Im Strafrecht gibt es eine Vielzahl von Delikten, die in verschiedene Kategorien eingeteilt werden können. Eine dieser Kategorien sind die Gefährdungsdelikte. In diesem umfangreichen Blog-Beitrag werden wir uns eingehend mit dem Thema Gefährdungsdelikte beschäftigen. Wir werden die Definition und Folgen dieser Delikte untersuchen sowie relevante Rechtsprechung und praktische Auswirkungen darlegen. Als erfahrener Rechtsanwalt ist es mein Ziel, Ihnen ein umfassendes Verständnis der rechtlichen Zusammenhänge zu vermitteln, indem ich auf Gesetze, aktuelle Gerichtsurteile und FAQs eingehe.
Inhaltsverzeichnis
- Definition von Gefährdungsdelikten
- Arten von Gefährdungsdelikten
- Gesetzliche Grundlagen
- Aktuelle Rechtsprechung
- Folgen von Gefährdungsdelikten
- Praxisbeispiele
- Häufig gestellte Fragen
- Gefährdungsdelikte definieren und Konsequenzen verstehen
Definition von Gefährdungsdelikten
Gefährdungsdelikte sind Straftaten, bei denen der Gesetzgeber nicht das Vorliegen eines bestimmten Schadenseintritts voraussetzt. Sie werden vielmehr dadurch verwirklicht, dass eine bestimmte Handlung ausgeführt oder das Risiko eines Schadens verursacht wird. Das Hauptmerkmal von Gefährdungsdelikten besteht darin, dass die Handlung eine erhöhte Gefahr für ein bestimmtes Rechtsgut darstellt und daher bereits strafbar ist, ohne dass ein konkreter Schaden eingetreten ist.
Arten von Gefährdungsdelikten
Im Strafrecht gibt es zwei grundlegende Arten von Gefährdungsdelikten: konkrete Gefährdungsdelikte und abstrakte Gefährdungsdelikte. Beide unterscheiden sich in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung und den Anforderungen, die an die Tatbestandsverwirklichung gestellt werden. Im Folgenden werden die beiden Arten von Gefährdungsdelikten genauer erläutert.
Konkrete Gefährdungsdelikte
Konkrete Gefährdungsdelikte sind dadurch gekennzeichnet, dass bereits der Eintritt einer bestimmten Gefahrenlage als strafwürdig eingestuft wird. Bei dieser Art von Delikt muss die Gefahr konkret auf eine bestimmte Person oder Sache abzielen. Um das Delikt als konkretes Gefährdungsdelikt zu qualifizieren, muss eine konkrete Situation entstehen, in der die Verletzung eines Rechtsguts möglich ist. Wenn diese Gefährdungssituation eingetreten ist, liegt die Strafbarkeit bereits vor, auch wenn der Schaden noch nicht entstanden ist.
Ein klassisches Beispiel für ein konkretes Gefährdungsdelikt ist die fahrlässige Körperverletzung gemäß § 229 Strafgesetzbuch (StGB). In diesem Fall wird die Verursachung einer konkreten Gefahr für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit eines anderen als strafbar erachtet, ohne dass eine tatsächliche Verletzung stattfinden muss.
Abstrakte Gefährdungsdelikte
Abstrakte Gefährdungsdelikte sind weniger konkret und basieren im Wesentlichen auf der Vorstellung, dass die bloße Vornahme einer bestimmten Handlung das Risiko eines Schadens verursacht. Bei abstrakten Gefährdungsdelikten ist die Strafbarkeit unabhängig vom Eintritt einer konkreten Gefahr und setzt lediglich die Vornahme der potenziell schädlichen Handlung voraus. Das Rechtsgut, das geschützt werden soll, wird also schon dann als gefährdet angesehen, wenn die Strafnorm eine solche Gefährdungssituation vorhergesehen hat.
Ein typisches Beispiel für ein abstraktes Gefährdungsdelikt ist das Führen eines Kraftfahrzeugs unter Alkoholeinfluss gemäß § 316 StGB. In diesem Fall ist der Alkoholkonsum und das Führen eines Fahrzeugs selbst strafbar, auch wenn keine konkrete Gefahr für andere entstanden ist. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass durch Alkoholkonsum die Möglichkeit einer Gefährdung entsteht und diese Handlung alleine bereits strafwürdig ist.
