In Deutschland ist der Betriebsrat ein wesentliches Element der betrieblichen Mitbestimmung. Doch wenn ein Unternehmen über mehrere Betriebe verfügt, kommt auch der Gesamtbetriebsrat ins Spiel. Dieser Artikel wird in detailreichen Abschnitten die rechtlichen Grundlagen und Funktionen des Gesamtbetriebsrats erläutern, um Ihnen einen umfassenden Überblick zu verschaffen.

Inhalt

  1. Rechtliche Grundlagen des Gesamtbetriebsrats
  2. Zusammensetzung und Wahl des Gesamtbetriebsrats
  3. Aufgaben und Funktionen des Gesamtbetriebsrats
  4. Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber und den Betriebsratsgremien
  5. Gestaltung von Arbeitsbedingungen und Betriebsvereinbarungen
  6. Beteiligungsmöglichkeiten und Initiativrechte
  7. Rechtsschutz des Gesamtbetriebsrats und seiner Mitglieder
  8. Häufig gestellte Fragen
  9. Gesamtbetriebsrat: Rechtliche Einordnung verstehen

Rechtliche Grundlagen des Gesamtbetriebsrats

Der Gesamtbetriebsrat ist eine rechtliche Institution in Deutschland, die durch das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelt ist. Die wichtigsten relevanten Vorschriften finden sich in den §§ 47-53 BetrVG. Im folgenden Abschnitt werden die wichtigsten Paragraphen skizziert:

  • § 47 BetrVG: Regelung der Errichtung eines Gesamtbetriebsrats; besteht grundsätzlich die Möglichkeit zur Errichtung eines Gesamtbetriebsrats, wenn ein Unternehmen mehrere Betriebe hat
  • § 48 BetrVG: Vorschriften zur Zusammensetzung des Gesamtbetriebsrats und Verteilung der Sitzkontingente auf die Betriebsratsgremien der einzelnen Betriebe
  • § 49 BetrVG: Regelungen zur Durchführung von Gesamtbetriebsratssitzungen, Einberufung, Leitung und Beschlussfassung
  • § 50 BetrVG: Vorschriften zur Geschäftsführung des Gesamtbetriebsrats, insbesondere zur ordnungsgemäßen Verwaltung von Unterlagen und Dokumenten
  • § 51 BetrVG: Regelung der Arbeitsweise des Gesamtbetriebsrats, die in einer Geschäftsordnung festgelegt wird
  • § 52 BetrVG: Regelungen zur Bildung von Ausschüssen binnen des Gesamtbetriebsrats und deren Aufgaben
  • § 53 BetrVG: Regelungen zum Umgang mit Umlagen und Kostentragung des Unternehmens für die Tätigkeiten des Gesamtbetriebsrats

Zusammensetzung und Wahl des Gesamtbetriebsrats

Die Zusammensetzung des GBR berücksichtigt die Größe der einzelnen Betriebe und die Anzahl der Betriebsratsmitglieder in den Betrieben. Gemäß § 48 BetrVG sind die Betriebsräte gleichmäßig im GBR vertreten, wobei die Sitzkontingente für die Verteilung der Sitze entsprechend der Betriebsgröße festgelegt sind. Hierbei gelten die folgenden Regelungen:

  • Unternehmen mit 1-100 Arbeitnehmern: 1 Sitz
  • Unternehmen mit 101-300 Arbeitnehmern: 2 Sitze
  • Unternehmen mit 301-500 Arbeitnehmern: 3 Sitze
  • Unternehmen mit 501-900 Arbeitnehmern: 4 Sitze
  • Für jedes zusätzliche Kontingent von 400 Arbeitnehmern oder Teil davon, ein weiterer Sitz

Die Wahl des Gesamtbetriebsrats erfolgt entsprechend § 48 Abs. 2 BetrVG durch die einzelnen Betriebsratsgremien. Jedes Gremium wählt aus seiner Mitte einen oder mehrere Vertreter, je nach der Anzahl der Sitze, die der jeweilige Betrieb in der Gesamtvertretung erhalten hat.

