Das Parentelsystem ist ein zentrales Element im deutschen Erbrecht, das die Einteilung der gesetzlichen Erben regelt. In diesem umfassenden Blog-Beitrag erläutern wir, wie das Parentelsystem funktioniert, wie es auf unterschiedliche Erbfälle angewendet wird und welche rechtlichen Regelungen und Gerichtsurteile relevant sind. Unsere Kanzlei verfügt über langjährige Erfahrung im Bereich Erbrecht und berät Sie kompetent und umfassend.
Einführung in das Parentelsystem
Das Parentelsystem ist eine Methode zur Einteilung der gesetzlichen Erben nach dem Verwandtschaftsgrad. Es basiert auf der Idee, dass das Vermögen einer verstorbenen Person ihren nächsten Verwandten zukommen sollte. Das Parentelsystem unterteilt die Verwandten in sogenannte Parentelen oder Ordnungen, die den Verwandtschaftsgrad widerspiegeln.
Die verschiedenen Parentelen
Das deutsche Erbrecht unterscheidet drei Parentelen:
- Erste Ordnung: Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel, Urenkel usw.)
- Zweite Ordnung: Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (Geschwister, Neffen, Nichten usw.)
- Dritte Ordnung: Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (Onkel, Tanten, Cousins, Cousinen usw.)
Erben innerhalb der gleichen Parentel schließen die Erben der nächstniedrigeren Parentel aus. Das bedeutet, wenn zum Beispiel Kinder vorhanden sind, erben Geschwister, Neffen und Nichten nichts.
Gesetzliche Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)
Das Parentelsystem ist im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Die zentralen Vorschriften finden sich in den §§ 1924 ff. BGB:
- § 1924 BGB: Erben erster Ordnung
- § 1925 BGB: Erben zweiter Ordnung
- § 1926 BGB: Erben dritter Ordnung
- § 1928 BGB: Repräsentation
- § 1930 BGB: Ausschluss der Erben einer früheren Ordnung
Anwendung des Parentelsystems im Erbfall
Die Anwendung des Parentelsystems hängt von der spezifischen Konstellation der Verwandten im Erbfall ab. In den folgenden Abschnitten zeigen wir auf, wie das Parentelsystem in verschiedenen Situationen angewendet wird und welche rechtlichen Regelungen und Gerichtsurteile relevant sind.
Erben erster Ordnung
Die Erben erster Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers, also Kinder, Enkel und Urenkel. Sie haben gemäß § 1924 BGB das Erstzugriffsrecht auf das Erbe. Enkel und Urenkel treten nur dann in die Erbfolge ein, wenn ihre Eltern oder Großeltern vorverstorben oder erbunwürdig sind. Die Erbquote richtet sich nach der Anzahl der Abkömmlinge und ist im § 1924 BGB festgelegt:
- Bei einem Kind erbt dieses die Hälfte des Nachlasses, die andere Hälfte geht an den überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner.
- Bei mehreren Kindern erben sie zusammen zwei Drittel des Nachlasses, das verbleibende Drittel geht an den überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner.
Erben zweiter Ordnung
Sind keine Erben erster Ordnung vorhanden, kommen die Erben zweiter Ordnung zum Zuge. Gemäß § 1925 BGB sind dies die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (Geschwister, Neffen, Nichten). Die Erbfolge richtet sich hierbei nach folgenden Grundsätzen:
- Lebende Elternteile erben zu gleichen Teilen.
- Ist ein Elternteil vorverstorben, treten dessen Abkömmlinge an seine Stelle.
- Sind beide Elternteile vorverstorben, erben die Geschwister des Erblassers zu gleichen Teilen.
- Sind Geschwister vorverstorben, treten deren Abkömmlinge an ihre Stelle.
Erben dritter Ordnung
Existieren keine Erben erster oder zweiter Ordnung, erben die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (Onkel, Tanten, Cousins, Cousinen) gemäß § 1926 BGB. Die Erbfolge richtet sich nach folgenden Grundsätzen:
- Lebende Großeltern erben zu gleichen Teilen.
- Ist ein Großelternteil vorverstorben, treten dessen Abkömmlinge an seine Stelle.
- Sind beide Großeltern einer Linie vorverstorben, erben die Abkömmlinge dieser Linie.
- Sind alle Großeltern vorverstorben, erben die Abkömmlinge beider Linien zu gleichen Teilen.
Repräsentation und Erbfolge
Die Repräsentation ist ein zentrales Prinzip im Parentelsystem und regelt die Stellvertretung eines vorverstorbenen oder erbunwürdigen Verwandten in der Erbfolge. Die Repräsentation ist in § 1928 BGB geregelt und findet in den Ordnungen Anwendung:
- In der ersten Ordnung repräsentieren Enkel und Urenkel ihre vorverstorbenen Eltern oder Großeltern.
