Als Geschäftsführer eines Unternehmens sind Sie mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen ausgestattet. Diese Position ist jedoch auch mit einer erheblichen Verantwortung und Haftung verbunden. In diesem umfangreichen Blog-Beitrag wollen wir die verschiedenen Aspekte der Geschäftsführerhaftung beleuchten und Ihnen als kompetenter und erfahrener Rechtsanwalt einen umfassenden Überblick über Ihre Rechte, Pflichten und Risiken als Geschäftsführer geben.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Rechtliche Grundlagen der Geschäftsführerhaftung
- 2. Pflichten und Verantwortlichkeiten eines Geschäftsführers
- 3. Haftung gegenüber der Gesellschaft und Dritten
- 4. Risiken und Haftungsfälle in der Praxis
- 5. Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung und -vermeidung
- 6. Versicherungen zum Schutz vor Haftungsansprüchen
- 7. FAQ – Häufig gestellte Fragen zur Geschäftsführerhaftung
Rechtliche Grundlagen der Geschäftsführerhaftung
Die Haftung von Geschäftsführern ist im deutschen Recht in verschiedenen Gesetzeswerken verankert. Die wichtigsten rechtlichen Grundlagen finden sich in:
- §§ 43, 64 GmbHG (Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung)
- §§ 91, 93 AktG (Aktiengesetz)
- § 130, 131 OWiG (Gesetz über Ordnungswidrigkeiten)
- § 266 StGB (Strafgesetzbuch)
- § 823 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch)
Je nach Rechtsform des Unternehmens können auch weitere Gesetze und Verordnungen relevant sein.
Pflichten und Verantwortlichkeiten eines Geschäftsführers
Als Geschäftsführer müssen Sie eine Vielzahl von Pflichten erfüllen, die sich aus Gesetzen, dem Gesellschaftsvertrag und eventuell aus Ihrem Anstellungsvertrag ergeben. Die wichtigsten Pflichten im Überblick:
Sorgfaltspflicht
Gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG und § 93 Abs. 1 AktG sind Geschäftsführer verpflichtet, ihre Aufgaben mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu erfüllen. Dies bedeutet, dass Sie unternehmerische Entscheidungen stets sorgfältig abwägen und sich über die möglichen Risiken und Folgen informieren müssen.
Treuepflicht
Sie sind verpflichtet, die Interessen der Gesellschaft zu wahren und sich loyal zu verhalten. Dies schließt ein, dass Sie keine Geschäfte zu Lasten der Gesellschaft tätigen und keine persönlichen Vorteile aus Ihrer Position ziehen dürfen.
Informations- und Berichtspflicht
Als Geschäftsführer müssen Sie die Gesellschafter und ggf. den Aufsichtsrat regelmäßig über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens informieren. Hierzu gehört auch die Erstellung von Jahresabschlüssen und Lageberichten.
Steuer- und Sozialversicherungspflichten
Sie sind dafür verantwortlich, dass alle steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten des Unternehmens erfüllt werden. Dies umfasst insbesondere die fristgerechte Abgabe von Steuererklärungen und die korrekte Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen.
Pflicht zur Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften
Als Geschäftsführer müssen Sie dafür Sorge tragen, dass das Unternehmen alle relevanten Gesetze und Vorschriften einhält. Dies betrifft insbesondere das Arbeitsrecht, das Datenschutzrecht, das Wettbewerbsrecht und das Umweltrecht.
Haftung gegenüber der Gesellschaft und Dritten
Verletzen Sie als Geschäftsführer Ihre Pflichten, können Sie sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber Dritten haftbar gemacht werden. Die Haftung kann sich dabei aus verschiedenen Rechtsgrundlagen ergeben:
- Haftung aus § 43 GmbHG bzw. § 93 AktG bei Verletzung der Sorgfaltspflicht
- Haftung aus § 64 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 AktG bei Insolvenzverschleppung
- Haftung aus § 823 BGB bei Verletzung von Schutzgesetzen
- Haftung aus § 266 StGB wegen Untreue
- Haftung aus §§ 130, 131 OWiG bei Verletzung von Aufsichtspflichten
Es ist wichtig zu beachten, dass die Haftung des Geschäftsführers grundsätzlich persönlich und unbeschränkt ist. Das bedeutet, dass Sie mit Ihrem gesamten Privatvermögen haften, wenn Sie Ihre Pflichten verletzen.
Risiken und Haftungsfälle in der Praxis
In der Praxis gibt es zahlreiche Fallkonstellationen, in denen Geschäftsführer haftungsrechtlichen Risiken ausgesetzt sind. Einige Beispiele:
Haftung bei Insolvenz
Stellen Sie als Geschäftsführer den Insolvenzantrag zu spät, droht Ihnen die Haftung wegen Insolvenzverschleppung gemäß § 64 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 AktG. Im Falle einer Insolvenz müssen Sie innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag stellen.
