Die Gewährträgerhaftung ist ein komplexes und oft missverstandenes Thema im deutschen Rechtssystem, das weitreichende Folgen für diejenigen haben kann, die damit konfrontiert sind. In diesem umfassenden Blog-Beitrag werden wir die vielen Facetten der Gewährträgerhaftung untersuchen, einschließlich einer detaillierten Analyse der anwendbaren Gesetze, Beispielen aus aktuellen Gerichtsurteilen und Antworten auf häufig gestellte Fragen. Unser Ziel ist es, Ihnen als kompetenter, erfahrener Rechtsanwalt einen Einblick in dieses überaus wichtige Rechtsgebiet zu geben, damit Sie fundierte Entscheidungen treffen und bei Bedarf rechtlichen Beistand suchen können.
Einführung in die Gewährträgerhaftung
Die Gewährträgerhaftung bezieht sich auf die Haftung eines Gewährträgerinnen und Gewährträgers (auch als Bürgen bezeichnet) für die Verbindlichkeiten eines Dritten gegenüber einem Gläubiger. Diese Haftung entsteht aus einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Gewährträger und dem Gläubiger, bekannt als Gewährleistungsvertrag (Bürgschaftsvertrag).
Arten der Gewährträgerhaftung
- Ausfallbürgschaft: Hier haftet der Bürge nur, falls der Hauptschuldner ausfällt, beispielsweise wegen Insolvenz.
- selbstschuldnerische Bürgschaft: Der Bürge haftet unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Hauptschuldners.
- kumulative Bürgschaft: Bei dieser Art der Bürgschaft haftet der Bürge zusätzlich zu einer anderen Sicherheit, beispielsweise einer Grundschuld oder einer Hypothek.
Rechtsgrundlagen der Gewährträgerhaftung
Die Gewährträgerhaftung ist in Deutschland hauptsächlich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Die wichtigsten Paragraphen sind:
- § 765 BGB: Begründung der Bürgschaft
- § 766 BGB: Schriftform der Bürgschaftserklärung
- § 767 BGB: bürgschaftsrechtliche Einwendungen
- § 768 BGB: Einrede der Vorausklage
- § 769 BGB: Bürgenhaftung für Vertragsänderungen
- § 770 BGB: Einrede der Anfechtbarkeit und Nichtigkeit
- § 771 BGB: Befriedigungsrecht des Bürgen
- § 772 BGB: Rückgriff des Bürgen
Die Gewährträgerhaftung kann auch in internationalen Fällen Anwendung finden, in denen die Haager Übereinkommen über das auf Bürgschaften anwendbare Recht infrage kommen könnten.
Beispiele für Gewährträgerhaftung in der Praxis
Im Folgenden werden einige Fälle vorgestellt, die die Gewährträgerhaftung in der Praxis verdeutlichen und aufzeigen, wie sie sich auf unterschiedliche Vertragsparteien auswirken kann. Diese Beispiele sollen Ihnen helfen, das Konzept der Gewährträgerhaftung besser zu verstehen und ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, wie sie in verschiedenen Situationen angewendet werden kann.
Fallbeispiel 1: Mietvertrag und Gewährträgerhaftung
Ein Student kann aufgrund seines geringen Einkommens keine Mietwohnung finden. Seine Eltern entscheiden sich dazu, als Bürgen für seinen Mietvertrag aufzutreten. Der Mietvertrag enthält eine Klausel, die besagt, dass die Bürgen für alle Verbindlichkeiten des Mieters haften, einschließlich Mietzahlungen und Schäden an der Immobilie. Später kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Mieter und dem Vermieter über die Kaution, da die Wohnung beschädigt wurde. Da die Eltern als Gewährträger für den Mietvertrag fungierten, kann der Vermieter ihre Haftung geltend machen, um die entstandenen Schäden zu decken.
