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Einführung in die Nachlassbewertung

Die Nachlassbewertung ist ein wichtiger Teil der Nachlassplanung, der Vererbung und der Erfüllung von Vermögensübertragungen. Speziell in Deutschland ist die Nachlassbewertung ein notwendiger und komplexer Schritt. Sie gibt jedoch Klarheit über den Wert des Nachlasses und erleichtert den damit verbundenen Prozess des Erbens und der Übertragung von Vermögenswerten. In diesem umfassenden Artikel wird erörtert, warum die Nachlassbewertung so wichtig ist, welche Aspekte dabei rechtlich zu beachten sind, welche Faktoren bei der Bewertung berücksichtigt werden und wie der Bewertungsprozess abläuft.

Warum ist die Nachlassbewertung so wichtig?

Die Nachlassbewertung ist aus mehreren Gründen wichtig:

  • Transparenz für die Erben: Eine korrekte Bewertung des Nachlasses erleichtert die Transparenz für die Erben und stellt sicher, dass niemand benachteiligt wird.
  • Vermeidung von Streitigkeiten: Eine angemessene Bewertung des Nachlasses sorgt dafür, dass alle Erben ihren Anteil gemäß den rechtlichen Bestimmungen oder den Wünschen des Erblassers erhalten, wodurch Streitigkeiten und Missverständnisse vermieden werden.
  • Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen: Eine ordnungsgemäße Nachlassbewertung ist notwendig, um gesetzliche Verpflichtungen zu erfüllen, wie z.B. die Erbschaftsteuererklärung, die von den zuständigen Behörden verlangt wird.
  • Abwicklung des Nachlasses: Die Bewertung ist essentiell für die ordnungsgemäße Abwicklung des Nachlasses, da sie den Wert der Vermögenswerte bestimmt und es ermöglicht, entweder die Vermögenswerte auf die Erben zu übertragen oder diese zu verkaufen, um den Erlös gerecht aufzuteilen.

Die verschiedenen Arten der Nachlassbewertung

Im Allgemeinen gibt es drei Hauptarten der Nachlassbewertung:

  1. Verkehrswert: Der Verkehrswert entspricht dem Preis, den ein Vermögenswert in einem funktionierenden Markt bei einer normalen Transaktion erzielen würde. Er ist der am häufigsten verwendete Bewertungsansatz und wird von deutschen Gerichten und Steuerbehörden akzeptiert.
  2. Ertragswert: Der Ertragswert ist der Wert, der die zukünftigen Erträge eines Vermögenswerts widerspiegelt. Er wird hauptsächlich für die Bewertung von Unternehmen und Unternehmensanteilen verwendet.
  3. Substanzwert: Der Substanzwert spiegelt den Wert der physischen Vermögenswerte eines Unternehmens oder einer Immobilie wider. Er wird in der Regel verwendet, wenn der Ertragswert nicht anwendbar ist, z. B. bei der Bewertung von Unternehmen, die Verluste verzeichnen, oder bei der Liquidation.

Faktoren, die bei der Nachlassbewertung berücksichtigt werden

Die Nachlassbewertung ist ein komplexer Prozess, der von verschiedenen Faktoren abhängt. Einige der wichtigsten Faktoren, die berücksichtigt werden müssen, sind:

  • Art der Vermögenswerte: Der Wert von Immobilien, Aktien, Wertpapieren, Kunstwerken und anderen Vermögenswerten kann stark variieren. Daher sollten Fachleute wie Immobilienmakler, Aktienbewertungsgutachter, Kunstgalerien usw. hinzugezogen werden, um eine korrekte Bewertung zu erhalten.
  • Standort: Die Lage spielt eine große Rolle bei der Bewertung von Vermögenswerten, insbesondere von Immobilien. Objekte in einer hochpreisigen Nachbarschaft sind tendenziell mehr wert als solche in einer weniger beliebten Gegend.
  • Marktbedingungen: Die aktuelle Marktsituation muss berücksichtigt werden, da Vermögenswerte in einem boomenden Markt mehr wert sein können als in einem stagnierenden Markt.
  • Zustand der Vermögenswerte: Der physische Zustand von Vermögenswerten wie Immobilien, Fahrzeugen oder Kunstwerken kann ihren Wert erheblich beeinflussen. Die Instandhaltung und Reparaturen sollten berücksichtigt werden, um eine genaue Bewertung zu erhalten.
  • Zeitpunkt der Bewertung: Der Wert der Vermögenswerte kann sich im Laufe der Zeit ändern. Daher ist es wichtig, den Zeitpunkt der Bewertung festzulegen, um sicherzustellen, dass der festgelegte Wert für alle Beteiligten akzeptabel ist.
  • Gesetzliche Regelungen und Steuern: Die verschiedenen Gesetze und Steuern, die für die Übertragung von Vermögenswerten gelten, sollten berücksichtigt werden. Dies beinhaltet insbesondere die Erbschaftsteuer und die Schenkungsteuer, die den Wert des Nachlasses beeinflussen können.
  • Rechte und Interessen Dritter: Bei der Bewertung des Nachlasses müssen die Rechte und Interessen Dritter, wie zum Beispiel Gläubiger, berücksichtigt werden. Soweit Forderungen von Gläubigern gegen den Nachlass bestehen, können sie auch den Wert der Vermögenswerte beeinflussen.