Haftung für Steuerschulden
Kommen Sie Ihren steuerlichen Pflichten nicht nach, können Sie gemäß § 69 AO für die Steuerschulden der Gesellschaft haftbar gemacht werden. Dies betrifft insbesondere die Abführung der Löhne- und Umsatzsteuer. Darüber hinaus drohen Ihnen persönliche Strafen, wie Geld- oder Freiheitsstrafen, gemäß § 370 AO wegen Steuerhinterziehung.
Haftung für Sozialversicherungsbeiträge
Als Geschäftsführer sind Sie verantwortlich für die korrekte und fristgerechte Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen. Versäumen Sie dies, können Sie gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266a StGB persönlich für die entstandenen Beitragsforderungen haften.
Haftung bei Verletzung von Arbeitnehmerrechten
Verletzen Sie als Geschäftsführer die Rechte Ihrer Arbeitnehmer, zum Beispiel durch die Nichtzahlung von Löhnen, die Missachtung von Arbeitsschutzvorschriften oder durch Diskriminierung, können Sie gemäß § 823 BGB persönlich haftbar gemacht werden.
Haftung bei Umweltschäden
Verursacht Ihr Unternehmen Umweltschäden, zum Beispiel durch den Austritt von Schadstoffen, und haben Sie als Geschäftsführer diese nicht verhindert, können Sie gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit entsprechenden Umweltschutzgesetzen haftbar gemacht werden.
Haftung bei Wettbewerbsverstößen
Begeht Ihr Unternehmen Wettbewerbsverstöße, zum Beispiel durch irreführende Werbung oder den Missbrauch von Marktmacht, und haben Sie als Geschäftsführer diese nicht verhindert, können Sie gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) haftbar gemacht werden.
Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung und -vermeidung
Um das persönliche Haftungsrisiko als Geschäftsführer zu minimieren, sollten Sie folgende Maßnahmen ergreifen:
- Eine sorgfältige und gewissenhafte Arbeitsweise an den Tag legen, um die Sorgfaltspflicht zu erfüllen.
- Regelmäßig die wirtschaftliche Lage des Unternehmens überprüfen und etwaige Insolvenzanträge fristgerecht stellen.
- Sicherstellen, dass alle steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten erfüllt werden.
- Die Einhaltung von Arbeitnehmerrechten, Umweltschutzvorschriften und Wettbewerbsgesetzen gewährleisten.
- Eine angemessene Delegation von Aufgaben und Verantwortlichkeiten innerhalb des Unternehmens sicherstellen, um die eigene Haftung zu begrenzen.
- Gegebenenfalls eine Haftungsbeschränkung im Anstellungsvertrag vereinbaren.
Es ist wichtig zu beachten, dass eine Haftungsbeschränkung im Anstellungsvertrag nicht dazu führt, dass die Haftung gegenüber der Gesellschaft oder Dritten vollständig entfällt. Vielmehr kann eine solche Vereinbarung die Haftung nur in bestimmten Fällen oder auf einen bestimmten Betrag begrenzen.
Versicherungen zum Schutz vor Haftungsansprüchen
Um das Haftungsrisiko als Geschäftsführer weiter abzusichern, sollten Sie den Abschluss einer entsprechenden Versicherung in Betracht ziehen. Die wichtigsten Versicherungen zum Schutz vor Haftungsansprüchen sind:
- D&O-Versicherung (Directors and Officers Liability Insurance): Diese Versicherung deckt Schadensersatzansprüche ab, die sich aus Pflichtverletzungen des Geschäftsführers ergeben.
- Rechtsschutzversicherung: Eine Rechtsschutzversicherung übernimmt die Kosten für die anwaltliche Vertretung und gerichtliche Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit Haftungsansprüchen.
- Betriebshaftpflichtversicherung: Eine Betriebshaftpflichtversicherung schützt Sie und Ihr Unternehmen vor Schadensersatzansprüchen Dritter, zum Beispiel bei Personen- oder Sachschäden.
Es ist wichtig, die jeweiligen Versicherungsbedingungen genau zu prüfen, um sicherzustellen, dass die gewählten Versicherungen einen ausreichenden Schutz bieten.
FAQ – Häufig gestellte Fragen zur Geschäftsführerhaftung
Kann eine Haftung des Geschäftsführers ausgeschlossen werden?
Eine vollständige Haftungsausschluss ist in der Regel nicht möglich, da die Haftung des Geschäftsführers gesetzlich vorgeschrieben ist. Eine Haftungsbeschränkung kann jedoch in bestimmten Fällen oder auf einen bestimmten Betrag im Anstellungsvertrag vereinbart werden.
Haftet der Geschäftsführer auch bei einer GmbH & Co. KG?
Ja, auch bei einer GmbH & Co. KG haftet der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH persönlich und unbeschränkt für die Erfüllung seiner Pflichten.