- In der zweiten Ordnung repräsentieren Geschwister, Neffen und Nichten ihre vorverstorbenen Eltern.
- In der dritten Ordnung repräsentieren Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen ihre vorverstorbenen Großeltern.
Die Repräsentation erfolgt stets in Stammesanteilen, das heißt, der Stellvertreter erbt den Anteil, den der Verstorbene geerbt hätte, wenn er noch gelebt hätte.
Aktuelle Gerichtsurteile zum Parentelsystem
In den letzten Jahren gab es einige wichtige Gerichtsurteile, die das Verständnis und die Anwendung des Parentelsystems im Erbrecht beeinflusst haben. Wir stellen Ihnen hier zwei beispielhafte Entscheidungen vor:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. Oktober 2022, Az. IV ZR 125/22
In diesem Fall entschied der Bundesgerichtshof, dass ein Enkel, der in der Erbfolge repräsentativ für seinen vorverstorbenen Vater eintritt, auch dann den Pflichtteil seines Vaters geltend machen kann, wenn der Vater diesen Pflichtteil zu Lebzeiten nicht eingefordert hat.
Oberlandesgericht München, Urteil vom 17. August 2021, Az. 31 Wx 103/21
Das Oberlandesgericht München urteilte, dass die Bestimmung eines Alleinerben in einem Testament den gesetzlichen Erben der höheren Ordnungen nicht automatisch den Pflichtteil entzieht. Vielmehr muss der Erblasser ausdrücklich verfügen, dass die gesetzlichen Erben ihren Pflichtteil nicht erhalten sollen.
Häufig gestellte Fragen (FAQs) zum Parentelsystem im Erbrecht
Was passiert, wenn keine gesetzlichen Erben vorhanden sind?
Wenn keine gesetzlichen Erben bis zur dritten Ordnung vorhanden sind, fällt das Erbe an den Staat. In diesem Fall kann jedoch eine Person, die dem Erblasser in besonderem Maße nahestand, einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins stellen, um das Erbe anzutreten.
Gilt das Parentelsystem auch bei Adoption?
Ja, adoptierte Kinder werden im Erbrecht wie leibliche Kinder behandelt und erben daher als Erben erster Ordnung. Ihre leiblichen Verwandten sind jedoch grundsätzlich von der Erbfolge ausgeschlossen.
Kann das Parentelsystem durch ein Testament oder einen Erbvertrag abgeändert werden?
Ja, das Parentelsystem gilt für die gesetzliche Erbfolge. Der Erblasser hat jedoch die Möglichkeit, durch ein Testament oder einen Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge abzuweichen und die Verteilung seines Vermögens individuell zu gestalten. Dabei muss er allerdings die Pflichtteilsansprüche seiner nahen Verwandten (Kinder, Ehegatten, Eltern) beachten.
Wie wird das Erbe unter Erben mit unterschiedlichen Erbquoten aufgeteilt?
Die Erbquoten der verschiedenen Erben werden in Bruchteilen ausgedrückt, die die Anteile am Gesamterbe repräsentieren. Die Erbmasse wird entsprechend diesen Bruchteilen auf die einzelnen Erben verteilt. Wenn beispielsweise ein Kind und ein Enkel erben, erhält das Kind die Hälfte des Nachlasses, während der Enkel den Anteil erbt, den sein vorverstorbener Elternteil erhalten hätte.
Was passiert, wenn ein gesetzlicher Erbe das Erbe ausschlägt?
Wenn ein gesetzlicher Erbe das Erbe ausschlägt, rückt der nächste Verwandte in der Erbfolge nach. Die Ausschlagung hat zur Folge, dass der ausschlagende Erbe so behandelt wird, als ob er zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht gelebt hätte. Die Repräsentation tritt entsprechend ein, wenn der ausschlagende Erbe selbst Kinder hat.
Fazit und Ausblick
Das Parentelsystem im Erbrecht ist ein zentrales Element, das die gesetzliche Erbfolge nach Verwandtschaftsgrad regelt. Es ermöglicht eine gerechte und systematische Verteilung des Erbes unter den Verwandten und bietet gleichzeitig Raum für individuelle Gestaltungsmöglichkeiten durch Testament oder Erbvertrag. Die Kenntnis der rechtlichen Grundlagen, aktueller Gerichtsurteile und typischer Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Parentelsystem ist für eine kompetente erbrechtliche Beratung unerlässlich.
Unsere Kanzlei verfügt über langjährige Erfahrung im Bereich Erbrecht und unterstützt Sie gerne bei allen Fragen rund um das Parentelsystem, die Erbfolge und die Gestaltung von Testamenten und Erbverträgen. Kontaktieren Sie uns für eine persönliche Beratung und lassen Sie sich von unseren erfahrenen Rechtsanwälten umfassend informieren und unterstützen.
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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter

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