In der heutigen Informationsgesellschaft spielt die dauerhafte Verfügbarkeit von Veröffentlichungen und Informationen eine entscheidende Rolle. Besonders im Kontext des kulturellen Erbes und des künftigen Zugangs zu Wissen kommt der Einrichtung von Pflichtexemplaren eine bedeutende Funktion zu. Die Thematik hat eine lange Geschichte und ist keineswegs nur relevant für Autoren und Verlage, sondern auch für Bibliotheken, Sammlungsstellen sowie den allgemeinen Nutzer von Informationen.

Im Folgenden finden Sie eine umfassende Abhandlung der gesetzlichen Anforderungen, Regelungen und Gerichtsurteile zum Thema Pflichtexemplar.

Inhaltverzeichnis

  1. Worum geht es bei Pflichtexemplaren?
  2. Historische Entwicklung des Pflichtexemplars
  3. Gesetzliche Grundlagen und Regelungen in Deutschland
  4. Rechtliche Situation in Europa und international
  5. Anforderungen an das Pflichtexemplar
  6. Urheberrechtliche Fragestellungen
  7. Aktuelle Gerichtsurteile und Rechtsprechung
  8. Praxisbeispiele und Problemfelder
  9. FAQ – Häufig gestellte Fragen
  10. Pflichtexemplar – ein wichtiges Konzept

Worum geht es bei Pflichtexemplaren?

Pflichtexemplare sind Ausgaben von Publikationen, die Autoren oder Verlage verpflichtend an bestimmte Institutionen liefern müssen, um die dauerhafte kulturelle Dokumentation und Archivierung zu gewährleisten.

Diese Regelungen beziehen sich sowohl auf Printmedien wie Bücher, Zeitschriften und Zeitungen als auch auf digitale Veröffentlichungen und sonstige Medienformate. Die Erfassung des Veröffentlichungspektrums ermöglicht einerseits den Zugang zu umfassenden Informationen für Forschung und Lehre und unterstreicht andererseits das kulturelle Gedächtnis der Gesellschaft.

Historische Entwicklung des Pflichtexemplars

Die Verpflichtung, Publikationen für die Archivierung an Institutionen abzugeben, hat eine lange Geschichte, die bis ins alte Rom zurückreicht. In der Renaissancezeit entwickelte sich die Idee des Pflichtexemplars weiter, vor allem in Europa: In dieser Zeit waren viele Druckereien verpflichtet, ein Exemplar an die entsprechenden Bibliotheken abzuliefern.

Seitdem hat sich das Pflichtexemplar im Laufe der Jahrhunderte immer weiter entwickelt und angepasst, um den wachsenden Anforderungen der modernen Informationsgesellschaft gerecht zu werden.

Gesetzliche Grundlagen und Regelungen in Deutschland

In Deutschland sind die Regelungen für Pflichtexemplare in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich. Grundlage für die Erfüllung dieser Pflicht zum Abgeben von Exemplaren ist das jeweilige Pflichtexemplargesetz des Bundeslandes, in dem der Verleger oder Herausgeber seinen Sitz hat.

Die Regelungen sind im Wesentlichen folgendermaßen aufgebaut:

  • Verpflichtung zur Bereitstellung von Exemplaren: In der Regel sind Verlage, Herausgeber und Autoren von Veröffentlichungen (inklusive Online-Publikationen) aufgefordert, Pflichtexemplare an die zuständige Bibliothek oder Sammlungsstelle abzuliefern.
  • Anzahl der Exemplare: Diese variiert von Bundesland zu Bundesland, wobei in einigen Ländern auch Festlegungen zur Verteilung der Exemplare auf verschiedene Institutionen getroffen werden.
  • Form der Veröffentlichung: Veröffentlichungsformen wie Print, E-Books, Software oder audiovisuelle Medien können allein oder in Kombination erfasst werden, je nach den jeweiligen Gesetzen der Bundesländer.
  • Übergangsfristen und Sanktionen: Es gibt festgelegte Fristen für die Ablieferung der Pflichtexemplare und Sanktionen bei Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorgaben. Diese können beispielsweise Bußgelder inkludieren.

Darüber hinaus gibt es in Deutschland auch spezielle Regelungen für die Bereitstellung von Pflichtexemplaren für die Deutsche Nationalbibliothek. Gemäß § 14 des Gesetzes über die Deutsche Nationalbibliothek (DNBG) sind Herausgeber und Produzenten von Medienwerken verpflichtet, jeweils zwei Exemplare an die Deutsche Nationalbibliothek abzuliefern. Dabei gilt dies sowohl für gedruckte Publikationen als auch für elektronische und sonstige mediale Medien.

Rechtliche Situation in Europa und international

Auch in Europa und international unterscheiden sich die rechtlichen Regelungen hinsichtlich der Pflicht zum Abgeben von Exemplaren teilweise sehr stark.