Kann der Geschäftsführer auch nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen noch haftbar gemacht werden?
Ja, grundsätzlich kann der Geschäftsführer auch nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen noch haftbar gemacht werden, wenn er während seiner Amtszeit Pflichtverletzungen begangen hat. Die Verjährungsfristen für Haftungsansprüche betragen in der Regel drei oder fünf Jahre, können jedoch in bestimmten Fällen auch länger sein.
Kann der Geschäftsführer seine Haftung auf die Gesellschaft übertragen?
Die Haftung des Geschäftsführers ist grundsätzlich persönlich und unbeschränkt. Eine Übertragung der Haftung auf die Gesellschaft ist daher in der Regel nicht möglich. In bestimmten Fällen kann jedoch eine Haftungsbeschränkung im Anstellungsvertrag vereinbart werden.
Gibt es Unterschiede in der Haftung von Geschäftsführern je nach Rechtsform des Unternehmens?
Die grundlegenden Haftungsregelungen für Geschäftsführer gelten unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens. Je nach Rechtsform können jedoch zusätzliche gesetzliche Regelungen relevant sein, die die Haftung des Geschäftsführers erweitern oder einschränken können.
Wie kann der Geschäftsführer seine Haftung bei der Gründung eines Start-ups begrenzen?
Bei der Gründung eines Start-ups ist das Haftungsrisiko für den Geschäftsführer in der Regel besonders hoch, da die wirtschaftliche Lage und die rechtlichen Rahmenbedingungen oft unsicher sind. Um die Haftung in dieser Phase zu begrenzen, sollten Sie folgende Maßnahmen ergreifen:
- Wählen Sie eine Rechtsform mit beschränkter Haftung, wie die GmbH oder die UG (haftungsbeschränkt).
- Stellen Sie sicher, dass alle Gründungsformalitäten ordnungsgemäß erfüllt werden und die erforderlichen Genehmigungen und Registrierungen vorliegen.
- Achten Sie darauf, dass Sie sich frühzeitig über die rechtlichen Pflichten und Risiken informieren, die mit Ihrem Geschäftsmodell verbunden sind.
- Suchen Sie von Beginn an den Rat von Experten, wie Steuerberatern, Rechtsanwälten oder Unternehmensberatern, um mögliche Haftungsfallen zu identifizieren und zu vermeiden.
- Berücksichtigen Sie die Möglichkeit des Abschlusses einer D&O-Versicherung und einer Rechtsschutzversicherung, um sich gegen mögliche Haftungsansprüche abzusichern.
Gibt es Unterschiede in der Haftung von Geschäftsführern bei Familienunternehmen?
Grundsätzlich gelten für Geschäftsführer von Familienunternehmen dieselben Haftungsregelungen wie für Geschäftsführer anderer Unternehmen. Allerdings können in Familienunternehmen besondere Umstände vorliegen, die das Haftungsrisiko beeinflussen. Zum Beispiel können familiäre Beziehungen die Wahrnehmung von Pflichten und Verantwortlichkeiten beeinflussen oder es kann eine höhere Bereitschaft bestehen, auf Schadensersatzansprüche gegenüber Familienmitgliedern zu verzichten. Trotzdem sollten Geschäftsführer von Familienunternehmen ihre Pflichten und Haftungsrisiken genauso ernst nehmen wie Geschäftsführer anderer Unternehmen.
Kann der Geschäftsführer bei einem Compliance-Verstoß haftbar gemacht werden?
Ja, der Geschäftsführer kann bei einem Compliance-Verstoß haftbar gemacht werden, wenn er seine Pflichten hinsichtlich der Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften verletzt hat. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Geschäftsführer den Verstoß vorsätzlich oder fahrlässig begangen oder nicht ausreichend Vorkehrungen zur Verhinderung von Compliance-Verstößen getroffen hat. Um das Haftungsrisiko zu minimieren, sollte der Geschäftsführer ein effektives Compliance-Management-System im Unternehmen etablieren und regelmäßig überprüfen.
Wie verhält es sich mit der Haftung des Geschäftsführers bei der Beendigung des Anstellungsverhältnisses?
Die Beendigung des Anstellungsverhältnisses als Geschäftsführer führt nicht automatisch zur Beendigung der Haftung. Wenn Sie während Ihrer Amtszeit als Geschäftsführer Pflichtverletzungen begangen haben, können Sie auch nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen dafür haftbar gemacht werden. Die Verjährungsfristen für Haftungsansprüche betragen in der Regel drei oder fünf Jahre, können jedoch in bestimmten Fällen auch länger sein. Um das Haftungsrisiko nach dem Ausscheiden aus dem Unternehmen zu minimieren, sollten Sie während Ihrer Amtszeit darauf achten, Ihre Pflichten und Verantwortlichkeiten sorgfältig und gewissenhaft zu erfüllen.
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