Aufgaben und Funktionen des Gesamtbetriebsrats

Der Gesamtbetriebsrat hat insbesondere die Aufgabe, die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber auf gesamtunternehmerischer Ebene zu vertreten. Die genauen Funktionen und die Kompetenzen ergeben sich aus den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes. Die wichtigsten Aufgaben des GBR sind im § 50 BetrVG definiert:

  1. Interessenvertretung der Mitarbeiter bei unternehmensweiten Angelegenheiten wie z.B. Arbeitsplatzgestaltung, Arbeitssicherheit oder Arbeitszeiten
  2. Entscheidungen zu Angelegenheiten, die das gesamte Unternehmen betreffen, oder wenn ein betriebsübergreifender Interessenausgleich notwendig ist, wie z.B. bei Sanierungen oder Umstrukturierungsmaßnahmen
  3. Verhandlungen und Abschluss von Gesamt-Betriebsvereinbarungen mit dem Arbeitgeber
  4. Einhaltung der Betriebsratsgesetze und Überwachung der geltenden Gesetze, Verordnungen und Tarifverträge
  5. Entscheidungen über die Bildung von unternehmensweiten Ausschüssen (z.B. Arbeitsschutzausschuss, Schlichtungsausschuss)
  6. Beteiligung bei Personalentscheidungen wie z.B. der Einstellung von Führungspersonal
  7. Zusammenarbeit mit dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden und den örtlichen Betriebsratsvorsitzenden

Der GBR hat zudem auch Initiativrechte, wie zum Beispiel die Erstellung von Vorschlägen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Unternehmen, um Anliegen der Arbeitnehmer aktiv zu vertreten. Dabei sind die genauen Initiativrechte und Beteiligungsmöglichkeiten von der Unternehmensgröße und den jeweiligen Verhältnissen abhängig.

Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber und den Betriebsratsgremien

Eine wesentliche Funktion des Gesamtbetriebsrats ist die koordinierte Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern sowie den einzelnen Betriebsratsgremien auf betrieblicher und überbetrieblicher Ebene. Dabei sind insbesondere vier Aspekte hervorzuheben:

Kooperation mit dem Arbeitgeber: Der Gesamtbetriebsrat arbeitet auf der Grundlage von § 2 BetrVG vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber zusammen und trägt so zur Lösung betrieblicher Probleme und zur Durchsetzung der Interessen der Arbeitnehmer bei

Nutzung von Informationsrechten: Gemäß § 80 BetrVG hat der Gesamtbetriebsrat Informations- und Beratungsrechte gegenüber dem Arbeitgeber. Dabei ist der Arbeitgeber verpflichtet, den GBR in regelmäßigen Abständen über wesentliche Entwicklungen und Maßnahnahmen zu informieren und zu berichten

Beteiligungsrechte und Mitbestimmung: Erfolgt eine Maßnahme, die überbetrieblich wirksam wird oder alle Betriebe eines Unternehmens betrifft, ist der GBR gemäß § 50 BetrVG zur Mitbestimmung sowie zur Verhandlung von Gesamt-Betriebsvereinbarungen berechtigt

Koordination zwischen Betriebsratsgremien: Der Gesamtbetriebsrat ist für die Organisation der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Betriebsratsgremien verantwortlich und fungiert zudem als die zentrale Kommunikations- und Koordinationsstelle

Gestaltung von Arbeitsbedingungen und Betriebsvereinbarungen

Eine der zentralsten Aufgaben des Gesamtbetriebsrats ist die Regelung der Arbeitsbedingungen durch Betriebsvereinbarungen. Der Abschluss von Gesamt-Betriebsvereinbarungen ist ein wichtiger Teil der Mitbestimmungs- und Gestaltungsfunktion des GBR. Bei dieser Ausgestaltung sind einige wesentliche Aspekte zu berücksichtigen:

