Im deutschen Recht gibt es zwei verschiedene Arten von Schuldverhältnissen: die Gattungsschuld und die Stückschuld. In diesem Blog-Beitrag wollen wir uns vor allem auf die rechtlichen Aspekte rund um die Gattungsschuld konzentrieren.

Inhaltsverzeichnis:

  • Einführung in die Gattungsschuld
  • Gesetzliche Grundlagen
  • Beispiele für Gattungsschuldverhältnisse
  • Aktuelle Gerichtsurteile
  • FAQs zur Gattungsschuld
  • Fazit

Einführung in die Gattungsschuld

Damit Sie die Unterschiede zwischen einer Gattungsschuld und einer Stückschuld besser verstehen können, möchten wir zunächst klären, was eine Gattungsschuld ist.

Die Gattungsschuld ist eine Schuld, die eine Verpflichtung zur Leistung einer Sache beinhaltet, deren Gattung bzw. Art bestimmt ist, ohne dass ein konkretes Stück aus dieser Gattung von vornherein vereinbart wird. Im Gegensatz dazu steht die Stückschuld, bei der vom Gläubiger und Schuldner ein ganz bestimmtes Stück eines Gegenstands zur Leistung und zum Erfüllen der Schuld vereinbart wird.

Unter einer Gattung versteht man im juristischen Sinne eine Gruppe von gleichartigen Sachen. Bei einer Gattungsschuld sind also alle gleichartigen Sachen aus einer bestimmten Gruppe ersetzbar und als Erfüllung der Schuld geeignet. Dies bedeutet, dass die individuelle Beschaffenheit der Sache nicht unbedingt wichtig ist, solange sie der vereinbarten Gattung bzw. Art entspricht.

Gesetzliche Grundlagen

Die gesetzlichen Grundlagen finden sich im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Die wichtigsten Paragraphen, die Ihnen helfen, das Konzept der Gattungsschuld zu verstehen, sind die §§ 311a, 243, 434 und 435 BGB:

  • § 311a BGB: Hier wird die Unmöglichkeit der Leistung geregelt. Eine Unmöglichkeit liegt vor, wenn eine Leistung, die der Gattung nach bestimmt ist, von niemandem mehr erbracht werden kann. In diesem Fall endet die Gattungsschuld.
  • § 243 BGB: In diesem Paragraphen geht es um die Bestimmung der Leistung im Falle einer Gattungsschuld. Hier wird festgelegt, dass die Gattung durch die Vereinbarung der Parteien bestimmt wird, und dass die Gattungsmerkmale für eine mögliche Erfüllung der Schuld ausreichend sind.
  • § 434 BGB: In diesem Paragraphen ist die Sachmängelhaftung bei einer Gattungsschuld geregelt. Die besonderen Anforderungen an die Gattungsmerkmale und die Beschaffenheitsanforderungen für die Erfüllung der Schuld werden hier definiert.
  • § 435 BGB: Hier wird die Rechtsmängelhaftung für Gattungsschuldverhältnisse behandelt.

Beispiele für Gattungsschuldverhältnisse

Um das Konzept zu verdeutlichen, möchten wir Ihnen einige Beispiele vorstellen:

  • Kaufen Sie eine Tafel Schokolade in einem Supermarkt, handelt es sich um eine Gattungsschuld – es ist unerheblich, welche Tafel Sie wählen, die Gattung (Schokolade) bleibt gleich.
  • Ein Autohändler verkauft Ihnen ein Auto der Marke und des Modells Ihrer Wahl, ohne dass ein konkretes Fahrzeug im Voraus bestimmt wurde. Es handelt sich um eine Gattungsschuld, da jedes Auto dieser Marke und dieses Modells als Erfüllung der Schuld gilt.
  • Der Erwerb einer Aktie an der Börse stellt ebenfalls eine Gattungsschuld dar, da jede Aktie derselben Gattung (gleiche Gattungsmerkmale, gleiche Firma) als Erfüllung der Schuld dienen kann.