Gesetzliche Grundlagen und Regelungen zur Nachlassbewertung

Die deutschen Gesetze und Vorschriften für die Nachlassbewertung sind in verschiedenen Gesetzbüchern festgelegt, die die Grundlage für die Bewertung und Besteuerung von Nachlässen bilden. Einige der wichtigsten Gesetze und Regelungen sind:

  1. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Das BGB legt die Regelungen für das Erbrecht, die Abwicklung von Nachlässen und die Verantwortlichkeiten der beteiligten Parteien fest. Es regelt auch die Auslegung von Testamenten und die Verteilung von Vermögenswerten unter den Erben.
  2. Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG): Das ErbStG regelt die Besteuerung von Nachlässen und Schenkungen. Es legt die Steuersätze, Freibeträge und Bewertungsmethoden für verschiedene Arten von Vermögenswerten fest.
  3. Bewertungsgesetz (BewG): Das Bewertungsgesetz enthält detaillierte Vorschriften für die Bewertung von Vermögenswerten im Rahmen der Erbschaftsteuer. Es legt die Bewertungsmethoden für Grundstücke, Gebäude, Betriebsvermögen und andere Vermögenswerte fest.
  4. Grundsteuergesetz (GrStG): Das GrStG regelt die Besteuerung von Grundvermögen, was für die Bewertung von Immobilien im Rahmen der Nachlassbewertung relevant sein kann.
  5. Handelsgesetzbuch (HGB) und Aktiengesetz (AktG): Das HGB und das AktG enthalten Regelungen für die Bewertung von Unternehmen und Unternehmensanteilen, die im Rahmen der Nachlassbewertung relevant sein können.

Der Nachlassbewertungsprozess

Der Prozess der Nachlassbewertung umfasst mehrere Schritte, die sorgfältig durchgeführt werden müssen, um eine genaue Bewertung des Nachlasses zu gewährleisten.

  1. Inventarisierung der Vermögenswerte: Der erste Schritt ist die Zusammenstellung einer vollständigen Liste aller Vermögenswerte des Nachlasses. Dazu gehören Immobilien, Bankkonten, Wertpapiere, Kunstwerke, Schmuck, Fahrzeuge, Unternehmen und andere Vermögenswerte. Schulden und Verbindlichkeiten sollten ebenfalls erfasst werden.
  2. Festlegung der Bewertungsmethode: Als Nächstes sollte die für die Bewertung angemessene Methode festgelegt werden. Hierbei sind die gesetzlichen Vorschriften und die Art der Vermögenswerte zu berücksichtigen.
  3. Konsultation von Experten: Bei Bedarf sollten Experten wie Immobilienmakler, Aktienbewertungsgutachter oder Kunstgalerien zurate gezogen werden, um eine genaue Bewertung der Vermögenswerte zu gewährleisten.
  4. Bewertung der Vermögenswerte: Die Vermögenswerte sollten sorgfältig bewertet und der Wert jedes einzelnen Vermögenswerts festgelegt werden. Hierbei sind Faktoren wie Standort, Zustand, Marktlage und gesetzliche Regelungen zu berücksichtigen.
  5. Berechnung des gesamten Nachlasswerts: Der Gesamtwert des Nachlasses sollte unter Berücksichtigung der bewerteten Vermögenswerte und der Schulden und Verbindlichkeiten berechnet werden. Hierbei sind auch mögliche Steuern und Abgaben, wie z. B. die Erbschaftsteuer, zu berücksichtigen.
  6. Dokumentation der Bewertung: Die Bewertung sollte in einem detaillierten Dokument festgehalten werden, das alle relevanten Informationen über die Vermögenswerte, die angewendeten Bewertungsmethoden und den Wert der Vermögenswerte enthält. Dieses Dokument soll den Erben, Testamentsvollstreckern, Anwälten, Steuerbehörden und ggf. Gerichten vorgelegt werden.

