Ein koordinationsrechtlicher Vertrag ist ein in vielen Rechtsbereichen auftretendes Vertragskonstrukt. Er hat weitreichende rechtliche Bedeutung und ist ein unverzichtbares Instrument zur Regelung der privatrechtlichen Beziehungen zwischen den Vertragsparteien. In diesem umfassenden Blog-Beitrag erfährst du alles, was du über den koordinationsrechtlichen Vertrag wissen musst – von seiner Bedeutung über die rechtlichen Rahmenbedingungen bis hin zur Anwendung in verschiedenen Rechtsszenerien.

Inhaltsverzeichnis

Definition des koordinationsrechtlichen Vertrags

Der koordinationsrechtliche Vertrag ist ein Vertragstyp, der die auf unterschiedlichen Rechtsebenen existierenden Rechtsbeziehungen von mehreren Vertragsparteien in Einklang bringt und zur Annäherung beitragen soll, indem er die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien aus den zugrunde liegenden Einzelverträgen regelt.

Dabei kann es sich sowohl um gänzlich voneinander unabhängige Verträge handeln, die über den koordinationsrechtlichen Vertrag in eine sinnvolle und rechtlich eindeutige Rangordnung gebracht werden, als auch um bereits untereinander verknüpfte Verträge, bei denen der koordinationsrechtliche Vertrag die verbindliche Abstimmung der Vertragsinhalte zum Ziel hat.

Merkmale und Besonderheiten

Ein koordinationsrechtlicher Vertrag weist bestimmte Charakteristika und Besonderheiten auf, die ihn von anderen Vertragstypen abgrenzen und seinen rechtlichen Stellenwert ausmachen. Dazu gehören:

  • Die Beteiligung mehrerer Parteien, typischerweise mit unterschiedlichen Vertragsinteressen;
  • Die Abstimmung und Koordination verschiedener Rechtsbeziehungen, die auf Einzelverträgen oder unterschiedlichen Rechtsebenen basieren;
  • Die Regelung der Rangfolge und des Zusammenwirkens dieser Rechtsbeziehungen im Einzelfall;
  • Eine übereinstimmende Regelung von Rechten und Pflichten, die unter Umständen voneinander abhängig sind, aber infolge divergierender Vertragsgrundlagen einer einheitlichen Regelung bedürfen;
  • Die vereinbarte Befolgung gemeinsamer Grundsätze und Regelungen, beispielsweise im Hinblick auf Kündigungsfristen, Ausgleichszahlungen, Schadensersatzansprüche oder Vertragsanpassungen.

Anwendungsbereiche des koordinationsrechtlichen Vertrags

Koordinationsrechtliche Verträge kommen in nahezu allen Rechtsgebieten vor, in denen mehrere Parteien mit unterschiedlichen rechtlichen Beziehungen zueinander verknüpft sind. Einige Beispiele für die Anwendung von koordinationsrechtlichen Verträgen in verschiedenen Rechtsbereichen:

  • Arbeitsrecht: Innerhalb von Betriebsvereinbarungen können koordinationsrechtliche Verträge zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Betriebsrat zur einheitlichen Regelung von Arbeitsbedingungen, Vertragsänderungen oder Betriebsübergängen herangezogen werden;
  • Bankrecht: Im Rahmen von Konsortialverträgen oder Poolverträgen werden koordinationsrechtliche Verträge genutzt, um die Rechtsbeziehungen zwischen verschiedenen Banken, die innerhalb eines Bankenkonsortiums oder Kreditpools agieren, abzustimmen sowie deren Rollen und Zuständigkeiten festzulegen;
  • Handelsrecht: Im Bereich des Handelsrechts können koordinationsrechtliche Verträge etwa zur Regelung von Verträgen zwischen Haupt- und Unterauftragnehmer, Großhändlern und Einzelhändlern oder Vertriebspartnern eingesetzt werden;
  • Gesellschaftsrecht: Bei Unternehmensgründungen oder -umwandlungen kommen koordinationsrechtliche Verträge insbesondere im Rahmen von Joint Ventures, Fusionen, dem Zusammenschluss von Genossenschaften oder bei der Gründung von Unternehmensallianzen zum Tragen;
  • Immobilienrecht: Bei der Errichtung und Verwaltung von Immobilieneigentum sind koordinationsrechtliche Verträge beispielsweise notwendig, um die Rechtsbeziehungen zwischen Wohnungseigentümergemeinschaften, Mietern und Eigentümern sowie zwischen Verwaltern und Dienstleistern zu regeln.

