
In neueren Zeiten hat die Jugendhilfe in Deutschland eine stärkere Bedeutung erlangt. Vor allem aufgrund sich verändernder Familienstrukturen und wachsender sozialer Herausforderungen sind immer mehr Eltern und Jugendliche auf Unterstützung angewiesen.
Die Praxis der Kostenbeteiligung im Bereich der Jugendhilfe wirft dabei häufig Fragen auf: Wer zahlt, wie viel und welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten? In diesem Blog-Beitrag gehen wir als Anwaltskanzlei auf alle wesentlichen Aspekte der Kostenbeitragsregelungen ein und beleuchten aktuelle Gerichtsurteile und häufig gestellte Fragen.
Inhaltsübersicht:
- Hintergrund und gesetzliche Basis der Kostenbeitragsregelung in der Jugendhilfe
- Welche Jugendhilfeleistungen sind kostenbeitragspflichtig?
- Wer zahlt? Zuständigkeit und Kostenbeitragspflicht
- Wie wird der Kostenbeitrag berechnet?
- Kinder- und Jugendhilfestärkungsgesetz (KJSG): Aktuelle und zukünftige Regelungen
- Aktuelle Gerichtsurteile zur Kostenbeteiligung in der Jugendhilfe
- FAQs: Häufig gestellte Fragen zur Kostenbeitragsregelung
Hintergrund und gesetzliche Grundlagen der Kostenbeitragsregelung in der Jugendhilfe
Die Jugendhilfe ist in Deutschland durch das Sozialgesetzbuch (SGB) VIII – Achtes Buch Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe geregelt. Die Kostenbeitragsregelung in der Jugendhilfe ist dabei ein wichtiger Aspekt, der in §§ 91 bis 97 SGB VIII niedergelegt ist.
Die Jugendhilfe umfasst sowohl präventive Maßnahmen wie Beratung, wie auch unterschiedliche stationäre und ambulante Hilfen zur Erziehung. Damit soll das Wohl von Kindern und Jugendlichen sowie deren familiärer Situation gesichert und gefördert werden. Dabei werden verschiedene Träger der öffentlichen Jugendhilfe wie das Jugendamt, aber auch freie Träger wie Diakonie und Caritas, in Anspruch genommen. Die Finanzierung der Jugendhilfeleistungen erfolgt durch die jeweiligen Träger und die öffentliche Hand. In bestimmten Fällen müssen jedoch auch Eltern und Jugendliche einen Kostenbeitrag leisten.
Welche Jugendhilfeleistungen sind kostenbeitragspflichtig?
Nicht alle Leistungen der Jugendhilfe unterliegen der Kostenbeteiligung durch Eltern bzw. junge Erwachsene. Zunächst sind solche Leistungen kostenbeitragspflichtig, die im Rahmen der „Hilfen zur Erziehung“ nach §§ 27 ff. SGB VIII gewährt werden. Das betrifft insbesondere die folgenden Leistungen:
- Erziehungsberatung (§ 28 SGB VIII)
- Soziale Gruppenarbeit (§ 29 SGB VIII)
- Betreuung und Versorgung des Kindes in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII)
- Heimerziehung und sonstige betreute Wohnformen (§ 34 SGB VIII)
- Erziehung in einer Tagesgruppe (§ 32 SGB VIII)
- Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung (§ 35 SGB VIII)
- Sozialpädagogische Familienhilfe (§ 31 SGB VIII)
Die Kostenbeteiligung erstreckt sich hierbei ausschließlich auf den reinen Erziehungskostenbeitrag. Kosten für Unterkunft, Verpflegung und notwendige Transporte müssen entsprechend getragen werden.
Nicht kostenbeitragspflichtig sind hingegen unter anderem Hilfen, die nach dem SGB XII (Sozialhilfe) gewährt werden, sowie Leistungen der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche.
Wer zahlt? Zuständigkeit und Kostenbeitragspflicht
Bevor wir auf die Frage eingehen, wer zur Zahlung des Kostenbeitrags verpflichtet ist, ist zunächst die Zuständigkeit abzuklären. Grundsätzlich liegt die Zuständigkeit für die Erhebung des Kostenbeitrags bei dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe – dem Jugendamt.
Die Kostenbeitragspflicht betrifft zunächst in erster Linie die sorgeberechtigten Eltern. Je nach Gesamtumständen und finanziellen Verhältnissen kann auch der junge Volljährige oder der nicht sorgeberechtigte Elternteil zur Zahlung herangezogen werden (§ 91 Abs. 2 SGB VIII).
Es ist wichtig zu beachten, dass bei einer Kostenbeteiligung gemäß § 91 Abs. 1 SGB VIII die Eltern bzw. auch die jungen Volljährigen unabhängig vom eigenen Einkommen und Vermögen heranzuziehen sind. Bei Leistungen gemäß § 91 Abs. 2 und 3 SGB VIII hingegen richtet sich die Kostenbeteiligung nach der Leistungsfähigkeit des jungen Volljährigen bzw. des nicht sorgeberechtigten Elternteils.
Wie wird der Kostenbeitrag berechnet?
