Das deutsche Rechtssystem regelt eine Vielzahl von finanziellen Freigrenzen, die dazu dienen, die finanzielle Belastung der Bürgerinnen und Bürger in bestimmten Lebensbereichen zu begrenzen. Dazu gehören insbesondere Freigrenzen in den Bereichen Steuern, Sozialversicherungsrecht und Insolvenz. In diesem umfassenden Beitrag führen wir Sie durch alle wichtigen Freigrenzen und erläutern ihre gesetzlichen Grundlagen, aktuelle Gerichtsurteile und die häufigsten Fragen zur Thematik.
Inhaltsverzeichnis
- Einkommensteuer und Freigrenzen
- Sozialversicherungsrechtliche Freigrenzen
- Insolvenzrechtliche Freigrenzen
- Abschließende Gedanken zu Freigrenzen
Einkommensteuer und Freigrenzen
Die Einkommensteuer ist die wichtigste Einnahmequelle des deutschen Staates und wird auf das zu versteuernde Einkommen erhoben. Dabei kommen verschiedene Freigrenzen und Freibeträge zur Anwendung, um bestimmte Einkommensbestandteile von der Besteuerung auszunehmen oder zumindest teilweise zu entlasten.
Grundfreibetrag
Der Grundfreibetrag ist eine zentrale Freigrenze im deutschen Einkommensteuerrecht. Er sichert jedem Steuerpflichtigen einen bestimmten Betrag seines Einkommens, der steuerfrei bleibt und damit das Existenzminimum abdeckt. Die Höhe des Grundfreibetrags wird regelmäßig an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten angepasst:
- Für das Jahr 2021 beträgt der Grundfreibetrag 9.744 Euro für Ledige bzw. 19.488 Euro für Verheiratete.
- Für das Jahr 2022 steigt der Grundfreibetrag auf 9.984 Euro für Ledige bzw. 19.968 Euro für Verheiratete.
Sparer-Pauschbetrag
Der Sparer-Pauschbetrag ermöglicht es Steuerpflichtigen, einen bestimmten Betrag ihrer Kapitalerträge steuerfrei zu stellen. Dabei gilt für das Jahr 2021:
- Ein Sparer-Pauschbetrag von 801 Euro für Ledige bzw. 1.602 Euro für Verheiratete.
- Kapitalerträge über dem Pauschbetrag sind grundsätzlich steuerpflichtig und unterliegen der Abgeltungssteuer von 25 Prozent (zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer).
Werbungskosten-Pauschbetrag
Der Werbungskosten-Pauschbetrag dient dazu, bestimmte Aufwendungen im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit pauschal abzugelten. Dazu gehören zum Beispiel Kosten für Arbeitsmittel, Fortbildungen oder die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Die Höhe des Werbungskosten-Pauschbetrags beträgt:
- 1.000 Euro für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
- 102 Euro für Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Sonderausgaben-Pauschbetrag
Der Sonderausgaben-Pauschbetrag erlaubt es Steuerpflichtigen, bestimmte Kosten, die nicht direkt mit der Erzielung von Einkünften in Zusammenhang stehen, steuermindernd geltend zu machen. Hierzu zählen unter anderem Aufwendungen für die Altersvorsorge, Unterhaltszahlungen an geschiedene oder getrennt lebende Ehegatten und Schuldgeldzahlungen für besondere persönliche Lebenssituationen. Der Sonderausgaben-Pauschbetrag beträgt:
- 36 Euro für Ledige bzw. 72 Euro für Verheiratete.
Aktuelle Urteile und Entwicklungen
In jüngerer Zeit gab es verschiedene Gerichtsentscheidungen und Gesetzesänderungen, die das Thema finanzieller Freigrenzen betreffen. Dazu gehören:
- Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 10.10.2019 – VI R 30/17: Entscheidung zur Abzugsfähigkeit von Kosten für ein Notrufsystem aus gesundheitlichen Gründen als außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG).
- Bundesgesetzblatt (BGBl.) I 2021, 68: Änderungen der Freigrenzen durch das Jahressteuergesetz 2021, Anpassung von Grundfreibetrag, Sparer-Pauschbetrag und Werbungskosten-Pauschbetrag.
FAQs
Wie wirken sich Freigrenzen auf die Steuerlast aus?