Gesetzliche Grundlagen
Die gesetzlichen Grundlagen der Gefährdungsdelikte finden sich im Strafgesetzbuch (StGB) und in diversen Nebengesetzen. Im Folgenden werden einige Beispiele für die gesetzlichen Regelungen von Gefährdungsdelikten aufgeführt:
- § 145d StGB (Falsche Verdächtigung)
- § 224a StGB (Misshandlung von Schutzbefohlenen)
- § 241 StGB (Bedrohung)
- § 242 StGB (Diebstahl)
- § 303 StGB (Sachbeschädigung)
- § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr)
- § 330 StGB (Gefährliche Eingriffe in den Schiffsverkehr)
Diese Aufzählung zeigt, dass Gefährdungsdelikte sowohl im allgemeinen Strafrecht als auch im Verkehrsstrafrecht, im Umweltstrafrecht und im Wirtschaftsstrafrecht Anwendung finden. Die gesetzliche Regelung dieser Delikte variiert je nach den Besonderheiten der jeweiligen Rechtsgüter und den typischen Tatbegehungsweisen.
Aktuelle Rechtsprechung
Die Rechtsprechung zu Gefährdungsdelikten ist sehr umfangreich und vielfältig. Im Folgenden werden einige aktuelle und bedeutsame Gerichtsentscheidungen bezüglich Gefährdungsdelikten dargestellt:
- Trunkenheit im Verkehr (BGH, Beschluss vom 28.06.2018 – 4 StR 168/18): In diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass die Annahme einer relativen Fahruntüchtigkeit (also einer eingeschränkten Fahrtüchtigkeit) bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille möglich ist. Dieser Grenzwert wurde als Kriterium zur Beurteilung der Strafbarkeit von Trunkenheit im Straßenverkehr herangezogen.
- Falsche Verdächtigung (BGH, Beschluss vom 13.11.2018 – 4 StR 392/18): Der Bundesgerichtshof entschied, dass eine Strafbarkeit wegen falscher Verdächtigung auch dann gegeben sein kann, wenn die zur Last gelegten Vortäuschungen lediglich eine abstrakte Gefahr und keine konkrete Gefahr für den Betroffenen ausgehen.
- Drohung mit einem Gewaltdelikt (BGH, Urteil vom 02.03.2016 – 1 StR 359/15): In diesem Fall hat der Bundesgerichtshof dargelegt, dass die Zweckmäßigkeit einer Bedrohung mit einem Gewaltdelikt (gem. § 241 StGB) nicht davon abhängt, ob die Drohung einen ernsthaften und konkreten Plan des Drohenden darstellt.
Auch weitere, einzelne Instanzgerichte haben in der Vergangenheit wichtige Entscheidungen zu Gefährdungsdelikten getroffen, die sich auf die strafrechtliche Beurteilung dieser Delikte auswirken.
Folgen von Gefährdungsdelikten
Die Folgen von Gefährdungsdelikten können sowohl strafrechtlicher als auch zivilrechtlicher Natur sein. Unabhängig von der Art des Delikts können sowohl für den Täter als auch für das Opfer erhebliche Konsequenzen entstehen.
Strafrechtliche Folgen
Die strafrechtlichen Folgen von Gefährdungsdelikten variieren je nach Schwere und Art des Delikts. Dazu gehören unter anderem:
- Freiheitsstrafen
- Geldstrafen
- Fahrverbote oder Entzug der Fahrerlaubnis (bei Verkehrsdelikten)
- Eintragungen ins Führungszeugnis
Die Höhe der Strafen richtet sich nach den gesetzlichen Vorgaben der jeweiligen Norm und der individuellen Sachlage, wie etwa die Vorstrafen des Täters oder die Umstände der Tat.
Zivilrechtliche Folgen
Neben den strafrechtlichen Folgen können auch zivilrechtliche Ansprüche gegen den Täter entstehen, die vom Opfer geltend gemacht werden können. Mögliche zivilrechtliche Folgen sind:
- Schadensersatzansprüche
- Schmerzensgeldforderungen
- Unterlassungsansprüche
Es ist wichtig zu beachten, dass diese Ansprüche unabhängig von der strafrechtlichen Verurteilung geltend gemacht werden können und zusätzliche Kosten und Verpflichtungen für den Täter bedeuten können.
Praxisbeispiele
Im Folgenden werden einige Beispiele für typische Gefährdungsdelikte aus der Praxis dargestellt, um die rechtlichen Zusammenhänge und die möglichen Folgen dieser Delikte zu verdeutlichen:
- Beispiel A: Eine alkoholisierte Person fährt nach einer Party mit dem Auto nach Hause. Trotz der Alkoholisierung des Fahrers kommt es zu keinem Verkehrsunfall oder einer anderweitigen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. In diesem Fall liegt nach § 316 StGB dennoch ein abstraktes Gefährdungsdelikt vor, da der Fahrer unter Alkoholeinfluss stand und somit die allgemeine Gefahr für den Straßenverkehr erhöht hat.