Die Berechnung des Kostenbeitrags erfolgt auf der Basis der „Richtlinien für die Heranziehung zu Kostenbeiträgen nach §§ 91 ff. SGB VIII“, welche von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter entwickelt wurden. Dabei werden das Familieneinkommen, die Zahl der Familienmitglieder und weitere Umstände berücksichtigt. Es gilt jedoch eine Höchstgrenze für die Kostenbeteiligung: Nach § 92 Abs. 3 SGB VIII darf der zu zahlende Beitrag nicht höher sein als der Betrag, der bei vergleichbaren Inanspruchnahme einer Jugendhilfe von einem voll erwerbstätigen, ledigen und in häuslicher Gemeinschaft mit dem Kind lebenden Elternteil anfallen würde.
Darüber hinaus sieht § 96 SGB VIII verschiedene Freibeträge vor, die bei der Berechnung der Kostenbeteiligung zu beachten sind. Dazu gehört unter anderem ein Einkommensfreibetrag für den Elternteil, der das Kind in häuslicher Gemeinschaft betreut, sowie ein Erwerbstätigenfreibetrag, der auch den angemessenen Bedarf für die Alterssicherung berücksichtigt.
Kinder- und Jugendhilfestärkungsgesetz (KJSG): Aktuelle und zukünftige Regelungen
Das derzeit in Planung befindliche Kinder- und Jugendhilfestärkungsgesetz (KJSG) soll das SGB VIII in einigen Punkten weiterentwickeln und verbessern. Insbesondere werden folgende Neuerungen angestrebt:
- Optimierung von Hilfsangeboten und -strukturen
- Stärkung des Kinderschutzes, insbesondere durch präventive Maßnahmen
- Verbesserung von Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen
- Reform der finanziellen Aspekte der Jugendhilfe, u. a. die Kostenbeitragsregelungen
Die geplanten Änderungen umfassen u. a. eine Änderung der Kostenbeteiligungs- und -erstattungspflichten. So sollen junge Menschen, die noch in Ausbildung oder im Studium sind, künftig von Kostenbeiträgen befreit sein. Dies ist ein wichtiger Schritt hin zur weiteren Entlastung junger Erwachsener, die in schwierigen Lebensumständen Unterstützung brauchen.
Aktuelle Gerichtsurteile zur Kostenbeteiligung in der Jugendhilfe
Eine Auswahl aktueller Gerichtsurteile, die sich mit der Kostenbeteiligung in der Jugendhilfe befassen, finden Sie hier:
- FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.04.2018 – 7 K 2910/17 (Volljährige Pflegeeltern und Kostenbeitragsrecht – Anrechnung von Betreuungsleistungen)
- BVerwG, Urteil vom 15.03.2018 – 5 C 6.17 (Keine Kostenbeitragspflicht für erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach dem SGB II)
- VG Lüneburg, Beschluss vom 16.11.2014 – 6 B 64/14 (Kostenbeitragspflicht für nicht sorgeberechtigte Elternteile – Anrechnung von Betreuungsleistungen)
FAQs: Häufig gestellte Fragen zur Kostenbeitragsregelung
Im Folgenden beantworten wir als Anwaltskanzlei einige häufig gestellte Fragen zur Kostenbeitragsregelung in der Jugendhilfe:
Muss der junge Volljährige einen Kostenbeitrag entrichten, wenn er noch in Ausbildung ist oder studiert?
Nach derzeitigem Stand kann ein junger Volljähriger durchaus zur Zahlung von Kostenbeiträgen herangezogen werden, sofern er leistungsfähig ist. Das geplante Kinder- und Jugendhilfestärkungsgesetz (KJSG) sieht jedoch eine Befreiung von Kostenbeiträgen für junge Menschen, die noch in Ausbildung oder im Studium sind, vor.
Kann das Jugendamt in jedem Fall einen Kostenbeitrag von den Eltern fordern?
Nein, es gibt Ausnahmen von der Kostenbeitragspflicht. So besteht unter anderem keine Kostenbeitragspflicht bei Leistungen der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche.
Gibt es einen Selbstbehalt, der bei der Berechnung des Kostenbeitrags berücksichtigt wird?
Ja, nach § 96 SGB VIII werden verschiedene Freibeträge bei der Berechnung der Kostenbeteiligung berücksichtigt, wie z. B. ein Einkommensfreibetrag und ein Erwerbstätigenfreibetrag.
Muss der Kostenbeitrag für jede Leistung der Jugendhilfe entrichtet werden?
Nein, nur bestimmte Leistungen der Jugendhilfe sind kostenbeitragspflichtig, insbesondere solche, die im Rahmen der „Hilfen zur Erziehung“ nach §§ 27 ff. SGB VIII gewährt werden.
Welche rechtlichen Möglichkeiten habe ich, wenn ich den Kostenbeitrag als unangemessen empfinde?
Im Falle einer unangemessenen Kostenbeteiligung besteht die Möglichkeit, gegen den entsprechenden Bescheid Widerspruch einzulegen und gegebenenfalls Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht zu erheben.
Wir hoffen, dass dieser umfassende Blog-Beitrag einige Ihrer Fragen zur Kostenbeteiligung in der Jugendhilfe beantworten konnte. Sollten weiterhin Unklarheiten bestehen oder individuelle Beratung benötigt werden, stehen wir als kompetente und erfahrene Anwaltskanzlei gerne zur Verfügung.
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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter

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