In unserer globalisierten Welt ist es nicht ungewöhnlich, dass Menschen im Laufe ihres Lebens in verschiedenen Ländern leben, arbeiten und Vermögen aufbauen. Diese Internationalisierung führt zu einer wachsenden Anzahl von grenzüberschreitenden Erbfällen, bei denen das Erbe eines Verstorbenen Vermögenswerte in mehreren Ländern umfasst.
In diesem Blog-Beitrag wollen wir die Besonderheiten des internationalen Erbrechts untersuchen und klären, wie Betroffene ihre Rechte bei grenzüberschreitenden Erbfällen wahren können.
Inhaltsverzeichnis
- Rechtsgrundlagen des internationalen Erbrechts
- Zuständigkeit: Welches Gericht entscheidet?
- Anwendbares Recht: Welches Recht gilt?
- Die Europäische Erbrechtsverordnung
- Testamentarische Verfügungen im internationalen Kontext
- Erbschaftssteuer bei grenzüberschreitenden Erbfällen
- Praktische Tipps für Betroffene
- FAQ: Häufig gestellte Fragen
- Internationales Erbrecht: Zusammenfassung
Rechtsgrundlagen des internationalen Erbrechts
Bevor wir uns den Besonderheiten grenzüberschreitender Erbfälle widmen, ist es wichtig, die Rechtsgrundlagen des internationalen Erbrechts zu verstehen. Grundsätzlich gibt es in jedem Land eigene Regelungen zum Erbrecht, die sowohl materielle als auch formelle Aspekte betreffen. Im internationalen Kontext ist es daher von entscheidender Bedeutung, die folgenden Fragen zu klären:
- Welches Gericht ist für den Erbfall zuständig?
- Welches Recht ist auf den Erbfall anwendbar?
Die Antworten auf diese Fragen sind keineswegs einheitlich, da sie von verschiedenen Faktoren abhängen, wie zum Beispiel dem Wohnsitz des Erblassers, der Art und Lage der Vermögenswerte und den Regelungen in den betroffenen Ländern. Im Folgenden werden wir diese Aspekte im Detail untersuchen.
Zuständigkeit: Welches Gericht entscheidet?
Die Frage der Zuständigkeit ist von zentraler Bedeutung, wenn es darum geht, welche Gerichte für die Abwicklung eines grenzüberschreitenden Erbfalls zuständig sind. In vielen Fällen können die Gerichte mehrerer Länder zuständig sein, was zu komplexen und langwierigen Verfahren führen kann.
Grundsätzlich richtet sich die Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes. Dies bedeutet, dass in der Regel die Gerichte desjenigen Landes zuständig sind, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte. In einigen Fällen kann jedoch auch die Staatsangehörigkeit des Erblassers eine Rolle spielen, insbesondere wenn er in einem Land lebte, das nicht seine Heimat war.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Zuständigkeit der Gerichte in den verschiedenen beteiligten Ländern unterschiedlich geregelt sein kann. Es ist daher ratsam, sich bei einem grenzüberschreitenden Erbfall anwaltlich beraten zu lassen, um die bestmögliche Vorgehensweise zu ermitteln.
Anwendbares Recht: Welches Recht gilt?
Neben der Frage der Zuständigkeit ist die Bestimmung des anwendbaren Rechts von entscheidender Bedeutung bei der Abwicklung eines grenzüberschreitenden Erbfalls. Hierbei können verschiedene Rechtsordnungen auf einen Erbfall Anwendung finden. In der Regel gelten die folgenden Grundsätze:
- Das Recht des Landes, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte, ist auf den gesamten Nachlass anwendbar, unabhängig davon, in welchem Land sich die Vermögenswerte befinden.
- Für Immobilien kann das Recht des Landes, in dem sich die Immobilie befindet (sog. Belegenheitsstaat), Anwendung finden.
- Staatsangehörigkeit kann ebenfalls eine Rolle spielen, insbesondere wenn der Erblasser in einem Land lebte, das nicht seine Heimat war.