Gesetzliche Grundlagen

Die gesetzlichen Grundlagen des koordinationsrechtlichen Vertrags finden sich – je nach Anwendungsfall – in unterschiedlichen Gesetzen und Normen, zu denen unter anderem folgende gehören:

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Das BGB stellt die zentrale gesetzliche Grundlage für koordinationsrechtliche Verträge im deutschen Privatrecht dar und regelt unter anderem die Rechtsgeschäfte, die Begründung und den Inhalt von Verbindlichkeiten sowie deren Erfüllung, Haftung, Störung und Beendigung (§§ 311 ff. BGB);
  • Handelsgesetzbuch (HGB): In den Vorschriften des HGB finden sich zahlreiche Regelungen für koordinationsrechtliche Verträge im Handelsrecht, zum Beispiel bezüglich der Handelsregisteranmeldung, der Vorschriften für Handelsgeschäfte oder der Regelungen zur Handelsvertretung (§§ 1 ff. HGB);
  • Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (WEG): Im WEG sind u.a. Vorschriften für das Miteigentum, die Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaften, das Wohnungseigentumsrecht oder das Sondereigentum und dessen Verwaltung geregelt, die koordinationsrechtliche Verträge im Immobilienrecht betreffen können (§§ 1 ff. WEG);
  • Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG): Für koordinationsrechtliche Verträge im Bereich der GmbH gelten unter anderem die Bestimmungen des GmbHG zur Gründung, zur Haftung und Geschäftsführung sowie zur Auflösung von Gesellschaften (§§ 1 ff. GmbHG);
  • Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG): Die gesetzlichen Regelungen zur Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Betriebs- und Aufsichtsräten, zur Gründung und Organisation von Betriebsräten sowie zu deren Rechten und Pflichten sind im BetrVG festgelegt und können im Zusammenhang mit koordinationsrechtlichen Verträgen im Arbeitsrecht relevant sein (§§ 1 ff. BetrVG).
  • Kreditwesengesetz (KWG): Das KWG enthält regulatorische Vorschriften für Banken und Finanzdienstleister in Deutschland, welche auch für koordinationsrechtliche Verträge im Banken- und Finanzsektor von Bedeutung sein können (§§ 1 ff. KWG).

Koordinationsrechtlicher Vertrag – Aktuelle Rechtsprechung

Die Rechtsprechung bzgl. koordinationsrechtlicher Verträge ist vielfältig und entwickelt sich stetig weiter. Im Folgenden sollen exemplarisch einige aktuelle Gerichtsurteile aufgeführt werden, die für das Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen koordinationsrechtlicher Verträge von Bedeutung sind:

  • Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.03.2019, 1 ABR 15/18: In dieser Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts wurde festgestellt, dass auch (Betriebs-)Parteien eines bereits bestehenden Tarifvertrages durch einen koordinationsrechtlichen Vertrag eine zeitgleich bestehende Betriebsvereinbarung unter bestimmten Voraussetzungen abändern können, ohne dass es einer ausdrücklichen Änderungskündigung durch die betroffenen Arbeitnehmer bedarf.
  • Bundesgerichtshof, 14.07.2020, II ZR 276/19: Das Urteil des Bundesgerichtshofs erklärte eine Klausel in einem koordinationsrechtlichen Vertrag in der Gesellschafterstellungnahme eines Venture-Capital-Fonds für unwirksam, die einem Gründungsgesellschafter den gesetzlichen Auskunfts- und Einsichtsanspruch entzog, weil sie gegen das Gebot von Treu und Glauben verstieß.
  • Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 02.02.2017, I-16 U 1/16: Im vorliegenden Urteil wurde die Haftung eines Unternehmens verneint, das aufgrund eines koordinationsrechtlichen Vertrages Unterstützungsleistungen für ein fremdes Unternehmen erbrachte und dabei Schäden verursachte. Das OLG Düsseldorf entschied, dass die schädigende Partei eine eigene Haftung für das beauftragte Unternehmen ausschließen konnte, da sie den jeweiligen Leistungsempfänger und den koordinationsrechtlichen Vertrag im Vorfeld offengelegt hatte und sich somit auf ein Handeln im eigenen Namen und für eigene Rechnung berufen konnte.
  • Bundessozialgericht, Urteil vom 19.07.2016, B 2 U 8/15 R: In dieser Entscheidung hatte das Bundessozialgericht über die Anerkennung bestimmter Rechtsnormen aus einem koordinationsrechtlichen Vertrag im sozialrechtlichen Verhältnis zwischen Unfallversicherung und Arbeitgeber zu entscheiden. Das Gericht gelangte zu dem Ergebnis, dass der koordinationsrechtliche Vertrag aufgrund von abweichenden öffentlich-rechtlichen Regelungen teilweise keine Anwendung finden könne.