Fallbeispiel 2: Unternehmenskredite und Gewährträgerhaftung
Ein Unternehmer beantragt einen Kredit bei einer Bank, um sein Geschäft zu erweitern. Die Bank verlangt jedoch, dass er einen Gewährträger für den Kredit stellt, um sicherzustellen, dass das Darlehen zurückgezahlt wird, falls der Unternehmer mit den Zahlungen in Verzug gerät. Der Bruder des Unternehmers erklärt sich bereit, als Bürge für den Kredit aufzutreten und unterzeichnet den Bürgschaftsvertrag. Im Verlauf der nächsten Jahre kommt der Unternehmer in finanzielle Schwierigkeiten und kann den Kredit nicht mehr bedienen. Der Bruder kann nun als Bürge in die Pflicht genommen werden und haftet gegenüber der Bank für die ausstehende Schuld.
Fallbeispiel 3: Gewährträgerhaftung und Bürgschaft auf erste Anforderung
Ein Projektentwickler schließt einen Vertrag mit einer Baufirma ab, um ein Wohngebäude zu errichten. Der Vertrag sieht vor, dass die Baufirma eine Bürgschaft auf erste Anforderung für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen stellen muss. Die Baufirma benötigt die Bürgschaft einer Bank, um dieses Sicherungsinstrument ausstellen zu können. Die Bank verlangt im Gegenzug von der Baufirma eine Gegenbürgschaft. Im Laufe des Projekts gerät die Baufirma in finanzielle Schwierigkeiten und kann ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen. Die Bank muss als Bürge aufgrund der Bürgschaft auf erste Anforderung zahlen, kann aber anschließend aufgrund der Gegenbürgschaft von der Baufirma die gezahlte Summe zurückfordern.
Aktuelle Gerichtsurteile zur Gewährträgerhaftung
Um ein besseres Verständnis für die Rechtsprechung im Bereich der Gewährträgerhaftung zu erlangen, betrachten wir einige aktuelle Gerichtsurteile, die sich mit dieser Thematik befassen:
Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26. März 2019 – XI ZR 784/17
In diesem Urteil entschied der BGH, dass eine Bank, die eine Bürgschaft übernimmt, dem Bürgen gegenüber zur Aufklärung über erhebliche Vermögensrisiken verpflichtet ist, wenn sie über besondere Gefährdungen Kenntnis hat und die Bürgschaft überwiegend im Interesse der Bank erteilt wurde. Die Unterlassung solcher Aufklärungspflichten kann zu Schadensersatzansprüchen des Bürgen gegenüber der Bank führen.
Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 21. Februar 2017 – XI ZR 185/16
Der BGH entschied in diesem Fall, dass eine formularmäßige Klausel, die eine selbstschuldnerische Bürgschaft in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vorsieht, unwirksam sein kann, wenn die Bürgschaft unangemessen benachteiligt wird. Diese Grundsätze können auch auf andere Arten von Verträgen Anwendung finden, in denen eine Bürgschaft in AGB vereinbart wird.
Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 16. Januar 2018 – XI ZR 8/17
In diesem Urteil befasste sich der BGH mit der Frage, ob ein Bürgschaftsvertrag durch eine Vertragspartei, die ihre Verpflichtungen aus einem Darlehensvertrag unverhältnismäßig erhöht, ohne die Zustimmung des Bürgen geändert werden kann. Der BGH entschied, dass eine Haftungserweiterung ohne Zustimmung des Bürgen unwirksam ist und der Bürge nicht für die Verbindlichkeiten aus dem geänderten Vertrag haftet.
Häufig gestellte Fragen zur Gewährträgerhaftung
Wie können sich Bürgen vor Haftung schützen?
Bürgen können sich vor einer Haftung schützen, indem sie:
- genau prüfen, für welche Verbindlichkeiten sie haften;
- sich über die Bonität und Zuverlässigkeit des Hauptschuldners informieren;
- bei Bedenken mit dem Gläubiger verhandeln, um den Umfang der Bürgschaft einzuschränken;
- gegebenenfalls auf eine Ausfallbürgschaft bestehen;
- schriftliche Vereinbarungen über die Bürgschaft treffen, um Unklarheiten und Streitigkeiten zu vermeiden;
- und sich von einem erfahrenen Anwalt beraten lassen, um ihre Rechte und Pflichten besser zu verstehen.