Einige Beispiele:

Europäische Union: Im Rahmen der seit 1993 geltenden EU-Richtlinie 93/98/EWG – hier Artikel 5 Absatz 3 – wird darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten dazu angehalten sind, „Maßnahmen zu treffen, um den legalen Nachdruck von Büchern zu verhindern, die innerhalb von 100 Jahren nach ihrem ersten Erscheinen aus dem Gedächtnis der Menschheit verschwunden sind“. Dieser Regelung liegt implizit die Idee von Pflichtexemplaren zugrunde, um ein Verschwinden von Büchern zu verhindern.

Frankreich: In Frankreich besteht eine gesetzliche Verpflichtung, zwei Exemplare jeder Veröffentlichung bei der Bibliothèque nationale de France als Pflichtexemplare abzuliefern.

Österreich: Hier ist im Medienrechts-Änderungsgesetz 2014 eine Verpflichtung zur Abgabe von insgesamt 13 Exemplaren an unterschiedliche Archive und Bibliotheken vorgesehen: Jeweils ein Exemplar an das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung; sechs Exemplare für das Bundesarchiv; und sechs Pflichtexemplare für die Österreichische Nationalbibliothek.

Vereinigte Staaten: In den USA gibt es auf Bundesebene den „17 U.S. Code § 407. Deposit of copies or phonorecords for Library of Congress“, der für Bücher und Druckwerke eine Pflichtabgabe von zwei Exemplaren an die Library of Congress vorsieht. Mediale Veröffentlichungen unterliegen jedoch einer anderen Regelung und werden in der Regel weniger umfassend erfasst.

Anforderungen an das Pflichtexemplar

Die Anforderungen an Pflichtexemplare können von Land zu Land unterschiedlich sein und beziehen sich in der Regel auf die physische Beschaffenheit, die Vollständigkeit und die Aktualität der Exemplare. Zum Beispiel sind die von Verlagen zur Verfügung gestellten Pflichtexemplare oft gebunden und entsprechen der besten Qualität, um der archivarischen Funktion der Pflichtexemplare gerecht zu werden.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Exemplare luxuriöser oder aufwendiger gestaltet sein müssen als diejenigen, die an Endnutzerinnen und Endnutzer verkauft werden. Für elektronische Pflichtexemplare kommen ebenfalls besondere Anforderungen zur Sicherstellung der langfristigen Zugänglichkeit und Lesbarkeit ins Spiel, wie etwa die Einhaltung bestimmter Dateiformate oder die Organisation der digitalen Informationseinheiten.

Urheberrechtliche Fragestellungen

Im Zusammenhang mit Pflichtexemplaren stellen sich auch urheberrechtliche Fragestellungen. Grundsätzlich ist der Urheber eines Werkes für dessen Verwertung verantwortlich, wobei dieser jedoch seine Verwertungsrechte meist ganz oder teilweise an Verlage überträgt. Verlage sind durch die nationalen Pflichtexemplargesetze zur Ablieferung von Exemplaren bei entsprechenden Institutionen verpflichtet.

In den meisten Gesetzen ist eindeutig geregelt, dass die Abgabe von Pflichtexemplaren keine Urheberrechtsverletzung darstellt. So wird garantiert, dass mit der Ablieferung und öffentlichen Bereitstellung von Pflichtexemplaren keine Probleme im Zusammenhang mit dem Urheberrecht entstehen.

Aktuelle Gerichtsurteile und Rechtsprechung

Bezüglich der Pflichtexemplare gibt es immer wieder Gerichtsurteile, die wichtige Aspekte der Thematik klären oder beispielhaft für bestimmte Fragestellungen sind. Einige relevante Urteile im Bereich Pflichtexemplare sind im Folgenden aufgelistet:

  • Urteil zur Abgabepflicht von Online-Publikationen: 2010 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in der Sache VgT Verein gegen Tierfabriken gegen Schweiz, dass die Abgabepflicht auch für Online-Publikationen gilt und keine Verletzung der Meinungsfreiheit darstellt.
  • Urteil zur Ablieferung von Pflichtexemplaren bei institutionellem Publizieren: Im Jahr 2017 entschied das VG Trier, dass eine Universität zur Ablieferung von zwei Pflichtexemplaren einer von ihr selbst publizierten Dissertation an die Universitätsbibliothek verpflichtet ist (Az. 1 K 7381/17.TR).
  • Urteil zur Ablieferung von Pflichtexemplaren bei Universitätsverlagen: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied 2021, dass die Ablieferung von Pflichtexemplaren auch Veröffentlichungen von Universitätsverlagen betrifft (Az. 9 AZR 341/19).

Es ist wichtig, auf dem Laufenden zu bleiben, um mögliche Auswirkungen auf die eigene Praxis zu erkennen und die Einhaltung der Pflichtexemplargesetze und damit verbundener Entscheidungen sicherzustellen.