Aktuelle Gerichtsurteile

In diesem Abschnitt möchten wir Ihnen einige aktuelle Gerichtsurteile vorstellen, die das Thema betreffen:

  • Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 22.07.2015 – VIII ZR 14/15

    In diesem Fall drehte sich die Klage um den Kauf eines Autos, bei dem es um die Frage ging, inwiefern die spezifischen Merkmale des Autos den Anforderungen einer Gattungsschuld genügten. Der BGH entschied, dass die Angabe einer Laufleistung von max. 50.000 km ausreichend sei und somit eine konkrete Gattung bestimmt wurde. Daher handelte es sich in diesem Fall um eine Gattungsschuld.

  • OLG Koblenz, Urteil vom 11.02.2015 – 5 U 609/14

    Hier ging es um den Kauf von Videorecordern, bei denen der Verkäufer versprochen hatte, die Geräte mit einem bestimmten DVD-Format auszustatten. Die Geräte wurden jedoch ohne dieses Format geliefert. Das OLG Koblenz entschied in diesem Fall, dass es sich um eine Gattungsschuld handelte und das Versprechen des Verkäufers bezüglich des DVD-Formats als Beschaffenheitsvereinbarung anzusehen sei.

  • OLG Brandenburg, Urteil vom 26.06.2009 – 6 U 56/07

    In diesem Fall drehte sich die Klage um den Kauf eines Grundstücks, bei dem es um die Frage ging, ob es sich um eine Gattungsschuld oder um eine Stückschuld handelte. Das OLG Brandenburg entschied, dass es sich um eine Gattungsschuld handelte, da das Grundstück auch durch ein gleichartiges Grundstück aus derselben Gattung (z.B. gleiche Lage, gleiche Größe) ersetzt werden konnte.

FAQs zur Gattungsschuld

Abschließend möchten wir Ihnen noch einige häufig gestellte Fragen zum Thema beantworten:

Was ist der Unterschied zwischen einer Gattungsschuld und einer Stückschuld?

Die Gattungsschuld bezieht sich auf eine Verpflichtung zur Leistung einer Sache, deren Gattung bzw. Art bestimmt ist, ohne dass ein konkretes Stück aus dieser Gattung von vornherein vereinbart wird. Bei einer Stückschuld hingegen ist von vornherein ein ganz bestimmtes Stück eines Gegenstands zur Erfüllung der Schuld vereinbart.

Was passiert, wenn eine Gattungsschuld nachträglich unmöglich wird?

Wenn sie nachträglich unmöglich wird, weil beispielsweise keine gleichartigen Sachen mehr zur Verfügung stehen, entfällt die Schuld gemäß § 311a BGB.

Sind bei einer Gattungsschuld auch die Gewährleistungsrechte des Käufers gegeben?

Ja, auch bei einer Gattungsschuld gelten die Gewährleistungsrechte des Käufers. Diese sind in den §§ 434 (Sachmängelhaftung) und 435 (Rechtsmängelhaftung) BGB geregelt.

Wann liegt eine Gattungsschuld im Vertragsrecht vor?

Sie liegt vor, wenn die Leistung einer Sache geschuldet ist, deren Gattung oder Art bestimmt ist und die durch gleichartige Sachen ersetzt werden kann, ohne dass ein konkretes Stück aus dieser Gattung von vornherein vereinbart wurde.

Wie werden Gattungsschulden im Insolvenzrecht behandelt?

Im Insolvenzrecht sind Gattungsschulden gemäß § 103 InsO (Insolvenzordnung) zu erfüllen, wenn der Vertrag vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossen wurde und der Gegenstand in der Insolvenzmasse vorhanden ist. Der Insolvenzverwalter kann jedoch vom Vertrag zurücktreten und den Gläubiger auf eine Insolvenzforderung verweisen, wenn die Erfüllung nicht ohne Nachteile für die Masse möglich ist.

Fazit

Die Gattungsschuld ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Schuldrechts und betrifft zahlreiche Verträge und Rechtsverhältnisse. Daher ist es essentiell, die Grundlagen zu verstehen und die Unterschiede zur Stückschuld zu kennen.

In diesem Blog-Beitrag haben wir Ihnen die gesetzlichen Grundlagen, Beispiele und aktuelle Gerichtsurteile rund um die Gattungsschuld nähergebracht. Zudem haben wir häufig gestellte Fragen zu diesem Thema beantwortet. Sollten Sie weiterführende Fragen haben, können Sie sich jederzeit an unsere Anwaltskanzlei wenden. Wir stehen Ihnen gerne mit unserer Expertise zur Verfügung.

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