Es ist wichtig zu beachten, dass es im internationalen Erbrecht zahlreiche Ausnahmen und Besonderheiten gibt. So können beispielsweise Erbverträge oder letztwillige Verfügungen eine Rolle spielen, die von den Erblassern getroffen wurden, um die Anwendung eines bestimmten Rechts zu regeln. In jedem Fall empfiehlt es sich, bei einem grenzüberschreitenden Erbfall anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Die Europäische Erbrechtsverordnung
Um die Abwicklung von grenzüberschreitenden Erbfällen innerhalb der Europäischen Union (EU) zu vereinfachen, wurde im August 2015 die Europäische Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) eingeführt. Diese Verordnung ist in allen EU-Mitgliedstaaten anwendbar, mit Ausnahme von Dänemark, Irland und dem Vereinigten Königreich (vor dem Brexit).
Die EU-ErbVO hat folgende Hauptziele:
- Vereinfachung der Zuständigkeitsregelungen für grenzüberschreitende Erbfälle innerhalb der EU
- Bestimmung des anwendbaren Rechts für Erbfälle mit grenzüberschreitendem Bezug
- Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, das die Anerkennung und Durchsetzung von Entscheidungen und Urkunden in Erbsachen in anderen Mitgliedstaaten erleichtert
Die EU-ErbVO bestimmt grundsätzlich, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, für den gesamten Nachlass zuständig sind und das Recht dieses Staates auf den Nachlass anwendbar ist. Der Erblasser kann jedoch auch ausdrücklich verfügen, dass das Recht seines Heimatlandes auf seinen Nachlass anwendbar sein soll. Diese Rechtswahl muss in einem Testament oder einer anderen letztwilligen Verfügung klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden.
Testamentarische Verfügungen im internationalen Kontext
Testamente und andere letztwillige Verfügungen spielen eine zentrale Rolle bei der Regelung der Erbfolge und der Verteilung des Nachlasses im Erbfall. Bei grenzüberschreitenden Erbfällen ist es besonders wichtig, die formellen Anforderungen an solche Verfügungen in den beteiligten Ländern zu beachten, um sicherzustellen, dass sie rechtlich wirksam sind.
Im internationalen Erbrecht gibt es verschiedene Regelungen zur Anerkennung und Wirksamkeit von Testamenten und anderen letztwilligen Verfügungen, darunter:
- Das Haager Übereinkommen über die Anerkennung von Testamentsformen, das in vielen Ländern, einschließlich der EU-Mitgliedstaaten, anwendbar ist
- Nationale Regelungen über die formellen Anforderungen an Testamente, Erbverträge und andere letztwillige Verfügungen
- Die Regelungen der EU-ErbVO, die die Anerkennung und Wirksamkeit von Testamenten und anderen letztwilligen Verfügungen im EU-Raum regeln
Es ist ratsam, bei der Abfassung von Testamenten und anderen letztwilligen Verfügungen im internationalen Kontext anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, um sicherzustellen, dass sie den formellen Anforderungen der beteiligten Länder entsprechen und rechtlich wirksam sind.
Erbschaftssteuer bei grenzüberschreitenden Erbfällen
Die Erbschaftssteuer ist ein weiterer wichtiger Aspekt bei grenzüberschreitenden Erbfällen. Jedes Land hat eigene Regelungen zur Besteuerung von Erbschaften, die sowohl den Steuersatz als auch die Bemessungsgrundlage betreffen. In einigen Fällen kann es zu einer Doppelbesteuerung kommen, d.h. dass die Erbschaft in mehr als einem Land besteuert wird.
Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren, gibt es verschiedene Instrumente, darunter:
- Doppelbesteuerungsabkommen, die zwischen bestimmten Ländern geschlossen wurden und Regelungen zur Vermeidung oder Minderung der Doppelbesteuerung enthalten
- Unilaterale Regelungen zur Anrechnung der im Ausland gezahlten Erbschaftssteuer auf die im Inland geschuldete Steuer
- Die Möglichkeit, im Testament oder in einer anderen letztwilligen Verfügung die Anwendung eines bestimmten Steuerrechts zu wählen, um die steuerliche Belastung zu optimieren
Auch hier ist es empfehlenswert, sich bei grenzüberschreitenden Erbfällen anwaltlich beraten zu lassen, um die bestmögliche steuerliche Gestaltung zu erreichen und unerwartete Steuerbelastungen zu vermeiden.