  • Die gesetzlichen Grundlagen für Gesamt-Betriebsvereinbarungen finden sich im § 77 Abs. 2 BetrVG.
  • Gesamt-Betriebsvereinbarungen können nur durch den Arbeitgeber einerseits und den GBR andererseits abgeschlossen werden.
  • Die Gesamt-Betriebsvereinbarungen sind auf das gesamte Unternehmen oder auf mehrere Betriebe eines Unternehmens anwendbar.
  • Gesamt-Betriebsvereinbarungen gelten als ergänzende oder abweichende Regelungen zu Gesetzen, Tarifverträgen oder örtlichen Betriebsvereinbarungen.
  • Die durch Gesamt-Betriebsvereinbarungen geregelten Angelegenheiten haben eine vorrangige Bedeutung gegenüber anderen Regelungsebenen, sofern keine zwingenden gesetzlichen oder tariflichen Vorschriften entgegenstehen.
  • Gesamt-Betriebsvereinbarungen können gelöst werden, wenn beide Parteien, also Arbeitgeber und GBR, dies einvernehmlich beschließen.

Bei der Ausgestaltung von Gesamt-Betriebsvereinbarungen sind die Interessen der Arbeitnehmer und die betrieblichen Gegebenheiten gleichermaßen zu berücksichtigen. Hierbei sind die GBR-Mitglieder gefordert, eine effektive und lösungsorientierte Verhandlungsstrategie zu verfolgen, um möglichst optimale Ergebnisse für alle Beteiligten zu erzielen.

Beteiligungsmöglichkeiten und Initiativrechte

Der Gesamtbetriebsrat hat vielfältige Möglichkeiten, seine Beteiligungsrechte und Initiativrechte bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen und bei Unternehmensentscheidungen auszuüben. Hierzu zählen unter anderem:

  • Verhandlungen und Abschluss von Gesamt-Betriebsvereinbarungen mit dem Arbeitgeber
  • Geltendmachung von Informationsrechten und Beratungsrechten gegenüber dem Arbeitgeber
  • Mögliche Beteiligung bei Planungs- und Entscheidungsprozessen, wie z.B. bei Fusionen oder Umstrukturierungen
  • Einschaltung von Schlichtungsausschüssen und ggf. Durchführung von Einigungsstellenverfahren
  • Erstellung von Vorschlägen zur Verbesserung der Arbeits- und Betriebsbedingungen sowie Einbringung von Arbeitnehmervorschlägen oder Initiativen
  • Einsatz von Initiativrechten zur Durchführung von Schulungen, Fortbildungen oder Personalentwicklungsmaßnahmen

Rechtsschutz des Gesamtbetriebsrats und seiner Mitglieder

Der Gesamtbetriebsrat und seine Mitglieder genießen einen besonderen Rechtsschutz, um ihre Tätigkeit für die Interessenvertretung der Arbeitnehmer unbeeinträchtigt ausüben zu können. Dazu zählen:

Benachteiligungsverbot: Mitglieder des Gesamtbetriebsrats dürfen gemäß § 78 BetrVG aufgrund ihrer Tätigkeit im GBR nicht benachteiligt werden.

Kündigungsschutz: Die Mitglieder des GBR genießen einen besonderen Kündigungsschutz nach § 15 KSchG. Eine Kündigung ist nur mit Zustimmung des Betriebsrats und bei Vorliegen von Gründen zulässig, die in der Person des Mitglieds begründet sind.

Freistellung von der Arbeitsleistung: Je nach Unternehmensgröße und Anzahl der Arbeitnehmer kann eine bestimmte Anzahl von GBR-Mitgliedern gemäß § 44 BetrVG von ihrer regulären Arbeitsleistung freigestellt werden, um sich ausschließlich ihrer GBR-Tätigkeit zu widmen.

Zeitliche Freistellung: GBR-Mitglieder haben gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG Anspruch auf die erforderliche Zeit zur Vorbereitung und Durchführung ihrer GBR-Tätigkeiten, einschließlich der Teilnahme an Sitzungen oder Schulungen.

Räumliche und sachliche Ausstattung: Nach § 40 BetrVG muss der Arbeitgeber dem GBR die erforderlichen Räumlichkeiten, Sachmittel und Kommunikationsmittel zur Verfügung stellen, damit dieser seine gesetzlichen Aufgaben erfüllen kann.