Praxisbeispiele und Problemfelder

Die Anwendung der Pflichtexemplarregelungen ist in der Praxis vielfältig und kann unterschiedliche Aspekte betreffen:

Autoren: Als Urheber eines Werkes sind Sie für die Ablieferung von Pflichtexemplaren zuständig, sollten Sie diese Verantwortung nicht an einen Dritten (z.B. Verlag) übertragen haben. In Ihrer Rolle als Autor sollten Sie sicherstellen, dass Sie über ausreichende Informationen bezüglich der Pflichtexemplarregelungen verfügen und diese einhalten.

Verlage: Verlage sind in der Regel damit beauftragt, die Pflichtexemplare für alle von ihnen veröffentlichten Publikationen abzuliefern. Sie sollten sicherstellen, dass alle erforderlichen Exemplare rechtzeitig und vollständig bei den zuständigen Institutionen eingereicht werden, um Konsequenzen zu vermeiden.

Bibliotheken und Sammlungsstellen: Als beauftragte Institutionen für die Entgegennahme von Pflichtexemplaren sind Bibliotheken und Sammlungsstellen dafür verantwortlich, das kulturelle Erbe zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sie sollten alle rechtlichen Bestimmungen bezüglich Pflichtexemplaren kennen und umsetzen, sowie mit Autoren und Verlagen an deren Einhaltung arbeiten.

In der Praxis können immer wieder Problemfelder auftauchen, wie zum Beispiel Fragen zur Abgrenzung des Veröffentlichungsbegriffs, zur Archivierung von Online-Publikationen oder zur internationalen Koordination von Pflichtexemplarregelungen. Daher ist es unabdingbar, sich ständig fortzubilden und up to date zu bleiben, um diesen Herausforderungen adäquat begegnen zu können.

FAQ – Häufig gestellte Fragen

Wichtige Fragen beantworten wir in diesem Abschnitt.

Frage: Wie viele Pflichtexemplare sind gesetzlich vorgeschrieben?

Antwort: Die Anzahl der Pflichtexemplare variiert von Land zu Land und kann auch innerhalb eines Landes unterschiedlich sein – wie etwa innerhalb der verschiedenen Bundesländer Deutschlands. Die genaue Anzahl der geforderten Exemplare ist in den jeweiligen Pflichtexemplargesetzen geregelt.

Frage: Gilt die Pflichtexemplarregelung auch für Online-Publikationen, E-Books, Software oder audiovisuelle Medien?

Antwort: Ja, in den meisten Fällen ist auch die Abgabe von Online-Publikationen, E-Books, Software oder audiovisuellen Medien als Pflichtexemplare vorgesehen. Die genauen Regelungen müssen jedoch im Einzelfall anhand des jeweiligen Pflichtexemplargesetzes betrachtet werden.

Frage: Muss ich als Autor mein selbstveröffentlichtes Buch als Pflichtexemplar abliefern?

Antwort: Ja, in der Regel sind auch Autoren, die ihre eigenen Werke publizieren, zur Abgabe von Pflichtexemplaren verpflichtet. Die spezifischen Regelungen variieren jedoch von Land zu Land und sollten in jedem Einzelfall geprüft werden.

Frage: Welche Sanktionen gibt es bei Nichteinhaltung der Pflichtexemplarregelungen?

Antwort: Bei Nichtbefolgung der Pflichtexemplargesetze können Bußgelder oder andere Sanktionen verhängt werden. Die konkreten Regelungen variieren von Land zu Land und sollten im Einzelfall überprüft werden.

Frage: Inwieweit sind Bibliotheken oder Sammlungsstellen berechtigt, Pflichtexemplare aktiv einzufordern?

Antwort: In vielen Ländern sind Bibliotheken oder Sammlungsstellen dazu befugt, Pflichtexemplare aktiv von Verlagen, Herausgebern oder Autoren einzufordern. Dennoch sollten die genauen Regelungen und Zuständigkeiten im Einzelfall immer anhand des jeweiligen Pflichtexemplargesetzes überprüft werden.

Frage: Wie steht es mit urheberrechtlichen Aspekten bei Pflichtexemplaren?

Antwort: In der Regel ist in den gesetzlichen Regelungen klar festgelegt, dass die Abgabe von Pflichtexemplaren keine Urheberrechtsverletzung darstellt. Daher entstehen durch die Ablieferung und öffentliche Bereitstellung von Pflichtexemplaren keine Probleme im Urheberrechtskontext.

Pflichtexemplar – ein wichtiges Konzept

Die Thematik der Pflichtexemplare, die gesetzlichen Anforderungen und Regelungen sind vielschichtig und von bedeutender Relevanz für das dauerhafte kulturelle Gedächtnis und den Zugang zu Wissen und Informationen. Durch die Einhaltung der Pflichtexemplargesetze tragen Autoren, Verlage, Bibliotheken und Sammlungsstellen aktiv dazu bei, die Kontinuität der Informationsgesellschaft zu sichern und kommenden Generationen den Zugang zum gesamten Spektrum des zeitgenössischen Wissens zu ermöglichen.

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