Haftung und Verantwortlichkeiten bei der Nachlassbewertung

Die Haftung und die Verantwortlichkeiten bei der Nachlassbewertung können sich auf verschiedene Parteien erstrecken:

  • Erben: Die Erben sind verpflichtet, eine genaue Bewertung des Nachlasses durchzuführen, um sicherzustellen, dass alle Steuern und Abgaben ordnungsgemäß bezahlt werden. Sie können bei Falschangaben oder fehlerhafter Bewertung des Nachlasses haftbar gemacht werden.
  • Testamentsvollstrecker: Der Testamentsvollstrecker ist verantwortlich für die ordnungsgemäße Abwicklung des Nachlasses und damit auch für die korrekte Bewertung des Nachlasses. Eine fehlerhafte Bewertung kann zu einer Haftung des Testamentsvollstreckers führen, insbesondere wenn dadurch die Interessen der Erben oder der Gläubiger beeinträchtigt werden.
  • Gutachter und Experten: Gutachter und Experten, die bei der Bewertung von Vermögenswerten herangezogen werden, haften für ihre Gutachten und müssen sicherstellen, dass ihre Bewertungen korrekt und unabhängig sind.
  • Anwälte: Rechtsanwälte, die im Bereich der Nachlassplanung und -bewertung tätig sind, haben die Verantwortung, ihre Mandanten über die rechtlichen Rahmenbedingungen, die korrekte Anwendung von Bewertungsmethoden und die Konsequenzen von Fehlern bei der Bewertung des Nachlasses zu beraten. Sie können haftbar gemacht werden, wenn ihre Beratung nicht den anerkannten Rechtsstandards entspricht.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Nachlassbewertung

Gerichtsurteile im Bereich der Nachlassbewertung sind von großer Bedeutung, da sie wichtige Leitlinien für die Bewertung von Nachlässen und die Haftung der beteiligten Parteien liefern. Einige aktuelle Gerichtsurteile zu diesem Thema sind:

  1. Bundesfinanzhof (BFH) Urteil vom 30. November 2016, Az. II R 1/15: Dieses Urteil befasst sich mit der Bewertung von Betriebsvermögen für Erbschaftsteuerzwecke und bestätigt die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens für die Ermittlung des Unternehmenswerts.
  2. Bundesgerichtshof (BGH) Urteil vom 22. September 2017, Az. V ZR 11/17: Das Gericht stellte in diesem Fall klar, dass die Bewertung einer Immobilie im Rahmen der Nachlassbewertung auf den Verkehrswert zum Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen ist. Dabei können auch Wertminderungen, die seit der Erstellung des Gutachtens eingetreten sind, berücksichtigt werden.
  3. BFH Urteil vom 7. Dezember 2016, Az. II R 35/15: In diesem Urteil befasste sich der BFH mit der Bewertung von Kapitalforderungen für die Erbschaftsteuer und entschied, dass der Nennwert der Forderung auch dann maßgeblich ist, wenn die Forderung unverzinslich oder schlecht verzinst ist.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Nachlassbewertung

Welche Vermögenswerte müssen bei der Nachlassbewertung berücksichtigt werden?

Alle Vermögenswerte des Erblassers müssen berücksichtigt werden, einschließlich Immobilien, Bankkonten, Wertpapiere, Kunstwerke, Schmuck, Fahrzeuge, Unternehmen und andere Vermögenswerte. Schulden und Verbindlichkeiten sollten ebenfalls in die Bewertung einfließen.

Müssen auch Lebensversicherungen in die Nachlassbewertung einbezogen werden?

Lebensversicherungen können, abhängig von ihrer Ausgestaltung, in die Nachlassbewertung einbezogen werden müssen. Falls die Lebensversicherung an einen bestimmten Begünstigten bezahlt werden muss, zählt sie nicht zum Nachlass und muss nicht bewertet werden. Anderenfalls kann es erforderlich sein, dass sie als Teil des Nachlasses bewertet wird.

Wie werden die Bewertungsergebnisse den Erben mitgeteilt?

Die Ergebnisse der Nachlassbewertung sollten in einem detaillierten Dokument festgehalten und den Erben, Testamentsvollstreckern, Anwälten, Steuerbehörden und gegebenenfalls Gerichten vorgelegt werden.

Wie lange ist eine Nachlassbewertung gültig?

Die Gültigkeit einer Nachlassbewertung hängt von den Umständen ab. In der Regel basiert die Bewertung auf dem Wert der Vermögenswerte zum Zeitpunkt des Erbfalls. Daher sollte die Bewertung so aktuell wie möglich sein.

Was passiert, wenn sich der Wert der Vermögenswerte nach der Nachlassbewertung ändert?

In solchen Fällen kann es erforderlich sein, die Bewertung zu aktualisieren, um die geänderten Werte zu berücksichtigen. Dies kann insbesondere dann relevant sein, wenn der ursprüngliche Wert zu Steuer- oder Verteilungszwecken nicht mehr zutreffend ist.

Fazit

Nachlassbewertungen sind ein grundlegender und wichtiger Aspekt der Nachlassplanung, der Vererbung und der Vermögensübertragung. Durch die korrekte Durchführung der Nachlassbewertung stellen Sie sicher, dass alle gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt werden und sowohl die Erben als auch die Gläubiger des Nachlasses angemessen berücksichtigt werden. Indem Sie sich dieser umfassenden Anleitung zur Nachlassbewertung bedienen und sich eventuell zusätzlich rechtlichen Beistand sichern, tragen Sie dazu bei, dass der Prozess reibungslos und transparent verläuft.

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