Häufig gestellte Fragen

Um sich einen Überblick zu verschaffen, beachten Sie die folgenden Fragen.

Muss jedes Unternehmen einen Gesamtbetriebsrat gründen?

Nein, die Gründung eines Gesamtbetriebsrats ist nicht verpflichtend für jedes Unternehmen. Gemäß § 47 BetrVG besteht aber grundsätzlich die Möglichkeit, einen GBR einzurichten, wenn ein Unternehmen mehrere Betriebe hat.

Wie setzt sich der Gesamtbetriebsrat zusammen?

Der Gesamtbetriebsrat setzt sich aus Vertretern der einzelnen Betriebsratsgremien zusammen, wobei die Anzahl der Vertreter von der Größe der jeweiligen Betriebe abhängt (§ 48 BetrVG).

Wie wird der Gesamtbetriebsrat gewählt?

Der Gesamtbetriebsrat wird durch die einzelnen Betriebsratsgremien gewählt. Jedes Gremium wählt aus seiner Mitte einen oder mehrere Vertreter, je nach der Anzahl der Sitze, die der jeweilige Betrieb in der Gesamtvertretung erhalten hat (§ 48 Abs. 2 BetrVG).

Welche Aufgaben hat der Gesamtbetriebsrat?

Der Gesamtbetriebsrat hat unter anderem die Aufgaben, die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber auf gesamtunternehmerischer Ebene zu vertreten, Entscheidungen zu Angelegenheiten zu treffen, die das gesamte Unternehmen betreffen, und mit dem Arbeitgeber Gesamt-Betriebsvereinbarungen abzuschließen (§ 50 BetrVG).

Worauf ist bei der Gestaltung von Gesamt-Betriebsvereinbarungen zu achten?

Bei der Gestaltung von Gesamt-Betriebsvereinbarungen sind die Interessen der Arbeitnehmer und die betrieblichen Gegebenheiten gleichermaßen zu berücksichtigen. Die Gesamt-Betriebsvereinbarungen dürfen nicht gegen zwingende gesetzliche oder tarifliche Vorschriften verstoßen und müssen von beiden Seiten, GBR und Arbeitgeber, einvernehmlich vereinbart werden.

Wie sind die Beteiligungsrechte und Initiativrechte des Gesamtbetriebsrats geregelt?

Der Gesamtbetriebsrat hat vielfältige Beteiligungsrechte und Initiativrechte wie etwa Verhandlungen und Abschluss von Gesamt-Betriebsvereinbarungen, Geltendmachung von Informationsrechten, Beteiligung bei Planungs- und Entscheidungsprozessen und Einsatz von Initiativrechten zur Durchführung von Schulungen oder Personalentwicklungsmaßnahmen.

Welchen Rechtsschutz genießen Mitglieder des Gesamtbetriebsrats?

Der Gesamtbetriebsrat und seine Mitglieder genießen einen besonderen Rechtsschutz, der u.a. das Benachteiligungsverbot, Kündigungsschutz, Freistellung von der Arbeitsleistung, zeitliche Freistellung für GBR-Tätigkeiten und die räumliche und sachliche Ausstattung zur Erfüllung der Aufgaben umfasst.

Gesamtbetriebsrat: Rechtliche Einordnung verstehen

Der Gesamtbetriebsrat ist ein wichtiges Gremium zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen auf gesamtunternehmerischer Ebene, insbesondere in Unternehmen mit mehreren Betrieben. Die gesetzlichen Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz geben ihm zahlreiche Kompetenzen und Beteiligungsmöglichkeiten an Entscheidungsprozessen und bieten seinen Mitgliedern gleichzeitig Rechtsschutz.

Durch die Zusammenarbeit mit den örtlichen Betriebsräten und dem Arbeitgeber auf der Grundlage von Vertrauen und Kooperation leistet der Gesamtbetriebsrat einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und zur Sicherung der demokratischen Mitbestimmung in der Arbeitswelt.

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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter

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