Kann eine Bürgschaft widerrufen werden?
Grundsätzlich kann eine einmal übernommene Bürgschaft nicht einseitig widerrufen werden. Allerdings gibt es bestimmte Umstände, unter denen ein Bürge seine Bürgschaft beenden kann, wie zum Beispiel:
- bei einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners;
- wenn der Hauptschuldner seine vertraglichen Verpflichtungen gravierend verletzt;
- bei einer unzumutbaren Verlängerung der Laufzeit des Hauptvertrags;
- oder wenn der Gläubiger die Rechte des Bürgen in erheblichem Maße verletzt.
In solchen Fällen sollte der Bürge rechtliche Beratung einholen, um seine Möglichkeiten zur Beendigung der Bürgschaft zu prüfen.
Welche Rechte hat ein Bürge gegenüber dem Hauptschuldner?
Ein Bürge hat in der Regel gegenüber dem Hauptschuldner ein sogenanntes Rückgriffsrecht (§ 774 BGB). Dies bedeutet, dass der Bürge, wenn er aufgrund der Bürgschaft Zahlungen geleistet hat, vom Hauptschuldner die Erstattung dieser Zahlungen verlangen kann. Der Bürge hat auch das Recht, Sicherheiten vom Hauptschuldner zu verlangen oder in Anspruch zu nehmen, falls solche mit dem Hauptvertrag verbunden sind (§ 771 BGB).
Wie ist die Haftung des Bürgen bei mehreren Bürgen geregelt?
Wenn mehrere Bürgen für ein und dieselbe Verbindlichkeit haften, haften sie grundsätzlich gesamtschuldnerisch (§ 768 BGB). Das bedeutet, dass jeder Bürge für die gesamte Verbindlichkeit haftet. Nachdem ein Bürge jedoch gezahlt hat, kann er von den anderen Bürgen anteiligen Ausgleich nach den Grundsätzen der Gesamtschuld (§§ 421 ff. BGB) verlangen. Wenn im Bürgschaftsvertrag nichts Gegenteiliges vereinbart ist, haften die Bürgen anteilsmäßig nach der Anzahl der Bürgen.
Kann eine Bank bei einer Bürgschaft unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen verwenden?
Durch die Verwendung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen können Bürgschaften unwirksam sein und somit die Haftung der Bürgen beenden, wie beispielsweise in Fällen, in denen sie unangemessen benachteiligt sind (siehe oben genanntes Beispiel in Abschnitt 3.2). Bei solchen Bedenken sollte ein Bürge rechtlichen Beistand suchen, um seine Möglichkeiten zu prüfen.
Zusammenfassung und Fazit
Die Gewährträgerhaftung ist ein komplexes Rechtsgebiet, das sowohl für Gläubiger als auch für Bürgen entscheidende Konsequenzen haben kann. Durch ein umfassendes Verständnis der anwendbaren Gesetze, praktischer Beispiele und aktueller Gerichtsurteile können sich Betroffene besser auf mögliche Probleme vorbereiten und ihre rechtlichen Risiken minimieren.
Im Falle einer Gewährträgerhaftung sollten Bürgen die Risiken, die mit einer Bürgschaft verbunden sind, sorgfältig abwägen und sich im Zweifel rechtlich beraten lassen. Gläubiger wiederum sollten sich der rechtlichen Verantwortlichkeiten bewusst sein, die sich aus einem Bürgschaftsvertrag ergeben, und angemessene Verfahren zur Durchsetzung ihrer Ansprüche gegenüber den Bürgen einhalten.
Indem man sich umfassend über die Gewährträgerhaftung informiert und die entsprechenden rechtlichen Aspekte berücksichtigt, lassen sich potenzielle Fallstricke vermeiden und die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Ausgangs für alle Beteiligten erhöhen.
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