Als erfahrene Anwaltskanzlei haben wir bereits viele Mandanten bei Fragen rund um das Immobilienrecht unterstützt. Ein Thema, das in letzter Zeit immer häufiger aufgetaucht ist, betrifft die zunehmende Anzahl von verfallenen Immobilien in Deutschland und die Frage, ob es legal ist, eine Immobilie verfallen zu lassen. In diesem Blog-Beitrag beleuchten wir die rechtliche Seite dieser Fragestellung und befassen uns insbesondere mit folgenden Punkten:
- Vorschriften und Gesetze
- Gerichtsurteile
- Rechtliche Konsequenzen
- Häufig gestellte Fragen (FAQs)
Gesetze, die das Verfallenlassen von Immobilien betreffen
Um die Frage, ob es legal ist, eine Immobilie in Deutschland verfallen zu lassen, beantworten zu können, ist es wichtig, sich mit den entsprechenden gesetzlichen Regelungen vertraut zu machen. Im Folgenden sind einige der wichtigsten Gesetze aufgeführt, die einen direkten oder indirekten Einfluss auf diese Fragestellung haben:
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
- Baurecht und Bodenordnung (BBR)
- Denkmalschutzgesetz (DSchG)
- Ordnungsbehördengesetz (OBG)
- Gemeindeordnung (GO)
- Landesbauordnungen (LBO)
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Das BGB regelt unter anderem das sogenannte „Eigentum“ im Allgemeinen. Immobilien sind ein Teil des Eigentums und werden vom BGB in verschiedenen Paragraphen behandelt. Ein besonders relevanter § für das Verfallenlassen von Immobilien ist § 903 BGB, der die Selbstbestimmungsrechte von Eigentümern regelt:
§ 903 BGB: Befugnisse des Eigentümers
Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten.
Der § 903 BGB gibt dem Eigentümer grundsätzlich das Recht, mit seinem Eigentum nach Belieben zu verfahren. Dies bedeutet aber nicht, dass er seine Immobilie ohne Weiteres verfallen lassen darf, denn das Gesetz schränkt dieses Recht in anderen Regelungen und Gesetzen ein.
Baurecht und Bodenordnung (BBR)
Das Baurecht und die Bodenordnung (BBR) sind Teil der öffentlich-rechtlichen Bestimmungen, die das Bauen und Instandhalten von Immobilien regeln. Das BBR ist in verschiedene Gesetze und Verordnungen unterteilt, die sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene gelten. Einige dieser Regelungen betreffen explizit den Umgang mit Immobilieneigentum und die Pflicht zur Instandhaltung:
- Bauplanungsrecht (z. B. das Baugesetzbuch (BauGB))
- Bauordnungsrecht (z. B. die Landesbauordnungen (LBO) der einzelnen Bundesländer)
Denkmalschutzgesetz (DSchG)
Das Denkmalschutzgesetz (DSchG) regelt den Schutz von Kulturdenkmälern und hat in einigen Fällen auch Einfluss darauf, ob eine Immobilie verfallen gelassen werden darf oder nicht. Denn gemäß § 6 Abs. 1 DSchG sind Eigentümer von Kulturdenkmälern verpflichtet, diese zu erhalten und vor Schäden zu schützen. Das Verfallenlassen solcher Immobilien kann daher gegen das DSchG verstoßen und rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Ordnungsbehördengesetz (OBG) und Gemeindeordnung (GO)
Sowohl das OBG als auch die Gemeindeordnungen (GO) der einzelnen Bundesländer enthalten Regelungen zur Gefahrenabwehr und zur Sicherheit und Ordnung im Gemeindegebiet. Hierzu gehört unter anderem auch die Pflicht, Immobilien in einem ordnungsgemäßen Zustand zu halten und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu verhindern. Ein verfallenes Gebäude kann unter Umständen als Gefahr eingestuft werden, was entsprechende Maßnahmen der zuständigen Behörden oder Gemeinden zur Folge haben kann.
Relevante Gerichtsurteile zum Verfallenlassen von Immobilien
Es gibt verschiedene Gerichtsurteile, die sich indirekt oder direkt mit der Frage auseinandersetzen, ob es legal ist, eine Immobilie verfallen zu lassen. Einige dieser Urteile sind im Folgenden aufgeführt:
- Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 27.11.2014, Az. 7 C 25.13: In diesem Fall ging es um die Frage, ob die Anordnung einer Nutzungsuntersagung und die Verpflichtung zur Beseitigung von baurechtlichen Mängeln zulässig ist. Das Gericht entschied, dass Eigentümer verpflichtet sind, die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der Mängel zu ergreifen, um eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verhindern.
- Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.11.2017, Az. 6 A 11190/17: In diesem Fall verpflichtete das Gericht den neubeschäftigten Eigentümer eines denkmalgeschützten Gebäudes zu dessen Instandsetzung, da die Gefahr bestand, dass durch eine weitere Verwahrlosung der Denkmalswert verloren geht.
- Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen, Urteil vom 12.03.2015, Az. 17 K 2929/14: Hier entschied das Gericht, dass die Kosten für die Beseitigung von Baurechtsmängeln in einem verfallenen Gebäude vom Eigentümer zu tragen sind, da dieser die Pflicht zur Instandhaltung und Gefahrenabwehr hat.
Die aufgeführten Gerichtsurteile zeigen, dass das Verfallenlassen von Immobilien durchaus rechtliche Konsequenzen haben kann. Es können sowohl ordnungsrechtliche Maßnahmen als auch die Auferlegung von Kosten für die Beseitigung von Mängeln und die Instandhaltung zur Folge haben.
Rechtliche Konsequenzen des Verfallenlassens von Immobilien in Deutschland
Aus den dargestellten Gesetzen und Gerichtsurteilen ergeben sich verschiedene rechtlichen Konsequenzen, die das Verfallenlassen von Immobilien in Deutschland nach sich ziehen kann. Diese können sich in erster Linie in folgenden Aspekten zeigen:
- Verpflichtung zur Instandhaltung und Beseitigung von Mängeln
- Kostentragung für ordnungsrechtliche Maßnahmen und/oder denkmalschutzrechtliche Maßnahmen
- Verpflichtung zur Beseitigung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung
Darüber hinaus kann das Verfallenlassen von Immobilien auch indirekte rechtliche Konsequenzen haben, die im Einzelfall betrachtet werden müssen. Dazu können unter anderem zivilrechtliche Ansprüche, Haftungsfragen oder steuerliche Aspekte gehören.
Häufig gestellte Fragen (FAQs)
Im Folgenden beantworten wir einige häufig gestellte Fragen zum Thema Verfallenlassen von Immobilien in Deutschland:
Ist es generell verboten, eine Immobilie verfallen zu lassen?
Nein, ein generelles Verbot gibt es nicht. Allerdings sind Eigentümer dazu verpflichtet, ihre Immobilien instand zu halten und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu verhindern. Kommt der Eigentümer dieser Verpflichtung nicht nach, können ordnungsrechtliche Maßnahmen oder Kostenauflagen die Folge sein.
Was passiert, wenn ich meine Immobilie verfallen lasse und diese zu einer Gefahr für andere wird?
Wenn eine verfallene Immobilie zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung wird, kann die zuständige Behörde oder Gemeinde entsprechende Maßnahmen ergreifen, um diese Gefahr abzuwehren. Dies kann die Verpflichtung zur Durchführung von Sicherungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen oder die Tragung von Kosten für bereits durchgeführte Maßnahmen beinhalten.
Kann ich meine verfallene Immobilie einfach abreißen?
Grundsätzlich ist ein Abriss von Immobilien nicht ohne Weiteres erlaubt. Dafür ist in der Regel eine Abrissgenehmigung der zuständigen Baubehörde erforderlich. Außerdem müssen beim Abriss von denkmalgeschützten Objekten die denkmalschutzrechtlichen Bestimmungen beachtet werden, die einen Abriss in vielen Fällen erschweren oder sogar verbieten.
Was passiert, wenn ich eine denkmalgeschützte Immobilie verfallen lasse?
Eigentümer von denkmalgeschützten Immobilien sind laut Denkmalschutzgesetz zur Erhaltung und Pflege ihrer Objekte verpflichtet. Wenn diese Pflicht verletzt wird, kann die zuständige Denkmalschutzbehörde entsprechende Maßnahmen anordnen oder sogar Zwangsgelder verhängen, um eine ordnungsgemäße Instandhaltung sicherzustellen.
Müssen Mieter eine verfallene Immobilie weiterhin nutzen?
Wenn eine Immobilie in einem so schlechten Zustand ist, dass eine Nutzung nicht mehr zumutbar ist oder sogar gesundheitsgefährdend wird, können Mieter unter Umständen Anspruch auf Mietminderung haben oder das Mietverhältnis fristlos kündigen. Diese Entscheidung muss jedoch im Einzelfall und in Abhängigkeit von den konkreten Umständen getroffen werden.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Verfallenlassen von Immobilien in Deutschland rechtlich nicht generell verboten ist, jedoch mit einer Vielzahl von rechtlichen Konsequenzen und Verpflichtungen verbunden sein kann. Insbesondere die Pflicht zur Instandhaltung und Gefahrenabwehr kann zu kostenintensiven Maßnahmen führen, die von den Eigentümern zu tragen sind. Daher empfiehlt es sich, sich über die rechtlichen Rahmenbedingungen und Folgen im Klaren zu sein und gegebenenfalls rechtlichen Rat einzuholen, bevor man eine Immobilie verfallen lässt.
Bei weiteren Fragen zum Thema Immobilienverfall oder anderen rechtlichen Themen stehen wir Ihnen als erfahrene Anwaltskanzlei gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns, um einen persönlichen Beratungstermin zu vereinbaren.
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