Die Innovationspartnerschaft ist ein besonderes Ausschreibungsverfahren, bei dem sich Unternehmen in einer öffentlich-privaten Partnerschaft mit öffentlichen Auftraggebern zusammentun, um innovative Lösungen gemeinsam zu entwickeln und zum öffentlichen Nutzen zu bringen. In diesem umfangreichen Artikel erklären wir die rechtlichen Grundlagen, zeigen ihre Chancen und Risiken auf und geben einen Einblick in relevante Rechtsprechung, Gesetze und Praxisbeispiele.

Inhaltsverzeichnis

Rechtsgrundlagen der Innovationspartnerschaft

Die Innovationspartnerschaft ist ein relativ neuer Rechtsbegriff, der durch die EU-Vergaberichtlinie 2014/24/EU eingeführt wurde. Die Vorschriften dieser Richtlinie wurden in Deutschland durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die Vergabeverordnung (VgV) und die Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A) umgesetzt. Die grundlegenden Regelungen finden sich insbesondere in § 109 GWB, § 14 VgV und § 49 VOL/A.

Die Innovationspartnerschaft darf nur für die Entwicklung und den anschließenden Erwerb von innovativen Leistungen angewendet werden, die noch nicht am Markt verfügbar sind und die Anforderungen der öffentlichen Einrichtung erfüllen. Dabei können die beteiligten Unternehmen und öffentlichen Auftraggeber in einem gemeinsamen Entwicklungsprozess Synergieeffekte nutzen und partnerschaftlich innovative Ideen verwirklichen.

Verfahren und Ablauf einer Innovationspartnerschaft

Die Innovationspartnerschaft ist ein zweiseitiges Vergabeverfahren, welches EFRE-geförderte vergaberechtliche Regelungen einhalten muss. Das Verfahren läuft im Grundsatz wie folgt ab:

  1. Ausschreibung der Innovationspartnerschaft: Der öffentliche Auftraggeber schreibt die Innovationspartnerschaft in einem ein- oder mehrstufigen Verfahren aus und legt die Ziele und Inhalte der Partnerschaft sowie die Mindestanforderungen an die Innovationen fest.
  2. Teilnahmewettbewerb: Die interessierten Unternehmen reichen ihre Teilnahmeanträge ein, in denen sie ihre Eignung und Leistungsfähigkeit für die Entwicklung der geforderten Innovation darlegen. Der öffentliche Auftraggeber prüft diese Anträge und wählt geeignete Unternehmen für das weitere Verfahren aus.
  3. Verhandlungen und Vergabeentscheidung: Die Unternehmen entwickeln gemeinsam mit dem Auftraggeber die innovativen Leistungen und werden dabei im Rahmen von Verhandlungen unterstützt. Findet der Auftraggeber ein Unternehmen, das seine Anforderungen am besten erfüllt, vergibt er die Innovationspartnerschaft an dieses Unternehmen.
  4. Entwicklung und Erwerb: Innerhalb der Innovationspartnerschaft erbringt das Unternehmen die vereinbarten Entwicklungsleistungen und übergibt die Innovationen im Anschluss an den Auftraggeber. In dieser Phase kann auch eine kontinuierliche Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung stattfinden.
  5. Abschluss der Innovationspartnerschaft: Die Innovationspartnerschaft endet automatisch, wenn der Auftraggeber alle vereinbarten Leistungen abgenommen und die Innovationen erworben hat.

Während des gesamten Verfahrens müssen die EU-Vergabegrundsätze beachtet werden, insbesondere die Grundsätze der Transparenz, Gleichbehandlung und Wettbewerb.

Chancen und Potenziale

Die Innovationspartnerschaft als neues Vergabeinstrument bietet viele Chancen und Vorteile für Unternehmen und öffentliche Auftraggeber:

  • Öffentliche Auftraggeber erhalten Zugang zu innovativen Lösungen, die ihre individuellen Anforderungen erfüllen und einen Mehrwert für die öffentliche Hand bieten.
  • Unternehmen erhalten die Möglichkeit, ihre Innovationskraft in Zusammenarbeit mit öffentlichen Partnern zu demonstrieren, ihre Produkte und Leistungsfähigkeit weiterzuentwickeln und neue Referenzprojekte zu gewinnen.
  • Innovationspartnerschaften ermöglichen eine effiziente, partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und öffentlichen Auftraggebern, die von einer gemeinsamen Entwicklungsarbeit und der effizienten Nutzung von Ressourcen profitieren können.
  • Sie ermöglichen eine flexible Vertragsgestaltung, die den sich ändernden Bedürfnissen und Anforderungen der Partner gerecht werden kann.
  • Die Innovationspartnerschaft fördert Wettbewerb und Gleichbehandlung von kleineren und mittelständischen Unternehmen, die sich an der Entwicklung von Innovationen beteiligen möchten.

