Als Gläubiger kann es manchmal schwierig sein, offene Forderungen einzutreiben. Eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen und gleichzeitig Liquidität zu schaffen, ist der Forderungsverkauf. Im Folgenden wird der rechtliche Rahmen für den Forderungsverkauf in Deutschland detailliert erläutert, einschließlich der Vorteile und Risiken für Gläubiger. Außerdem werden aktuelle Gerichtsurteile und häufig gestellte Fragen zu diesem Thema behandelt.
Was ist ein Forderungsverkauf?
Ein Forderungsverkauf (auch Factoring oder Abtretung genannt) ist eine Methode, bei der ein Gläubiger seine offenen Forderungen an einen Dritten (den Factor oder Aufkäufer) verkauft. Der Gläubiger erhält im Gegenzug sofort einen Teil der Forderungssumme, während der Aufkäufer das Risiko und die Verantwortung für die Eintreibung der Forderungen übernimmt.
Es gibt verschiedene Arten von Forderungsverkäufen, die sich je nach Art der Forderungen, den beteiligten Parteien und den vertraglichen Vereinbarungen unterscheiden.
- Echte Forderungsverkäufe: Hierbei wird die Forderung in vollem Umfang an den Aufkäufer übertragen, der alle Rechte und Pflichten des ursprünglichen Gläubigers übernimmt.
- Unechte Forderungsverkäufe: Bei dieser Variante behält der Gläubiger das Risiko eines Forderungsausfalls und muss dem Aufkäufer gegebenenfalls die Forderungssumme zurückzahlen, falls die Forderung nicht realisiert werden kann.
- Stilles Factoring: In diesem Fall wird der Schuldner nicht über den Forderungsverkauf informiert, und der Gläubiger bleibt für die Eintreibung der Forderungen zuständig.
Rechtliche Grundlagen des Forderungsverkaufs
Der Forderungsverkauf ist in Deutschland im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Die maßgeblichen Vorschriften sind:
- § 398 BGB: Abtretung (auch Zession genannt) als rechtlicher Akt, durch den die Forderung übertragen wird.
- § 433 BGB: Kaufvertrag als Grundlage für den Forderungsverkauf.
- § 404 BGB: Informationspflichten des Gläubigers gegenüber dem Aufkäufer.
- § 406 BGB: Einschränkungen für den Forderungsverkauf, insbesondere bei höchstpersönlichen Forderungen oder gesetzlichen Abtretungsverboten.
Die genannten Vorschriften bilden den allgemeinen rechtlichen Rahmen für den Forderungsverkauf. Darüber hinaus können die Parteien vertragliche Vereinbarungen treffen, die den Ablauf und die Konditionen des Forderungsverkaufs näher regeln.
Vorteile des Forderungsverkaufs für Gläubiger
Der Forderungsverkauf bietet für Gläubiger verschiedene Vorteile:
- Liquidität: Durch den Forderungsverkauf erhalten Gläubiger sofort einen Teil der Forderungssumme und verbessern damit ihre Liquidität.
- Risikominimierung: Insbesondere beim echten Forderungsverkauf überträgt der Gläubiger das Risiko eines Forderungsausfalls an den Aufkäufer.
- Zeitersparnis: Gläubiger können sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und müssen nicht selbst Zeit und Ressourcen für die Eintreibung offener Forderungen aufwenden.
- Professionelles Forderungsmanagement: Aufkäufer verfügen in der Regel über Erfahrung und Expertise im Forderungsmanagement, sodass die Erfolgsaussichten für die Eintreibung der Forderungen oft höher sind.
Risiken und Nachteile des Forderungsverkaufs für Gläubiger
Trotz der Vorteile gibt es auch Risiken und Nachteile, die Gläubiger beim Forderungsverkauf beachten sollten:
- Kosten: Für den Forderungsverkauf fallen in der Regel Gebühren und Zinsen an, die den Erlös aus dem Verkauf schmälern.
- Reputation: Ein Forderungsverkauf kann sich negativ auf das Image des Gläubigers auswirken, insbesondere wenn der Schuldner nicht über den Verkauf informiert wird (stilles Factoring) und sich dadurch überrascht oder übergangen fühlt.
- Vertragsbindung: Vertragliche Vereinbarungen mit dem Aufkäufer können den Gläubiger in bestimmten Fällen in seiner unternehmerischen Freiheit einschränken, beispielsweise durch Mindestumsatzvorgaben oder Laufzeitvereinbarungen.
- Rückforderungsrisiko: Beim unechten Forderungsverkauf behält der Gläubiger das Risiko eines Forderungsausfalls und kann gegebenenfalls zur Rückzahlung der Forderungssumme an den Aufkäufer verpflichtet sein.
Aktuelle Rechtsprechung zum Forderungsverkauf
Im Folgenden werden einige aktuelle Gerichtsurteile zum Thema Forderungsverkauf vorgestellt:
BGH, Urteil vom 12.07.2018 – IX ZR 162/17
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in diesem Urteil entschieden, dass ein Forderungsverkauf auch dann wirksam ist, wenn der Aufkäufer die Forderung vor dem Verkauf bereits an einen weiteren Dritten abgetreten hat. Die Parteien können also Forderungen mehrfach verkaufen, solange sie dies vertraglich vereinbaren.
BGH, Urteil vom 19.01.2017 – IX ZR 151/16
In diesem Fall hat der BGH entschieden, dass ein Aufkäufer bei einem unechten Forderungsverkauf keine über seine vertraglichen Pflichten hinausgehenden Informationspflichten gegenüber dem Gläubiger hat. Der Gläubiger trägt also das Risiko, dass der Aufkäufer die Forderungen nicht erfolgreich eintreiben kann.
