Als Rechtsanwalt möchte ich Ihnen in diesem umfangreichen Blogbeitrag einen Einblick in die rechtlichen Aspekte der Führungsaufsicht geben. Die Führungsaufsicht ist eine wichtige und weitreichende Maßnahme des Strafrechts, die darauf abzielt, die Rückfallquote von Straftätern zu reduzieren und zur öffentlichen Sicherheit beizutragen.
In diesem Beitrag erfahren Sie mehr über die gesetzlichen Regelungen der Führungsaufsicht, ihre Voraussetzungen, Weisungen, Auswirkungen auf Straftäter, aktuelle Gerichtsurteile und häufig gestellte Fragen (FAQs).
Inhaltsverzeichnis
- Definition: Was ist Führungsaufsicht?
- Gesetzliche Grundlagen der Führungsaufsicht
- Voraussetzungen für die Anordnung der Führungsaufsicht
- Dauer der Führungsaufsicht und ihre Verlängerung
- Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht
- Rechtsprechung zur Führungsaufsicht
- Folgen bei Verstößen gegen die Führungsaufsicht
- Führungsaufsicht und Aufenthaltsrechtliche Folgen
- Häufig gestellte Fragen (FAQs) zur Führungsaufsicht
- Fazit
Definition: Was ist Führungsaufsicht?
Die Führungsaufsicht stellt eine Maßregel der Besserung und Sicherung gemäß § 68 StGB dar. Sie dient dazu, die Resozialisierung von Straftätern zu fördern und die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen. Die Führungsaufsicht kann sowohl in Verbindung mit einer Freiheitsstrafe als auch mit einer Jugendstrafe angeordnet werden. In ihrer praktischen Umsetzung wird die Führungsaufsicht von professionellen Bewährungshelfern durchgeführt, die den Straftäter bei der Integration in das soziale Umfeld unterstützen und auf die Einhaltung der Weisungen des Gerichts achten.
Gesetzliche Grundlagen der Führungsaufsicht
Die Führungsaufsicht ist im Strafgesetzbuch (StGB) in den §§ 68 bis 68g geregelt. Die wichtigsten Regelungen sind:
- § 68 StGB: Maßregel der Führungsaufsicht
- § 68a StGB: Führungsaufsicht als selbständige Maßregel
- § 68b StGB: Weisungen
- § 68c StGB: Dauer der Führungsaufsicht
- § 68d StGB: Überwachung der Führungsaufsicht
- § 68e StGB: Verletzung der Weisungen; Widerruf der Aussetzung des Strafrestes
- § 68f StGB: Absehen von Maßnahmen (Strafaussetzung oder Führungsaufsicht)
- § 68g StGB: Erfolglose Führungsaufsicht
Die Führungsaufsicht kann in Kombination mit einer zeitigen Freiheitsstrafe, lebenslanger Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe angeordnet werden, wobei die Anordnung von Führungsaufsicht auch durch höchstrichterliche Rechtsprechung anerkannt ist.
Voraussetzungen für die Anordnung der Führungsaufsicht
Die Anordnung von Führungsaufsicht ist an verschiedene Voraussetzungen geknüpft, die sich aus den §§ 56, 67 und 68 StGB ergeben. Grundsätzlich kann Führungsaufsicht angeordnet werden, wenn:
- Eine zeitige Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verhängt wurde und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde.
- Der Täter wegen einer Straftat zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, die Strafvollstreckung aber zur Bewährung ausgesetzt wurde.
- Der Täter eine Jugendstrafe verbüßen muss, die Vollstreckung aber zur Bewährung ausgesetzt wurde.
- Der Täter besonders rückfallgefährdet erscheint.
Dauer der Führungsaufsicht und ihre Verlängerung
Die Dauer der Führungsaufsicht ist in § 68c StGB festgelegt und beträgt grundsätzlich zwei bis fünf Jahre. Die Führungsaufsicht kann allerdings vom Gericht auch auf unbestimmte Zeit angeordnet werden, wenn dies wegen der Schwere der begangenen Straftaten oder der besonderen Rückfallgefahr des Täters erforderlich ist.