Koordinationsrechtlicher Vertrag – Fragen und Antworten

In diesem Abschnitt beantworten wir häufige Fragen zu koordinationsrechtlichen Verträgen:

Frage: Welche Vorteile bieten koordinationsrechtliche Verträge?

Antwort: Koordinationsrechtliche Verträge ermöglichen die Vereinheitlichung und klar definierte Regelung der Rechtsbeziehungen mehrerer Vertragsparteien sowie die Abstimmung von verschiedenen Vertragsinteressen. Dies erleichtert die Zusammenarbeit und das Zusammenwirken der beteiligten Parteien und reduziert das Risiko von Rechtsstreitigkeiten oder unklaren Verantwortlichkeiten.

Frage: Wann ist ein koordinationsrechtlicher Vertrag notwendig?

Antwort: Ein koordinationsrechtlicher Vertrag ist notwendig, wenn mehrere Vertragsparteien wechselseitige Rechte und Pflichten aufgrund unterschiedlicher Rechtsgrundlagen haben und die Abstimmung dieser Rechtsbeziehungen sowie die Regelung der Rechtsfolgen eine einheitliche Regelung erfordern.

Frage: Wie wird ein koordinationsrechtlicher Vertrag wirksam geschlossen?

Antwort: Ein koordinationsrechtlicher Vertrag kommt durch Angebot und Annahme zustande. Dabei müssen die Vertragsparteien die Bedingungen des Vertrages eindeutig bestimmen und rechtsverbindlich vereinbaren. Wie jeder Vertrag muss auch der koordinationsrechtliche Vertrag den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen und darf keine sittenwidrigen oder gegen die guten Sitten verstoßenden Inhalte beinhalten.

Frage: Kann ein koordinationsrechtlicher Vertrag ein anderes Rechtsverhältnis ersetzen?

Antwort: Koordinationsrechtliche Verträge sind in der Regel darauf ausgelegt, bereits bestehende Rechtsverhältnisse abzustimmen und zu koordinieren, nicht aber, diese vollständig zu ersetzen. Ausnahmen können jedoch im Einzelfall durch gesetzliche Regelungen oder individuelle Vereinbarungen der Vertragsparteien bestehen.

Koordinationsrechtlicher Vertrag – Ein Fazit

Der koordinationsrechtliche Vertrag ist ein wichtiges und unverzichtbares Instrument zur Regelung der privatrechtlichen Beziehungen zwischen mehreren Vertragsparteien. In nahezu allen Rechtsgebieten und verschiedensten Vertragssituationen kommt er zum Einsatz, um die wechselseitigen Rechte und Pflichten der beteiligten Parteien zu ordnen und eine effektive Zusammenarbeit zu ermöglichen. Die rechtlichen Grundlagen und aktuelle Rechtsprechung zu koordinationsrechtlichen Verträgen sind vielfältig und geben wertvolle Orientierungshilfen für deren Gestaltung und Anwendung in der Praxis. Als kompetente und erfahrene Anwälte unterstützen wir dich gerne bei der Erstellung oder Prüfung von koordinationsrechtlichen Verträgen sowie bei der Klärung von rechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit diesen Verträgen. Zögere nicht, uns zu kontaktieren.

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