OLG Frankfurt, Urteil vom 25.04.2019 – 16 U 253/18
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat in diesem Urteil klargestellt, dass ein Forderungsverkauf auch bei Insolvenz des Schuldners zulässig ist, solange keine gesetzlichen Abtretungsverbote (zum Beispiel § 91 InsO) entgegenstehen. Der Gläubiger kann also auch in diesem Fall seine Forderungen verkaufen, um mögliche Verluste zu minimieren.
Ablauf eines Forderungsverkaufs
Der Ablauf eines Forderungsverkaufs kann je nach Art der Forderungen und den beteiligten Parteien variieren. Im Allgemeinen umfasst der Prozess jedoch die folgenden Schritte:
- Angebot und Verhandlung: Der Gläubiger stellt dem Aufkäufer Informationen über die offenen Forderungen zur Verfügung, woraufhin der Aufkäufer ein Angebot abgibt. Die Parteien verhandeln anschließend über den Kaufpreis und die Rahmenbedingungen des Forderungsverkaufs.
- Vertragsabschluss: Nach erfolgreichen Verhandlungen schließen der Gläubiger und der Aufkäufer einen Kaufvertrag ab, der alle relevanten Details zum Forderungsverkauf regelt.
- Abtretung der Forderungen: Der Gläubiger tritt die Forderungen an den Aufkäufer ab. Dabei ist es wichtig, die Abtretungserklärung klar und eindeutig zu formulieren, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
- Informationspflichten: Der Gläubiger hat gegenüber dem Aufkäufer Informationspflichten, insbesondere über sämtliche Umstände, die für die Realisierung der Forderungen relevant sind. Dazu zählen beispielsweise bereits erfolgte Mahnungen, Ratenzahlungsvereinbarungen oder Rechtsstreitigkeiten.
- Auszahlung des Kaufpreises: Der Aufkäufer zahlt den vereinbarten Kaufpreis an den Gläubiger, der damit sofort Liquidität erhält.
- Forderungseinzug: Der Aufkäufer übernimmt die Verantwortung für den Forderungseinzug und entscheidet über die weiteren Schritte, wie zum Beispiel Mahnungen, gerichtliche Verfahren oder die Beauftragung eines Inkassounternehmens.
- Abschluss und Ausgleich: Nach erfolgreicher Eintreibung der Forderungen gleichen der Gläubiger und der Aufkäufer ihre Verbindlichkeiten aus, insbesondere bei unechtem Forderungsverkauf, bei dem der Gläubiger weiterhin das Risiko eines Forderungsausfalls trägt.
Häufig gestellte Fragen zum Forderungsverkauf
Kann jeder Gläubiger seine Forderungen verkaufen?
Grundsätzlich kann jeder Gläubiger seine Forderungen verkaufen, solange er an der Forderung ein rechtliches Interesse hat und keine gesetzlichen Abtretungsverbote entgegenstehen. Allerdings ist der Forderungsverkauf insbesondere für Unternehmen und Selbstständige eine gängige Praxis, um Liquidität zu schaffen und das Forderungsmanagement zu professionalisieren.
Kann auch eine einzelne Forderung verkauft werden?
Ja, es ist möglich, auch nur eine einzelne Forderung zu verkaufen. Allerdings sind Aufkäufer häufig an größeren Forderungspaketen interessiert, um den Aufwand für den Forderungseinzug zu minimieren und die Erfolgsaussichten zu maximieren. Daher kann es unter Umständen schwieriger sein, einen Käufer für eine einzelne Forderung zu finden.
Wie wird der Kaufpreis für die Forderungen ermittelt?
Der Kaufpreis für die Forderungen hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Höhe der Forderungen, der Bonität des Schuldners, der Laufzeit der Forderungen und den Erfolgsaussichten für den Forderungseinzug. In der Regel zahlt der Aufkäufer einen Abschlag auf den nominalen Forderungsbetrag, der als Risikoprämie für den Forderungseinzug dient. Der genaue Kaufpreis wird zwischen dem Gläubiger und dem Aufkäufer individuell verhandelt.
Muss der Schuldner über den Forderungsverkauf informiert werden?
Bei einem offenen Forderungsverkauf muss der Schuldner über die Abtretung der Forderung informiert werden, da er sonst weiterhin an den ursprünglichen Gläubiger zahlen könnte. Bei einem stillen Forderungsverkauf wird der Schuldner hingegen nicht informiert, und der Gläubiger bleibt für die Eintreibung der Forderungen zuständig. Allerdings kann dies zu rechtlichen Unsicherheiten führen, insbesondere wenn der Schuldner die Forderung später anfechtet.
Kann der Forderungsverkauf rückgängig gemacht werden?
Ein wirksam abgeschlossener Forderungsverkauf ist grundsätzlich bindend und kann nicht einseitig rückgängig gemacht werden. Allerdings können die Parteien vertraglich vereinbaren, unter welchen Bedingungen und in welchem Umfang eine Rückabwicklung des Forderungsverkaufs möglich ist, zum Beispiel bei Forderungsausfällen oder Streitigkeiten über die Forderungshöhe.
Fazit
Der Forderungsverkauf ist eine attraktive Möglichkeit für Gläubiger, offene Forderungen zu verwerten und Liquidität zu schaffen. Allerdings sollten Gläubiger die rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere die Regelungen im BGB und aktuelle Rechtsprechung, genau beachten, um Risiken und Nachteile zu minimieren. Eine sorgfältige Auswahl des Aufkäufers und eine individuelle Vertragsgestaltung sind ebenfalls entscheidend für den Erfolg des Forderungsverkaufs.
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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter
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