Bei besonders schweren Straftaten oder bei Straftätern, welche eine große öffentliche Gefahr darstellen, kann die Dauer der Führungsaufsicht sogar lebenslang angeordnet werden.
Eine Verlängerung der Führungsaufsicht ist grundsätzlich möglich, wenn vor Ablauf der Führungsaufsicht bestimmte Umstände dies erforderlich machen, z. B. wegen wiederholter Verstöße gegen Weisungen oder neuer Straftaten. Die Verlängerung kann jedoch nur in engen Grenzen erfolgen und muss durch das Gericht begründet werden.
Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht
Ein zentrales Instrument der Führungsaufsicht sind die Weisungen, die der Straftäter zu befolgen hat. Gemäß § 68b StGB können diese Weisungen allgemein oder in konkreten Verhaltensanweisungen bestehen und sollen den Straftäter bei der Lebensführung unterstützen und zukünftige Straftaten verhindern. Übliche Weisungen sind zum Beispiel:
- Meldeweisungen, d.h. der Täter muss sich regelmäßig bei der Bewährungshilfe melden;
- Aufenthaltsbeschränkungen oder -gebote, d.h. der Täter darf bestimmte Orte nicht betreten oder muss in einem bestimmten Ort wohnen;
- Kontaktverbote oder -gebote, d.h. der Täter darf keinen Kontakt zu bestimmten Personen haben oder muss den Kontakt zu bestimmten Personen pflegen;
- Arbeits- oder Ausbildungsverpflichtungen;
- Verpflichtung zur Schuldentilgung;
- Verpflichtung zur Therapie oder zur Teilnahme an sozialen Trainingskursen;
- Verbot des Alkohol- oder Drogenkonsums;
- und andere individuell angepasste Weisungen.
Die Weisungen müssen verhältnismäßig sein und dürfen die Grundrechte des Betroffenen nicht unverhältnismäßig einschränken. Eine Missachtung von Weisungen kann Sanktionen nach sich ziehen, die von einer Verwarnung bis zur Widerruf der Bewährung reichen können.
Rechtsprechung zur Führungsaufsicht
Die Anwendung und Ausgestaltung der Führungsaufsicht sind Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Entscheidungen. Im Folgenden werden einige bedeutende Urteile dargestellt, die wesentliche Aspekte der Führungsaufsicht betreffen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 23. Februar 2016, Az. 1 StR 525/15: In diesem Urteil hat der BGH festgehalten, dass die Anordnung von Führungsaufsicht grundsätzlich rechtsstaatlichen Anforderungen genügen muss und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist. Zudem ist eine einheitliche Festsetzung der Führungsaufsichtsdauer für mehrere Delikte zulässig.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13. Februar 2018, Az. 2 StR 378/17: Das Gericht hat in seinem Beschluss klargestellt, dass die Dauer der Führungsaufsicht lebenslang angeordnet werden kann, wenn dies wegen der Schwere der begangenen Straftaten oder der besonderen Rückfallgefährdung erforderlich ist.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 4. Juli 2005, Az. 2 BvR 2169/04: In diesem Beschluss wurde die Unverhältnismäßigkeit eines lebenslangen Kontaktverbots gegenüber der Verfassung festgestellt und die Verhältnismäßigkeit der Weisungen betont.
Folgen bei Verstößen gegen die Führungsaufsicht
Wenn ein Straftäter gegen die Auflagen und Weisungen der Führungsaufsicht verstößt, können gemäß § 68e StGB unterschiedliche Sanktionen verhängt werden:
- Verwarnung durch das Gericht;
- Änderung oder Ergänzung der Weisungen;
- Verhängung einer Geldstrafe bis zu 30 Tagessätzen;
- Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung und damit einhergehend die Vollstreckung des (restlichen) Strafrestes.
