Wenn Sie oder jemand, den Sie kennen, verhaftet und in Untersuchungshaft genommen wurde, kann das eine äußerst beunruhigende Zeit für die Betroffenen und ihre Familien sein. In solchen Situationen steht Ihnen die Haftprüfung als Verfahren zur Verfügung. Aber was genau bedeutet das, welche Rechte haben Sie dabei und wie kann ein erfahrener Rechtsanwalt Ihnen helfen? In diesem umfassenden Blog-Beitrag werden wir diese Fragen behandeln und Ihnen alle notwendigen Informationen zur Verfügung stellen, um Ihnen zu helfen, sich auf das Haftprüfungsverfahren vorzubereiten und Ihre Interessen zu schützen.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung: Was ist Haftprüfung?

Die Haftprüfung ist ein gerichtliches Verfahren, bei dem die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung eines Beschuldigten überprüft wird. Dabei wird insbesondere untersucht, ob die Voraussetzungen für die Anordnung bzw. Fortdauer der Untersuchungshaft vorliegen und ob der Haftbefehl aufrechterhalten oder aufgehoben oder eine weniger einschneidende Maßnahme angewendet werden kann. Die Haftprüfung ist ein wichtiges Instrument des Rechtsschutzes, da sie sicherstellt, dass das Recht auf Freiheit der Person, welches durch das Grundgesetz garantiert wird, nicht unnötig beschränkt wird.

Grundrechte: Rechte der Betroffenen im Haftprüfungsverfahren

Die im Haftprüfungsverfahren geltenden Grundrechte sind im Grundgesetz und in den entsprechenden Strafprozessordnungen verankert. Dazu zählen unter anderem:

  • Das Recht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 GG)
  • Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG)
  • Das Recht auf rechtliches Gehör (§ 33a StPO)
  • Das Recht auf Verteidigung (§ 137 StPO)
  • Die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK)

Im Rahmen des Haftprüfungsverfahrens haben die Betroffenen das Recht:

  • einen Antrag auf Haftprüfung zu stellen (§ 117 Abs. 1 StPO)
  • sich über die Gründe der Untersuchungshaft zu informieren (§ 114 Abs. 2 StPO)
  • einen Pflichtverteidiger zugewiesen zu bekommen, falls noch kein Vertreter gewählt wurde (§ 141 StPO)
  • Anwesenheit bei der mündlichen Verhandlung vor Gericht (§ 118 Abs. 3 StPO)
  • Beweisanträge zu stellen, Zeugen zu benennen und Beweismittel vorzubringen (§§ 244, 245 StPO)

Gesetzliche Regelungen der Haftprüfung

Die gesetzlichen Grundlagen für das Haftprüfungsverfahren finden sich hauptsächlich in den §§ 112 ff. und 117 ff. der Strafprozessordnung (StPO). Darin sind die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft, die Rechte der Betroffenen, der Ablauf des Verfahrens und die Rechtsmittel gegen die Entscheidungen des Gerichts geregelt.

Einige weitere gesetzliche Regelungen, die im Haftprüfungsverfahren bedeutend sein können, sind:

  • Die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)
  • Das Recht auf Freilassung gegen Sicherheitsleistung gemäß § 116 StPO
  • Die zeitlichen Vorgaben für die Haftprüfung (§ 117 Abs. 3 StPO)
  • Die Anordnung von Untersuchungshaft bei besonders schweren Delikten (§ 112a StPO)

Haftgründe: Warum kommt es zur Untersuchungshaft?

Gemäß § 112 StPO kann ein Beschuldigter in Untersuchungshaft genommen werden, wenn ein dringender Tatverdacht und ein Haftgrund vorliegen. Ein dringender Tatverdacht besteht, wenn aufgrund der vorhandenen Beweise eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfene Straftat begangen hat.

