Nach intensiven Beratungen hat die EU den Listing Act verabschiedet. Ziel ist es, den Kapitalmarkt in Europa attraktiver zu machen. Unternehmen sollen einfacheren Zugang erhalten. Doch welche konkreten Auswirkungen hat dies auf die Marktmissbrauchsverordnung (MAR) und auf die Insiderrecht-Bestimmungen?
Zu den Kernänderungen gehört die Modifikation im Insiderrecht und die Anpassung der Ad-hoc-Publikationspflichten. Insiderhandelsverbote bleiben bestehen. Doch die Offenlegungsvorschriften bei verzögerten Verfahren werden gelockert. Zudem sind spezifische Erleichterungen für KMU-Wachstumsmärkte geplant.
Das Europäische Parlament hat dem Vorschlag am 24. April 2024 zugestimmt. Der Europäische Rat hatte bereits am 14. Februar 2024 sein Einverständnis gegeben. Ein Schlüsselelement der Änderungen ist die Differenzierung zwischen Insiderinformationen, die das Handelsverbot auslösen, und solchen, die eine Ad-hoc-Mitteilung erfordern.
Es stellt sich die Frage, ob diese Anpassungen den europäischen Kapitalmarkt tatsächlich beleben werden. Wie werden Unternehmen die neuen Vorschriften des EU-Listing-Gesetzes umsetzen?
Hintergrund und Einführung zum EU Listing Act
Die Reform des EU-Kapitalmarktrechts durch den EU Listing Act strebte eine signifikante Aufwertung der europäischen Kapitalmärkte an. Gestartet wurde diese Initiative am 7. Dezember 2022 mit der Vorstellung dreier Rechtsakte durch die Europäische Kommission. Ziel war es, insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) den Börsengang zu vereinfachen.
Zielsetzung der Reform
Der EU Listing Act verfolgt das Ziel, die komplexen regulatorischen Hürden für Börsengänge zu minimieren. Dadurch sollen Investmentchancen innerhalb Europas attraktiver gestaltet werden, um die Position im internationalen Wettbewerb zu stärken. Interessierte konnten bis zum 29. März 2023 Feedback zum Entwurf der Europäischen Kommission für eine Reform der europäischen Kapitalmärkte geben.
Historie und Entwicklungsprozess
Ein kritischer Meilenstein wurde im September 2020 erreicht mit der Ausarbeitung des zweiten Aktionsplans für eine EU-Kapitalmarktunion. Das Hauptanliegen war die Schaffung eines funktionierenden Binnenmarktes für Kapital. Die Analyse und Überarbeitung existierender Regularien erfolgten bis zum vierten Quartal 2021. Anschließend wurde der Entwurf des EU Listing Acts am 7. Dezember 2022 von der Europäischen Kommission veröffentlicht. Darauf folgten intensive Gespräche im Rahmen des Trilog-Verfahrens.
Die Dringlichkeit der Reform
Die schnell fortschreitenden Entwicklungen in den Märkten machten eine zügige Reform des EU-Kapitalmarktrechts unabdingbar. Mit dem EU Listing Act soll eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für europäische Kapitalmärkte erreicht und der Finanzsektor Europas gestärkt werden.
Änderungen in der Marktmissbrauchsverordnung (MAR)
Der EU Listing Act führt zu wesentlichen Veränderungen in der Marktmissbrauchsverordnung (MAR). Diese beinhalten spezifisch angepasste Maßnahmen im Bereich Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität. Zudem erleichtern sie den Prozess für Klein- und Mittelständische Unternehmen (KMU).
Angepasste Regelungen im Insiderrecht
Die Überarbeitung des Insiderrechts ist ein Kernpunkt der MAR-Anpassungen. Diese Überarbeitung zielt darauf ab, den Umgang mit Insiderinformationen zu präzisieren. Insbesondere erleichtert sie Emittenten das Management relevanter Daten. Die Einführung eines Mechanismus zur Erstellung einer Insiderinformationsliste und die Festlegung spezifischer Ad-hoc-Veröffentlichungszeiträume sind hierbei entscheidend.
Eine erweiterte Definition der Marktsondierung wird ebenfalls thematisiert. Dies inkludiert Situationen, in denen anstehende Transaktionen noch nicht öffentlich gemacht wurden.
