Das gemeinschaftliche Testament und die Vor- und Nacherbschaft sind beliebte Instrumente zur Regelung des Erbrechts für Ehegatten oder Lebenspartner. In diesem umfassenden Blog-Beitrag werden wir die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten und Fallstricke der gemeinschaftlichen Testamente und der Vor- und Nacherbschaft erörtern. Wir werden auch auf aktuelle Gerichtsurteile eingehen und häufig gestellte Fragen beantworten, die Ihnen dabei helfen sollen, diese komplexen erbrechtlichen Instrumente besser zu verstehen und zu nutzen.

Grundlagen des gemeinschaftlichen Testaments

Ein gemeinschaftliches Testament ist ein Testament, das von zwei Personen gemeinsam erstellt wird, meist Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern. Es enthält üblicherweise Verfügungen von Todes wegen, die sich gegenseitig begünstigen, und Regelungen für den Todesfall des zuletzt versterbenden Ehegatten oder Lebenspartners.

Formvorschriften

Das gemeinschaftliche Testament kann entweder in öffentlicher Form (vor einem Notar) oder in privatschriftlicher Form (handschriftlich) errichtet werden. In beiden Fällen müssen die Ehegatten oder Lebenspartner persönlich und gleichzeitig anwesend sein.

Bindungswirkung

Ein wesentliches Merkmal des gemeinschaftlichen Testaments ist die Bindungswirkung, die bedeutet, dass der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner nach dem Tod des Erstversterbenden an die Verfügungen von Todes wegen gebunden ist und diese nicht mehr einseitig ändern oder widerrufen kann.

Widerrufsmöglichkeiten

Trotz der Bindungswirkung gibt es einige Fälle, in denen ein gemeinschaftliches Testament widerrufen werden kann:

  • Einvernehmlicher Widerruf durch beide Ehegatten oder Lebenspartner zu Lebzeiten.
  • Erfüllung einer auflösenden Bedingung, die im Testament festgelegt wurde.
  • Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Lebenspartnerschaft.

Gestaltungsmöglichkeiten des gemeinschaftlichen Testaments

Es gibt verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten für gemeinschaftliche Testamente, von denen einige im Folgenden erläutert werden:

Berliner Testament

Das sogenannte Berliner Testament ist die häufigste Form des gemeinschaftlichen Testaments in Deutschland. Hierbei setzen sich die Ehegatten oder Lebenspartner gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmen, dass nach dem Tod des zuletzt versterbenden Ehegatten oder Lebenspartners der Nachlass an ihre gemeinsamen Abkömmlinge oder andere Dritte fallen soll.

Vor- und Nacherbschaft

Die Vor- und Nacherbschaft ist eine weitere Gestaltungsmöglichkeit, bei der der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner zunächst als Vorerbe eingesetzt wird, während die gemeinsamen Abkömmlinge oder andere Dritte als Nacherben eingesetzt werden. Der Vorerbe hat dabei nur eingeschränkte Verfügungsbefugnisse über den Nachlass.

Wiederverheiratungsklausel

Um sicherzustellen, dass der Nachlass im Falle einer Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners nicht an den neuen Ehegatten oder Lebenspartner fällt, kann eine Wiederverheiratungsklausel vereinbart werden. Diese sieht vor, dass der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner im Falle einer Wiederverheiratung den Nachlass an die gemeinsamen Abkömmlinge oder andere Dritte herausgeben muss.

Fallstricke und Risiken bei der Gestaltung von gemeinschaftlichen Testamenten

Bei der Gestaltung von gemeinschaftlichen Testamenten gibt es einige Fallstricke und Risiken, die beachtet werden sollten:

Pflichtteilsansprüche

Ein gemeinschaftliches Testament kann dazu führen, dass Pflichtteilsansprüche von nahestehenden Personen entstehen. Diese können insbesondere dann problematisch werden, wenn der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner nicht über ausreichende Liquidität verfügt, um die Pflichtteilsansprüche zu erfüllen.

Steuerliche Nachteile

Die Gestaltung eines gemeinschaftlichen Testaments kann steuerliche Nachteile mit sich bringen, insbesondere wenn die Freibeträge für Erbschafts- und Schenkungssteuer nicht optimal ausgeschöpft werden.

Unzureichende Nachlassregelung

Ein gemeinschaftliches Testament enthält häufig nur Regelungen für den Todesfall des Erstversterbenden und den Todesfall des zuletzt versterbenden Ehegatten oder Lebenspartners. Es kann jedoch Fälle geben, in denen diese Regelungen nicht ausreichen, beispielsweise wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner gleichzeitig oder kurz nacheinander versterben.