Praktische Tipps für Betroffene
Aufgrund der Komplexität des internationalen Erbrechts und der Vielzahl von Regelungen und Besonderheiten ist es wichtig, sich bei einem grenzüberschreitenden Erbfall gut zu informieren und vorzubereiten. Hier sind einige praktische Tipps für Betroffene:
- Rechtzeitig über die Regelungen des internationalen Erbrechts informieren und sich anwaltlich beraten lassen
- Ein internationales Testament oder eine andere letztwillige Verfügung erstellen, um die Erbfolge und die Verteilung des Nachlasses klar und eindeutig zu regeln
- Die formellen Anforderungen an Testamente und andere letztwillige Verfügungen in den beteiligten Ländern beachten und sicherstellen, dass sie rechtlich wirksam sind
- Die steuerlichen Aspekte grenzüberschreitender Erbfälle berücksichtigen und entsprechende Gestaltungsmaßnahmen ergreifen
- Die Anerkennung und Durchsetzung von Entscheidungen und Urkunden in Erbsachen in den beteiligten Ländern sicherstellen, z.B. durch die Beantragung eines Europäischen Nachlasszeugnisses
FAQ: Häufig gestellte Fragen
1. Welche Gerichte sind für grenzüberschreitende Erbfälle zuständig?
Die Zuständigkeit der Gerichte richtet sich in der Regel nach dem Wohnsitz des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes. In einigen Fällen kann jedoch auch die Staatsangehörigkeit des Erblassers eine Rolle spielen, insbesondere wenn er in einem Land lebte, das nicht seine Heimat war. Bei grenzüberschreitenden Erbfällen innerhalb der EU gelten die Regelungen der EU-ErbVO, die die Zuständigkeit der Gerichte vereinfachen und harmonisieren.
2. Welches Recht ist bei einem grenzüberschreitenden Erbfall anwendbar?
Das anwendbare Recht richtet sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes. In einigen Fällen kann jedoch auch die Staatsangehörigkeit des Erblassers oder die Lage der Vermögenswerte eine Rolle spielen. Bei Erbfällen innerhalb der EU bestimmt die EU-ErbVO, dass das Recht des Staates, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, auf den gesamten Nachlass anwendbar ist, es sei denn, der Erblasser hat ausdrücklich eine Rechtswahl getroffen.
3. Wie kann ich sicherstellen, dass mein Testament im Ausland anerkannt wird?
Um die Anerkennung und Wirksamkeit Ihres Testaments im Ausland sicherzustellen, sollten Sie sich anwaltlich beraten lassen und die formellen Anforderungen der beteiligten Länder beachten. Im internationalen Erbrecht gibt es verschiedene Regelungen zur Anerkennung von Testamenten, wie das Haager Übereinkommen über die Anerkennung von Testamentsformen und die Regelungen der EU-ErbVO.
4. Wie kann ich eine Doppelbesteuerung bei grenzüberschreitenden Erbfällen vermeiden?
Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, können Sie auf verschiedene Instrumente zurückgreifen, wie Doppelbesteuerungsabkommen, unilaterale Regelungen zur Anrechnung ausländischer Steuern und die Wahl eines bestimmten Steuerrechts im Testament oder in einer anderen letztwilligen Verfügung. Es ist ratsam, sich bei der steuerlichen Gestaltung grenzüberschreitender Erbfälle anwaltlich beraten zu lassen.
5. Was ist das Europäische Nachlasszeugnis und wie kann es mir helfen?
Das Europäische Nachlasszeugnis ist ein Instrument, das im Rahmen der EU-ErbVO eingeführt wurde, um die Anerkennung und Durchsetzung von Entscheidungen und Urkunden in Erbsachen innerhalb der EU zu erleichtern. Mit einem Europäischen Nachlasszeugnis können Erben, Vermächtnisnehmer und Testamentsvollstrecker ihre Rechtsstellung und ihre Rechte in anderen EU-Mitgliedstaaten nachweisen und durchsetzen, ohne dass ein gesondertes Verfahren erforderlich ist.
Internationales Erbrecht: Zusammenfassung
Grenzüberschreitende Erbfälle sind komplex und erfordern eine sorgfältige Planung und Vorbereitung, um die Rechte der Betroffenen zu wahren und unerwartete Probleme und Belastungen zu vermeiden.
Durch die Kenntnis der Besonderheiten des internationalen Erbrechts und die Einholung anwaltlicher Beratung können Sie sicherstellen, dass Ihre Interessen bei einem grenzüberschreitenden Erbfall bestmöglich geschützt sind.
Unsere Rechtsanwälte stehen Ihnen bundesweit und im deutschsprachigen Ausland zur Verfügung.
Philipp Franz | Rechtsanwalt | Associate
Arthur Wilms | Rechtsanwalt | Associate
Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter
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