Aufschub der Ad-hoc-Veröffentlichung
Die Änderungen ermöglichen eine flexiblere Handhabung beim Aufschub von Ad-hoc-Veröffentlichungen. Unternehmen sind nun nicht mehr verpflichtet, die Gründe für einen Aufschub unverzüglich den Behörden mitzuteilen. Sie müssen dies nur noch tun, falls eine Anfrage vorliegt. Diese Regelung soll die Effizienz der Ad-hoc-Publizität erhöhen und den administrativen Aufwand für Emittenten senken.
Besonders hervorzuheben ist die Neuerung bei zeitlich umfangreichen Verfahren, wie zum Beispiel bei M&A-Transaktionen. Für diese entfällt nun die Verpflichtung zur sofortigen Veröffentlichung von Zwischenschritten.
Erleichterungen für KMU-Wachstumsmärkte
Die MAR-Anpassungen enthalten spezielle Erleichterungen für KMU auf Wachstumsmärkten. Für diese Unternehmen besteht nun die Möglichkeit, Aufschubgründe für die Ad-hoc-Veröffentlichung nur bei Anfrage offenzulegen. Diese Regeländerung verringert deutlich den administrativen Aufwand. Ziel ist es, KMU den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern und Unsicherheiten in Bezug auf das Insiderrecht zu minimieren.
Einfluss des EU Listing Acts auf das Prospektrecht
Am 1. Februar 2024 stellte die EU einen vorläufigen Entwurf des EU Listing Acts vor. Dieser wurde anschließend am 24. April 2024 durch das EU-Parlament bestätigt. Er beinhaltet bedeutsame Vereinfachungen im Bereich des Prospektrechts. Mit dem geplanten Inkrafttreten Ende 2025 werden die Regeln für Erstemissionen und Kapitalerhöhungen standardisiert.
Die Reform fokussiert sich auf die Ausdehnung der Ausnahmen von der EU-Prospektpflicht. Künftig sind bei Emissionen, die unter 30% der bereits ausgegebenen Wertpapiere liegen, keine Prospekte erforderlich. Diese Regelung wird den bürokratischen Aufwand und die damit verbundenen Kosten signifikant verringern.
Nationale Gesetzgeber erhalten die Freiheit, ab einem Emissionsvolumen von 5 Millionen Euro eine Prospektpflicht zu verhängen. Auch öffentliche Angebote ohne Prospekt sind bis zu einem Wert von 12 Millionen Euro pro Jahr möglich. Dies stellt insbesondere für KMUs eine erhebliche Entlastung dar.
Die Einführung von neuen, standardisierten Prospektformaten, wie dem EU Folgeprospekt und dem EU Wachstumsprospekt, markiert einen weiteren zentralen Punkt der Reform. Diese Änderungen sollen die Kapitalbeschaffung, insbesondere bei Sekundäremissionen und für wachstumsorientierte Unternehmen, erleichtern.
Mit der Standardisierung der Anforderungen könnte die Zahl der börsennotierten Unternehmen steigen. Emissionen bis zu 30% der bereits gelisteten Wertpapiere sind prospektfrei möglich. Zudem werden die formellen Anforderungen durch die Begrenzung der Prospektlänge auf 300 Seiten vereinfacht.
Die Einbeziehung von ESG-Berichten in die Prospekte erhöht die Transparenz. Dies unterstreicht die Bedeutung von Nachhaltigkeitskriterien im heutigen Kapitalmarkt.
Der EU Listing Act zielt darauf ab, die Attraktivität des europäischen Kapitalmarkts zu steigern. Durch Vereinfachungen und Erleichterungen, vor allem für KMUs, verbessert sich der Zugang zu Kapitalmärkten signifikant.
Die neuen Regelungen der Mehrstimmrechte-Richtlinie
Die Mehrstimmrechte-Richtlinie markiert einen signifikanten Wendepunkt. Sie integriert nun auch explizit KMU, die eine Notierung an einem regulierten Markt (MTF) anstreben. Dies eröffnet ihnen verbesserte Chancen, Kapital zu akquirieren und ihren Einfluss zu festigen.
Die Richtlinie zielt primär darauf ab, den Schutz von Minderheitsaktionären zu stärken. Sie verlangt für die Einführung von Mehrstimmrechten eine qualifizierte Mehrheit. Dadurch wird ein gerechteres Abstimmungsverfahren gewährleistet. Mitgliedstaaten können nun auch zusätzliche Schutzbestimmungen erarbeiten, die die Rechte der Minderheitsaktionäre schützen.