Risiken und Schwierigkeiten

Trotz der vielen Chancen und Vorteile können auch Risiken und Schwierigkeiten auftreten:

  • Die Umsetzung in der rechtlichen Praxis ist noch sehr jung, wodurch Rechtsunsicherheiten in Bezug auf die konkrete Ausgestaltung und Handhabung des Verfahrens bestehen können.
  • Im Rahmen der Innovationspartnerschaft müssen komplexe Verträge ausgearbeitet werden, die eine genaue Abstimmung der Rechte und Pflichten, Risiken und Haftungsfragen sowie Vergütung und Leistungsanforderungen zwischen den Partnern erfordern.
  • Sie ist ein aufwändiges und langwieriges Verfahren, das sowohl für die öffentliche Hand als auch für die beteiligten Unternehmen hohe Kosten und zeitliche Belastungen verursachen kann.
  • Es kann zu Interessenkonflikten und unklaren Zuständigkeiten zwischen den beteiligten Partnern kommen, die eine effiziente Zusammenarbeit und den Erfolg der Partnerschaft gefährden können.
  • In einigen Branchen kann es zur Verzerrung des Wettbewerbs und zu Benachteiligungen von Unternehmen kommen, die nicht an Innovationspartnerschaften teilnehmen oder diese nicht gewinnen können.

Aktuelle Rechtsprechung und Beispiele

Aktuelle Rechtsprechungen sind noch überschaubar, aber es gibt erste interessante Einblicke in die Umsetzung dieses Instruments:

  1. Die Vergabekammern (VK) sind in Deutschland die zuständigen Prüfungs- und Kontrollinstanzen für Innovationspartnerschaften. Ein beachtenswerter Fall ist die Entscheidung der VK Südbayern vom 27.06.2018 (Az. Z3-3-3194-1-19-03/18), in der die Kammer die erforderliche Transparenz beim Abschluss der Innovationspartnerschaft betont hat und die Notwendigkeit einer ausreichend präzisen Leistungsbeschreibung hervorhebt.
  2. Im Juli 2019 hat die VK Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 09.07.2019, Az. VK 2/19) entschieden, dass eine fehlgeschlagene Innovationspartnerschaft nicht automatisch zur Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens für dieselbe Leistung führen muss. Vielmehr können öffentliche Auftraggeber bei Vorliegen besonderer Gründe auch auf andere Verfahren, wie z. B. den offenen oder nicht offenen Verfahren, zurückgreifen.

Es gibt auch bereits verschiedene Praxisbeispiele, in denen sie erfolgreich angewendet wurde:

  • Das Land Hessen hat 2017 die erste Innovationspartnerschaft in Deutschland geschlossen. Im Rahmen dieser Partnerschaft entwickeln die beteiligten Unternehmen innovative Lösungen für den flächendeckenden Breitbandausbau in ländlichen Gebieten.
  • In einer weiteren Innovationspartnerschaft arbeiten öffentliche und private Partner seit 2018 gemeinsam an der Entwicklung eines innovativen Abrechnungssystems für den öffentlichen Nahverkehr, welches auf einer Blockchain-Technologie basiert und eine benutzerorientierte, einfache und transparente Abwicklung ermöglichen soll.
  • In einem aktuellen Projekt kooperieren mehrere Universitätskliniken und Medizintechnikunternehmen in einer Innovationspartnerschaft zur Entwicklung und Implementierung eines digitalen Versorgungspfades in der Onkologie.

Fazit: Innovationspartnerschaft als Chance für Unternehmen

Die Innovationspartnerschaft ist ein innovatives Verfahren, das Unternehmen und öffentlichen Auftraggebern ermöglicht, gemeinsam innovative Lösungen zu entwickeln und zu verwirklichen. Trotz der damit verbundenen rechtlichen Herausforderungen und Risiken bietet sie große Chancen und Potenziale für Unternehmen, insbesondere in Bezug auf die Zusammenarbeit mit öffentlichen Partnern, die Erschließung neuer Märkte und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Die erfolgreiche Umsetzung erfordert jedoch eine fundierte Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen, eine sorgfältige Planung und Vertragsgestaltung sowie die Bereitschaft, Flexibilität und Offenheit für dieses anspruchsvolle Verfahren mitzubringen.

FAQ: Häufig gestellte Fragen

Was ist eine Innovationspartnerschaft?

Die Innovationspartnerschaft ist ein öffentlich-privates Ausschreibungsverfahren, bei dem öffentliche Auftraggeber und Unternehmen gemeinsam innovative Lösungen entwickeln und anschließend erwerben können.

Welche rechtlichen Regelungen gelten für Innovationspartnerschaften?

Die grundlegenden Regelungen zur Innovationspartnerschaft finden sich in § 109 GWB, § 14 VgV und § 49 VOL/A. Sie basieren auf der EU-Vergaberichtlinie 2014/24/EU.

Wie läuft das Verfahren einer Innovationspartnerschaft ab?

Das Verfahren umfasst mehrere Phasen, beginnend mit der Ausschreibung der Innovationspartnerschaft, über den Teilnahmewettbewerb und Verhandlungen bis hin zur Entwicklung, Erwerb und Abschluss der Partnerschaft.

Welche Chancen bietet eine Innovationspartnerschaft?

Sie ermöglicht Unternehmen und öffentlichen Auftraggebern, innovative Lösungen gemeinsam zu entwickeln, Synergien zu nutzen und neue Märkte zu erschließen. Unternehmen können ihre Innovationskraft unter Beweis stellen und ihre Markt- und Wettbewerbsposition stärken.

Welche Risiken sind mit einer Innovationspartnerschaft verbunden?

Zu den Risiken gehören Rechtsunsicherheiten, hoher Aufwand und Kosten, komplexe Vertragsgestaltung, Interessenkonflikte und mögliche Wettbewerbsverzerrungen.

Gibt es bereits Beispiele für erfolgreiche Innovationspartnerschaften?

Ja, es gibt bereits Praxisbeispiele in verschiedenen Branchen, wie z. B. im Breitbandausbau, im öffentlichen Nahverkehr und in der medizinischen Versorgung.

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