Freigrenzen ermöglichen es, dass der entsprechende Teil des Einkommens steuerlich unberücksichtigt bleibt. Das bedeutet, dass dieser Betrag steuerfrei ist und damit die Steuerlast insgesamt reduziert wird.
Was ist der Unterschied zwischen Freigrenzen und Freibeträgen?
Freigrenzen sind absolute Grenzen: Wird die Freigrenze überschritten, ist der gesamte Betrag steuerpflichtig. Bei Freibeträgen hingegen bleibt der Betrag steuerfrei, auch wenn die Freigrenze überschritten wird. Lediglich der übersteigende Teil ist steuerpflichtig.
Sozialversicherungsrechtliche Freigrenzen
Im deutschen Sozialversicherungsrecht gibt es verschiedene Freigrenzen, die dazu dienen, die Arbeitnehmer entweder sozialversicherungsrechtlich ganz oder teilweise zu entlasten.
Geringfügige Beschäftigung (Minijob)
Die geringfügige Beschäftigung stellt eine sozialversicherungsfreie Beschäftigung dar, wenn das Arbeitsentgelt einer Erwerbstätigkeit eine bestimmte Grenze nicht überschreitet. Für die verschiedenen Beschäftigungsarten gelten folgende Freigrenzen:
- Geringfügig entlohnte Beschäftigung: bis zu 450 Euro monatlich.
- Kurzfristige Beschäftigung: für eine maximale Dauer von drei Monaten oder 70 Arbeitstagen im Kalenderjahr.
Minijobs sind grundsätzlich steuer- und sozialversicherungsfrei, solange die entsprechenden Freigrenzen eingehalten werden. Die Arbeitgeberabgaben für Renten- und Krankenversicherung sowie die pauschale Lohnsteuer und der gesetzliche Unfallversicherungsbeitrag werden jedoch weiterhin fällig.
Gleitzone (Midijob)
Die Gleitzone (auch „Übergangsbereich“) im Rahmen eines Midijobs bezieht sich auf eine Beschäftigung, bei der das Arbeitsentgelt zwischen bestimmten Grenzen liegt. In diesem Fall werden reduzierte Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung fällig. Die aktuelle Gleitzonengrenze liegt zwischen 450,01 Euro und 1.300 Euro monatlichem Arbeitsentgelt. Ab 1. Juli 2022 wird die Obergrenze des Übergangsbereichs auf 1.325 Euro angehoben.
Freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung
Für Selbstständige und Freiberufler besteht die Möglichkeit, sich freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung zu versichern, um ihre Rentenansprüche aufzubauen. Dabei können sie zwischen verschiedenen Beitragssätzen wählen und dabei den Mindest- oder Höchstbeitrag zahlen. Ab 2021 liegt der Mindestbeitrag für freiwillige Versicherung bei 84,15 Euro und der Höchstbeitrag bei 1.283,45 Euro monatlich.
Aktuelle Urteile und Entwicklungen
Auch im Bereich der sozialversicherungsrechtlichen Freigrenzen gab es in jüngster Zeit einige wichtige Gerichtsentscheidungen und Gesetzesänderungen:
- Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 11.11.2020 – B 12 R 10/19 R: Entscheidung zur Sozialversicherungspflicht von Honorarärzten in Krankenhäusern.
- Bundesagentur für Arbeit, Weisung vom 02.09.2021: Kurzarbeitergeld und Entgeltbescheinigung – Neuregelungen und Anpassungen im Kontext der Corona-Pandemie.
FAQs
Was passiert, wenn die Freigrenze für einen Minijob überschritten wird?
Wenn die Freigrenze für einen Minijob überschritten wird, muss der gesamte Verdienst in der Regel versteuert und sozialversicherungspflichtig abgerechnet werden. Das bedeutet, dass sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber alle anfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bezahlen müssen.
Bin ich als studentische Aushilfe sozialversicherungspflichtig?
Studentinnen und Studenten, die weniger als 20 Stunden pro Woche arbeiten, bleiben in der Regel versicherungsfrei in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung, sofern sie immatrikuliert und nicht in einer dualen Ausbildung sind. In der Rentenversicherung gibt es eine reduzierte Beitragspflicht für studentische Aushilfen, die sogenannte Gleitzone gilt hier nicht.