Aktuelle Gerichtsurteile zum gemeinschaftlichen Testament und zur Vor- und Nacherbschaft

Im Folgenden werden einige aktuelle Gerichtsurteile zum gemeinschaftlichen Testament und zur Vor- und Nacherbschaft vorgestellt:

Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 12.10.2016 – IV ZR 292/15

Der BGH hat entschieden, dass ein gemeinschaftliches Testament, das keine ausdrückliche Bindungswirkung enthält, im Zweifel als bindend anzusehen ist, wenn es Regelungen enthält, die typischerweise mit einer Bindungswirkung verbunden sind (z. B. wechselseitige Erbeinsetzung).

Oberlandesgericht (OLG) Köln, Urteil vom 29.11.2019 – 2 Wx 344/19

Das OLG Köln hat entschieden, dass ein gemeinschaftliches Testament, das handschriftlich von einem Ehegatten verfasst, aber von beiden Ehegatten unterschrieben wurde, formgültig ist, wenn beide Ehegatten den Inhalt des Testaments kannten und mit diesem einverstanden waren.

BGH, Urteil vom 01.03.2017 – IV ZR 74/16

Der BGH hat entschieden, dass die Enterbung eines Abkömmlings durch ein gemeinschaftliches Testament auch dann wirksam ist, wenn der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner das Testament nach dem Tod des Erstversterbenden einseitig geändert hat, sofern die Änderung im Rahmen der ursprünglichen Bindungswirkung erfolgt.

Häufig gestellte Fragen (FAQs) zum gemeinschaftlichen Testament und zur Vor- und Nacherbschaft

Sind gemeinschaftliche Testamente nur für Ehegatten oder Lebenspartner möglich?

Ja, gemeinschaftliche Testamente können grundsätzlich nur von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern errichtet werden. Andere Personen, wie etwa unverheiratete Paare oder Geschwister, können jedoch ein sog. „Erbvertrag“ abschließen, der ähnliche Regelungen wie ein gemeinschaftliches Testament enthalten kann.

Wie kann ein gemeinschaftliches Testament geändert oder widerrufen werden?

Ein gemeinschaftliches Testament kann grundsätzlich nur von beiden Ehegatten oder Lebenspartnern gemeinsam geändert oder widerrufen werden. Ausnahmen sind der einvernehmliche Widerruf, die Erfüllung einer auflösenden Bedingung oder die Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Lebenspartnerschaft. Sobald einer der Ehegatten oder Lebenspartner verstorben ist, ist der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner an die Verfügungen des Testaments gebunden und kann diese nicht mehr ändern oder widerrufen.

Was passiert, wenn der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner das gemeinschaftliche Testament nicht beachtet?

Verstößt der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner gegen die Verfügungen des gemeinschaftlichen Testaments, können die Abkömmlinge oder sonstigen Begünstigten Ansprüche auf Herausgabe des Nachlasses oder auf Schadensersatz geltend machen. In einigen Fällen kann dies auch zur Entziehung des Pflichtteils oder zur Anfechtung des Testaments führen.

Wie wirkt sich eine Vor- und Nacherbschaft auf die Erbschaftssteuer aus?

Die Vor- und Nacherbschaft führt dazu, dass der Nachlass zunächst auf den Vorerben und danach auf den Nacherben übergeht. Dies kann zu einer doppelten Erbschaftssteuerbelastung führen, da sowohl der Vorerbe als auch der Nacherbe Erbschaftssteuer auf den erworbenen Nachlass zahlen müssen. Um dies zu vermeiden, sollten die Freibeträge für Erbschafts- und Schenkungssteuer optimal ausgeschöpft und steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden.

Ist eine Vor- und Nacherbschaft auch bei Patchwork-Familien sinnvoll?

Insbesondere in Patchwork-Familien kann die Vor- und Nacherbschaft sinnvoll sein, um sicherzustellen, dass die gemeinsamen Abkömmlinge oder andere Dritte nach dem Tod des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners am Nachlass beteiligt werden und dieser nicht an den neuen Ehegatten oder Lebenspartner oder dessen Abkömmlinge fällt. Hierbei sollte jedoch darauf geachtet werden, dass etwaige Pflichtteilsansprüche angemessen berücksichtigt werden.

Gemeinschaftliche Testamente Vor- und Nacherbschaft: Alle Fakten

Gemeinschaftliche Testamente und die Vor- und Nacherbschaft bieten Ehegatten und Lebenspartnern vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, um ihren Nachlass nach den eigenen Wünschen und Bedürfnissen zu regeln. Allerdings sind dabei auch zahlreiche Fallstricke und Risiken zu beachten, die ohne fundierte rechtliche Beratung und Planung zu erheblichen Problemen führen können.

Eine sorgfältige und individuelle Beratung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt ist daher unerlässlich, um die bestmögliche Nachlassregelung für die persönliche Situation zu finden und sicherzustellen, dass die gewünschten Verfügungen von Todes wegen auch tatsächlich umgesetzt werden können.

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