergänzen oder modifizieren, wie z.B. im Arbeitsrecht (Arbeitsgerichtsgesetz, ArbGG), Mietrecht (Mietsachen, §§ 569a ff. ZPO), oder im Familienrecht (FamFG).
Praktische Anwendung: Beispiele, Gerichtsurteile und aktuelle Rechtsprechung
Auf Basis der genannten gesetzlichen Grundlagen hat sich in der Rechtsprechung eine Vielzahl von Entscheidungen ergeben, die das Erkenntnisverfahren prägen. Im Folgenden werden wir einige Beispiele und aktuelle Gerichtsurteile zur Verdeutlichung des Erkenntnisverfahrens anführen:
Beispiel 1: BGH, Urteil vom 10. Mai 2018, Az. III ZR 273/17: Prozessfinanzierung und Anwaltsvergütung
In diesem Fall hatte der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden, ob eine Prozessfinanziererin im Falle eines Vergleichs Anwaltskosten zu tragen hat, die über die gesetzliche Vergütung des Anwalts hinausgehen. Der BGH entschied, dass eine solche Übernahme der Kosten nur dann in Betracht kommt, wenn eine entsprechende Vereinbarung getroffen wurde oder sich dies aus den Umständen des Einzelfalls ergibt. Das Urteil zeigt, dass auch bei modernen Finanzierungsmethoden im Erkenntnisverfahren das Rechtsverhältnis der Verfahrensbeteiligten untereinander relevant sein kann.
Beispiel 2: BGH, Urteil vom 22. November 2011, Az. XI ZR 182/10: Aufklärungspflicht der Banken bei Beratungsfehlern
Der Bundesgerichtshof hat in einer Vielzahl von Entscheidungen die Anforderungen an die Aufklärungspflicht von Banken im Zusammenhang mit Kapitalanlageempfehlungen konkretisiert. In diesem Fall entschied der BGH, dass ein Kreditinstitut, das einem Anleger zum Erwerb einer bestimmten Anlage rät, grundsätzlich auch über den Umstand aufzuklären hat, dass es von dem Anlagevermittler eine – nicht offenbarte – Rückvergütung erhält. Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung des Erkenntnisverfahrens für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen bei fehlerhafter Anlageberatung.
Beispiel 3: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. Oktober 2019, Az. 1 BvR 2222/12: Verbot der Sonntagsarbeit gemäß Arbeitszeitgesetz im Rahmen eines Erkenntnisverfahrens
Durch den Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) klargestellt, dass das auf das Grundgesetz zurückgehende Verbot der Sonntagsarbeit grundsätzlich auch im Erkenntnisverfahren Prüfungsgegenstand sein kann. Eine ausnahmsweise Genehmigung der Sonntagsarbeit durch behördliche Erlaubnis muss sich dabei an den Wertungen des Grundgesetzes orientieren. Somit zeigt dieses Beispiel, dass grundrechtliche Wertungen auch im Rahmen des Erkenntnisverfahrens relevant sein können.
FAQs
Was ist das Erkenntnisverfahren?
Das Erkenntnisverfahren ist Teil des gerichtlichen Verfahrens im deutschen Zivilprozess und dient der gerichtlichen Klärung von zivilrechtlichen Rechtsverhältnissen zwischen Personen.
Welche Phasen umfasst das Erkenntnisverfahren?
Das Erkenntnisverfahren umfasst in der Regel die folgenden Phasen: Durchführung des Mahnverfahrens, Klage und Klageerwiderung, Beweisaufnahme sowie die Verkündung eines Urteils oder den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs.
Welche gesetzlichen Grundlagen sind im Erkenntnisverfahren zu beachten?
Die grundlegenden gesetzlichen Regelungen im Erkenntnisverfahren finden sich in der Zivilprozessordnung (ZPO). Spezialgesetzliche Regelungen sind beispielsweise im Arbeitsrecht (Arbeitsgerichtsgesetz), Mietrecht oder Familienrecht zu finden.
Welche Rolle spielen aktuelle Gerichtsurteile und Rechtsprechung im Erkenntisverfahren?
Aktuelle Gerichtsurteile und die Rechtsprechung prägen das Erkenntnisverfahren durch die Fortentwicklung und Konkretisierung von Rechtsgrundsätzen sowie durch die Auslegung und Anwendung von gesetzlichen Regelungen auf konkrete Fallkonstellationen. Eine Kenntnis der aktuellen Rechtsprechung ist daher für die effektive Teilnahme am Erkenntnisverfahren von großer Bedeutung.
In welchen Fällen kommt ein gerichtlicher Vergleich in Betracht?
Ein gerichtlicher Vergleich kommt in Betracht, wenn beide Parteien bereit sind, ihre Streitigkeit einvernehmlich und auf der Grundlage einer von ihnen gemeinsam erarbeiteten Lösung beizulegen. Der abgeschlossene Vergleich ist dann rechtskräftig und vollstreckbar. Das Gericht kann die Parteien auf die Möglichkeit eines Vergleichs hinweisen, wenn dies nach Abwägung der Interessen beider Seiten sachgerecht erscheint.
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