Es gibt vier mögliche Haftgründe, die zur Anordnung der Untersuchungshaft führen können:

  1. Fluchtgefahr: Wenn aufgrund bestimmter Umstände anzunehmen ist, dass der Beschuldigte versuchen wird, sich dem Strafverfahren zu entziehen (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO).
  2. Fluchtverdacht: Wenn der Beschuldigte keine ausreichenden Bindungen in Deutschland hat und daher die Gefahr besteht, dass er sich ins Ausland absetzt (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO).
  3. Verdunkelungsgefahr: Wenn der Beschuldigte versucht hat oder versuchen könnte, Beweismittel zu vernichten, zu verändern, beiseitezuschaffen oder auf andere Weise den Strafverfolgungsbehörden zu entziehen (§ 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO).
  4. Wiederholungsgefahr: Wenn aufgrund bestimmter Umstände anzunehmen ist, dass der Beschuldigte weitere erhebliche Straftaten begehen wird (§ 112a StPO).

Es muss betont werden, dass eine bloße Vermutung oder abstrakte Gefahr nicht ausreicht, um einen Haftgrund zu begründen. Vielmehr muss das Gericht auf der Grundlage der konkreten Umstände des Einzelfalls davon überzeugt sein, dass ein hinreichendes Risiko für das Eintreten des jeweiligen Haftgrundes besteht.

Das Haftprüfungsverfahren im Detail

Das Haftprüfungsverfahren gliedert sich in mehrere Schritte. Nachfolgend finden Sie eine detaillierte Beschreibung des Ablaufs:

  1. Antrag auf Haftprüfung: Gemäß § 117 Abs. 1 StPO kann der Beschuldigte jederzeit einen Antrag auf Haftprüfung stellen. Die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag liegt beim zuständigen Ermittlungsrichter oder beim örtlich zuständigen Amtsgericht (§ 126a StPO).
  2. Aktenvorlage: Nach Eingang des Antrags fordert das Gericht die Akten von der Staatsanwaltschaft an, um eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können. Die Staatsanwaltschaft hat dabei Gelegenheit, Stellung zum Antrag zu nehmen.
  3. Prüfung des Haftbefehls: Das Gericht prüft anhand der Akten und gegebenenfalls aufgrund einer mündlichen Verhandlung, ob die Voraussetzungen für den Erlass oder die Aufrechterhaltung des Haftbefehls vorliegen. Hierbei kann das Gericht entweder von Amts wegen oder auf Antrag Beweisanträge der Verteidigung berücksichtigen.
  4. Entscheidung über den Antrag: Nach der Prüfung entscheidet das Gericht über den Antrag. Es kann den Haftbefehl aufrechterhalten, in Bezug auf einzelne Vorwürfe aufheben oder den Beschuldigten gegen Auflagen oder Sicherheitsleistungen (Kaution) freilassen (§§ 116, 117 StPO).
  5. Rechtsmittel: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann der Beschuldigte oder die Staatsanwaltschaft Beschwerde einlegen. Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist das nächst höhere Gericht (§§ 304 ff. StPO).

Aktuelle Rechtsprechung zum Haftprüfungsverfahren

Die Rechtsprechung zum Haftprüfungsverfahren entwickelt sich ständig weiter und bietet wichtige Leitlinien und Orientierungspunkte für die Praxis. Nachstehend möchten wir Ihnen einige aktuelle Entscheidungen vorstellen, die für das Haftprüfungsverfahren von Bedeutung sind:

  1. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 30.07.2019, Az. StB 5/19: Der BGH hat entschieden, dass die Dauer der Untersuchungshaft in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zur zu erwartenden Strafe stehen muss. In dem konkreten Fall hatte das Gericht die Untersuchungshaft nach einer Gesamtdauer von 17 Monaten bei einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von drei Jahren aufgehoben.
  2. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 20.02.2020, Az. 2 BvR 2628/18: Das BVerfG hat klargestellt, dass der Ermittlungsrichter die Ermessensentscheidung über Sicherheitsleistungen (Kaution) nicht allein aufgrund einer starren Werttabelle treffen darf. Vielmehr muss der Richter die Höhe der Sicherheitsleistung anhand der finanziellen Situation des Beschuldigten und anderer Umstände des Einzelfalls bemessen.
  3. Oberlandesgericht (OLG) München, Beschluss vom 23.07.2020, Az. 2 Ws 916/20: Das OLG hat entschieden, dass die bloße Mitgliedschaft in einer rockerähnlichen Vereinigung nicht ausreicht, um eine Fluchtgefahr zu begründen. Vielmehr bedarf es konkreter Anknüpfungspunkte, die zeigen, dass der Betroffene tatsächlich fluchtgefährdet ist.