Insolvenzrechtliche Freigrenzen
Im Insolvenzrecht spielen finanzielle Freigrenzen in Bezug auf Pfändungsschutz und Vermögensfreigrenzen eine wichtige Rolle. Sie sollen sicherstellen, dass Schuldnerinnen und Schuldner trotz ihrer finanziellen Schwierigkeiten ein gewisses Existenzminimum gewährleistet wird.
Pfändungsfreigrenzen
Pfändungsfreigrenzen schützen das unpfändbare Einkommen von Schuldnerinnen und Schuldnern vor der Pfändung durch Gläubiger. Sie beziehen sich auf das Nettoeinkommen und sind in der Pfändungstabelle festgelegt:
- Für das Jahr 2021 liegt die Pfändungsfreigrenze für einen alleinstehenden Schuldner ohne Unterhaltsverpflichtungen bei 1.180 Euro monatlich.
- Für jeden weiteren Unterhaltsberechtigten steigt die Pfändungsfreigrenze entsprechend der Pfändungstabelle.
Es ist wichtig zu beachten, dass diese Freigrenzen nur für das Arbeitseinkommen gelten und nicht für Kapitaleinkünfte oder sonstige Einkünfte.
Vermögensfreigrenzen in der Privatinsolvenz
In der Privatinsolvenz (Verbraucherinsolvenz) gibt es Vermögensfreigrenzen, die das Schonvermögen der Schuldnerinnen und Schuldner schützen. Dazu gehören:
- Ein angemessenes Kraftfahrzeug zur Aufnahme oder Fortführung einer Erwerbstätigkeit (bis zu einem Wert von ca. 7.500 Euro).
- Angemessene Hausratsgegenstände, einschließlich der Geräte zur Fortführung des Haushalts.
- Ein angemessener Hausrat für die persönliche und familiäre Lebensführung.
- Gegenstände, die zur persönlichen Lebensführung oder zur Fortführung der Erwerbstätigkeit notwendig sind (z. B. Werkzeuge, Büromaterial usw.).
Aktuelle Urteile und Entwicklungen
Einige bedeutsame Gerichtsentscheidungen und Gesetzesänderungen im Bereich der insolvenzrechtlichen Freigrenzen sind:
- Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 18.02.2021 – IX ZR 5/20: Entscheidung zur Vermögensfreiheit eines im Privatinsolvenzverfahren stehenden Schuldners bei der Anrechnung des Jobcenters.
- Bundesgesetzblatt (BGBl.) I 2020, 2477: Änderung der Pfändungsfreigrenzen durch die Sechste Verordnung zur Änderung der Pfändungsfreigrenzenverordnung.
FAQs
Welches Einkommen ist in der Insolvenz pfändbar?
In der Insolvenz gilt grundsätzlich das gesamte Einkommen des Schuldners als pfändbar, soweit es über der Pfändungsfreigrenze liegt. Dazu gehören Einkünfte aus selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit, Unterhaltszahlungen, Renten, Arbeitslosengeld, Krankengeld und andere Sozialleistungen. Kapitaleinkünfte und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung allerdings sind von den Freigrenzen nicht geschützt.
Kann mein Erbe während der Insolvenz gepfändet werden?
Grundsätzlich ist auch ein während der Insolvenz erworbenes Erbe pfändbar, soweit es nicht unter das Schonvermögen fällt. Dies gilt ebenso für Schenkungen oder sonstige Vermögenszuwächse.
Abschließende Gedanken zu Freigrenzen
Finanzielle Freigrenzen in Deutschland sind ein wichtiges Instrument, um die finanzielle Belastung von Arbeitnehmern, Selbstständigen und Schuldnerinnen und Schuldnern in verschiedenen Lebensbereichen zu begrenzen. Sie bieten Schutz und ermöglichen eine gewisse finanzielle Sicherheit.
Es ist von entscheidender Bedeutung, sich über die verschiedenen Freigrenzen und ihre gesetzlichen Grundlagen im Klaren zu sein, nicht zuletzt, um mögliche finanzielle Vorteile voll auszuschöpfen und Nachteile zu vermeiden. Gute Informationen über Gesetze, aktuelle Gerichtsentscheidungen und FAQ sind dabei unerlässlich.
Wir hoffen, dass dieser Beitrag Ihnen dabei hilft, einen umfassenden Überblick über die finanziellen Freigrenzen in Deutschland zu gewinnen und Ihre finanzielle Planung optimal zu gestalten.
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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter
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