- Beispiel B: Ein Hundehalter nimmt seinen nicht angeleinten Hund mit in einen Park, obwohl eine Anleinpflicht besteht. Streng genommen handelt es sich hierbei um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, da die Freilassung des Hundes die Gefahr für andere Parkbesucher erhöht, ohne dass eine Gefährdungssituation tatsächlich eingetreten ist. Je nach den konkreten Regelungen in der jeweiligen Ortssatzung können hier auch Bußgelder verhängt werden.
- Beispiel C: Eine Person verursacht durch unvorsichtiges Hantieren mit Feuerwerk eine Brandgefahr in der Nähe von Wohngebäuden. Dabei wird bisher niemand verletzt und kein materieller Schaden entsteht. In diesem Fall liegt ein konkretes Gefährdungsdelikt vor, da die Handlung eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geschaffen hat. Entsprechende Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren können eingeleitet werden.
Häufig gestellte Fragen
Im Zusammenhang mit Gefährdungsdelikten haben Mandanten häufig bestimmte Fragen. Einige dieser Fragen werden im Folgenden beantwortet:
Ist die nicht angepasste Geschwindigkeit bei schlechter Witterung ein Gefährdungsdelikt?
Nicht immer führt eine nicht angepasste Geschwindigkeit bei schlechten Witterungsverhältnissen automatisch zu einem Gefährdungsdelikt. Es kommt hier im Einzelfall darauf an, ob eine konkrete Gefahr entstanden ist oder nicht. Sollte jedoch ein solches Fehlverhalten zu einem Verkehrsunfall führen, kann dies sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Folgen nach sich ziehen.
Kann ich wegen eines Gefährdungsdelikts belangt werden, obwohl ich jemandem nur helfen wollte?
Im Einzelfall kann es vorkommen, dass eine gut gemeinte Hilfeleistung zu einem Gefährdungsdelikt führt. Hierbei kommt es entscheidend auf die Umstände der einzelnen Handlung und auf das konkrete Delikt an. Eine Strafbarkeit des gutgläubigen Helfers lässt sich nicht generell ausschließen, jedoch werden die Umstände der Tat und das Motiv des Helfers in deren Bewertung einbezogen.
Welche Rolle spielt der Versuch bei Gefährdungsdelikten?
Ein Versuch kommt bei Gefährdungsdelikten grundsätzlich infrage, wenn die Handlung darauf abzieht, eine konkrete Gefahr oder eine Gefährdungssituation herbeizuführen. Die Versuchsstrafbarkeit ist in diesem Fall abhängig von der Art des Delikts und den Voraussetzungen der jeweiligen Strafnorm. Bei abstrakten Gefährdungsdelikten ist eine Versuchsstrafbarkeit selten gegeben, da die Strafbarkeit bereits durch die potenziell gefährdende Handlung gegeben ist.
Wie wird die Höhe von Geldstrafen bei Gefährdungsdelikten festgelegt?
Die Höhe von Geldstrafen bei Gefährdungsdelikten bemisst sich nach den gesetzlichen Vorgaben der jeweiligen Strafnorm und den individuellen Umständen der Tat, wie beispielsweise die Schwere der Handlung oder die Vorstrafen des Täters. Grundsätzlich wird die Strafe in Tagessätzen bemessen, wobei die Anzahl der Tagessätze und die Höhe eines einzelnen Tagessatzes unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters festgelegt werden.
Gefährdungsdelikte definieren und Konsequenzen verstehen
Gefährdungsdelikte sind im Strafrecht von besonderer Bedeutung, da sie die Strafbarkeit einer Handlung bereits unabhängig von tatsächlich eingetretenen Schäden festschreiben. Die Unterscheidung zwischen konkreten und abstrakten Gefährdungsdelikten ist essentiell, um die verschiedenen Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen dieser Delikte zu verstehen. Die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen sowie die aktuelle Rechtsprechung spielen für das Verständnis der rechtlichen Zusammenhänge eine entscheidende Rolle.
Die Folgen von Gefährdungsdelikten, sowohl strafrechtlicher als auch zivilrechtlicher Natur, können erheblich sein und hängen jeweils von den konkreten Umständen der Einzelfälle ab. Dieser Blog-Beitrag zeigt die vielfältigen Rechtsgrundlagen und die Auswirkungen von Gefährdungsdelikten auf und verdeutlicht so die Bedeutung dieser Delikte im Strafrecht. Es ist wichtig, sich bei Fragen oder Problemen im Zusammenhang mit Gefährdungsdelikten an einen erfahrenen Rechtsanwalt zu wenden, um die beste juristische Beratung und Vertretung zu erhalten.
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