Erweiterter Anwendungsbereich
Der Geltungsbereich der Mehrstimmrechte-Richtlinie wurde bedeutend ausgeweitet. Es profitieren nun nicht mehr nur große Unternehmen, sondern auch KMU. Diese Anpassung unterstützt die Wettbewerbsfähigkeit und fördert das ökonomische Prosperieren innerhalb der EU. KMU erhalten leichteren Zugang zu Kapitalmärkten, was ihre Flexibilität und Stabilität steigert.
Schutz von Minderheitsaktionären
Die Bestimmungen zum Schutz von Minderheitsaktionären sind jetzt präziser formuliert. Der Erlass von Mehrstimmrechten erfordert eine Mehrheitsentscheidung. Diese Vorgabe sichert ab, dass essentielle Beschlüsse die breite Zustimmung der Aktionäre erhalten. Mitgliedstaaten werden ermutigt, weitere Vorkehrungen zu treffen. Diese sollen Minderheitsaktionäre unterstützen und ein Gleichgewicht der Stimmrechte fördern.
Zusammengefasst fördert die Mehrstimmrechte-Richtlinie eine stärkere Partizipation und schafft einen zuverlässigen Rahmen für KMU sowie deren Aktionäre. Der Schutz für Minderheitsaktionäre hat durch die erforderliche qualifizierte Mehrheit und nationale Schutzmaßnahmen erheblich an Bedeutung gewonnen.
Erwartete Auswirkungen des EU Listing Acts auf den EU-Kapitalmarkt
Die Implementierung des EU Listing Acts zieht beträchtliche Vorteile für den EU-Kapitalmarkt nach sich. Durch spezifische Reformen sind Effizienzverbesserungen und die Minimierung von Kosten vorgesehen. Die Schätzungen offenbaren, dass durch diese Initiative die Bürokratiekosten um circa 19,25 Millionen Euro fallen könnten. Es wird außerdem eine jährliche finanzielle Entlastung von annähernd 40 Millionen Euro für die Wirtschaft prognostiziert.
Eine Reduktion der jährlichen Compliance-Kosten um ungefähr 1 Million Euro steht ebenfalls in Aussicht. Diese Maßnahmen sollen europäische Unternehmen wettbewerbsfähiger machen und den Kapitalzugang vereinfachen.
Kostensenkung und Effizienzsteigerung
Neuartige Regelsetzungen bewirken spürbare Einsparungen sowie eine Steigerung der Effizienz. Durch erleichterte Bedingungen erreichen Firmen den Kapitalmarkt schneller, kostengünstiger und mit reduziertem bürokratischem Aufwand. Die Implementierung der International Security Identification Number (ISIN) im Rahmen der MiFIR-Transparenzvorschriften, gepaart mit einer vereinfachten Umsetzung des European Single Access Point (ESAP) für obligatorische Unternehmensinformationen, garantiert, dass Transparenz und Effizienz im Mittelpunkt der Reformen stehen.
Aussichten für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)
Insbesondere KMU stehen vor großen Chancen durch den EU Listing Act. Erleichterungen bei der Kapitalbeschaffung und geringere regulatorische Hindernisse ermöglichen KMUs einen einfacheren und effizienteren Kapitalmarktzugang. Diese Reformen, gemeinsam mit der Neuregelung, Aktien zu einem Nennwert unter einem Euro zu emittieren, zielen darauf ab, die Aktienkultur zu fördern und die Position von KMU nachhaltig zu stärken. Durch die angepassten, weniger umfangreichen Regulierungsanforderungen, die speziell auf KMU zugeschnitten sind, entstehen weitere positive Impulse.
Zusammenfassend ist zu betonen, dass der EU Listing Act einen entscheidenden Beitrag zur Belebung und Inklusion des EU-Kapitalmarkts leisten wird. Durch Effizienzsteigerung und Kostensenkung sowie verbesserte Möglichkeiten für KMU deutet vieles auf eine positive Evolution des europäischen Kapitalmarktes hin.
FAQ
Was ist das EU-Listing-Gesetz?
Welche Änderungen bringt das EU-Listing-Gesetz im Bereich der Marktmissbrauchsverordnung (MAR)?
Was sind die Hauptziele der Reform des EU-Kapitalmarktrechts?
Wie sind die neuen Regeln zur Ad-hoc-Veröffentlichung im Insiderrecht?
Welche Erleichterungen gibt es für KMU-Wachstumsmärkte im EU Listing Act?
Wie wirkt sich der EU Listing Act auf das Prospektrecht aus?
Was beinhaltet die neue Mehrstimmrechte-Richtlinie?
Welche Auswirkungen hat der EU Listing Act auf die Effizienz und Kosten im Kapitalmarkt?
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