Die Rolle des Anwalts im Haftprüfungsverfahren

Die Beauftragung eines erfahrenen und engagierten Rechtsanwalts im Haftprüfungsverfahren kann entscheidend für den Erfolg Ihrer Sache sein. Ein Rechtsanwalt kann Ihnen in folgenden Bereichen helfen:

  • Prüfung der Rechtmäßigkeit des Haftbefehls
  • Einleitung des Haftprüfungsverfahrens und Stellung des Antrags beim zuständigen Gericht
  • Vertretung Ihrer Interessen vor Gericht und Geltendmachung Ihrer Rechte als Betroffener
  • Erarbeitung von Verteidigungsstrategien und Einbringung relevanter Beweismittel
  • Verhandlung von Sicherheitsleistungen oder sonstigen milderen Maßnahmen für Ihre Freilassung
  • Beratung und Unterstützung bei Rechtsmitteln gegen gerichtliche Entscheidungen (z.B. Beschwerde)

Ein versierter Rechtsanwalt, der sich auf das Haftprüfungsverfahren spezialisiert hat, wird in der Lage sein, effektiv und zielgerichtet für Ihre Rechte einzutreten und Ihre Chancen auf eine günstige Entscheidung zu erhöhen.

FAQ zur Haftprüfung

Nachfolgend finden Sie Antworten auf einige der häufigsten Fragen zum Haftprüfungsverfahren:

  1. Kann ich als Betroffener jederzeit einen Antrag auf Haftprüfung stellen? Ja, gemäß § 117 Abs. 1 StPO können Sie jederzeit einen Antrag auf Haftprüfung stellen, unabhängig davon, ob sich die Sachlage seit dem Erlass oder der letzten Prüfung des Haftbefehls geändert hat.
  2. Wie lange dauert das Haftprüfungsverfahren? Die Strafprozessordnung sieht keine konkrete Frist für die Dauer des Haftprüfungsverfahrens vor. Allerdings muss das Gericht gemäß § 117 Abs. 3 StPO im Falle eines begründeten Antrags unverzüglich über den Antrag entscheiden. Die Dauer des Verfahrens kann je nach Umfang und Komplexität der Sache variieren.
  3. Welche Rechtsmittel stehen mir gegen eine ablehnende Entscheidung im Haftprüfungsverfahren zur Verfügung? Sie können gegen die ablehnende Entscheidung Beschwerde gemäß §§ 304 ff. StPO einlegen. Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist das nächst höhere Gericht.
  4. Wie oft kann ich einen Antrag auf Haftprüfung stellen? Grundsätzlich gibt es keine Begrenzung für die Anzahl der Anträge, die Sie stellen können. Jedoch sollten Sie beachten, dass das Gericht einen erneuten Antrag auf Haftprüfung möglicherweise nur dann in Betracht zieht, wenn sich die Sachlage seit dem letzten Antrag verändert hat oder neue Beweismittel vorliegen.

Fazit zur Haftprüfung

Das Haftprüfungsverfahren ist ein grundlegendes Rechtsinstitut, das dazu dient, die Rechte der Betroffenen in Untersuchungshaft effektiv zu schützen. Die Gründe für die Untersuchungshaft und der rechtliche Rahmen für das Verfahren sind jedoch komplex und erfordern ein umfassendes juristisches Verständnis.

Ein erfahrener Rechtsanwalt unterstützt Sie dabei, Ihre Rechte als Betroffener im Haftprüfungsverfahren umfassend geltend zu machen, aussagekräftige Beweismittel vorzubringen und sich gegen unberechtigte Haftbefehle zur Wehr zu setzen. Gerade in solchen emotional belastenden Situationen ist es wichtig, sich auf die Expertise eines kompetenten Anwalts verlassen zu können, der Ihnen beratend und verteidigend zur Seite steht. So haben Sie die besten Chancen, eine günstige Entscheidung im Haftprüfungsverfahren zu erreichen und Ihre Grundrechte auf Freiheit und faires Verfahren zu wahren.

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