Ein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung kommt allerdings nur in Betracht, wenn der Verstoß gegen die Führungsaufsicht erheblich ist und das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Zweck der Führungsaufsicht nicht mehr erreicht werden kann.
Führungsaufsicht und Aufenthaltsrechtliche Folgen
Führungsaufsicht kann auch Auswirkungen auf das Aufenthaltsrecht von straffällig gewordenen Ausländern haben. Die Anordnung von Führungsaufsicht kann im Einzelfall als Indiz für eine erhöhte Rückfallgefahr gewertet werden, welche wiederum aufenthaltsbeendende Maßnahmen wie die Ausweisung oder Abschiebung begründen kann. Die konkreten Folgen sind jedoch stets im Einzelfall zu prüfen und hängen von verschiedenen Faktoren wie etwa der Art der begangenen Straftat, der Dauer des Aufenthalts im Inland und der persönlichen und familiären Bindungen des Ausländers ab.
Häufig gestellte Fragen (FAQs) zur Führungsaufsicht
Im Folgenden beantworten wir einige häufig gestellte Fragen zur Führungsaufsicht:
- Frage: Muss ich als Straftäter mit Führungsaufsicht in jedem Fall mit Weisungen rechnen? Antwort: Ja, die Anordnung von Führungsaufsicht geht grundsätzlich mit Weisungen einher, die dem Täter auferlegt werden. Die konkreten Weisungen können jedoch individuell verschieden sein und richten sich nach den Umständen des Einzelfalls.
- Frage: Kann ich gegen die Anordnung von Führungsaufsicht Rechtsmittel einlegen? Antwort: Ja, die Anordnung von Führungsaufsicht kann mit den üblichen Rechtsmitteln (Berufung, Revision) angefochten werden. Dabei wird das Gericht prüfen, ob die Anordnung der Führungsaufsicht sowie die konkret angeordneten Weisungen rechtmäßig und verhältnismäßig sind.
- Frage: Bin ich während der Führungsaufsicht „vorbestraft“? Antwort: Die Führungsaufsicht als solche stellt keine Vorstrafe im Sinne des Bundeszentralregisters dar. Allerdings wird die zugrundeliegende Straftat, für die Führungsaufsicht angeordnet wurde, als Vorstrafe registriert.
- Frage: Kann die Führungsaufsicht vorzeitig beendet werden? Antwort: Grundsätzlich kann die Führungsaufsicht vorzeitig aufgehoben werden, wenn nach Auffassung des Gerichts die Ziele der Führungsaufsicht erreicht sind und keine weiteren Weisungen mehr erforderlich sind. Eine vorzeitige Beendigung liegt jedoch im Ermessen des Gerichts und wird nur in seltenen Fällen gewährt.
Fazit
Die Führungsaufsicht ist eine wichtige Maßnahme im Strafrecht, die dem Schutz der Allgemeinheit und der Resozialisierung von Straftätern dient. Durch die Anordnung von Führungsaufsicht und die damit verbundenen Weisungen soll verhindert werden, dass der Täter erneut straffällig wird, und gleichzeitig eine Unterstützung für die Wiedereingliederung in das soziale Umfeld geleistet werden.
Die Führungsaufsicht ist jedoch auch ein komplexes und facettenreiches Rechtsgebiet, bei dem viele rechtliche Fragestellungen auftreten können, insbesondere im Zusammenhang mit Weisungen, Sanktionen bei Verstößen, aufenthaltsrechtlichen Folgen oder gerichtlichen Entscheidungen. Daher ist es für Betroffene ratsam, sich in solchen Fällen anwaltliche Expertise einzuholen, um ihre Interessen und Rechte bestmöglich zu wahren.
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Arthur Wilms | Rechtsanwalt | Associate
Philipp Franz | Rechtsanwalt | Associate
Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter
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