Pflichtteilsberechtigter verlangt Wertgutachten: Ein immer wiederkehrendes Thema im Erbrecht ist das Verlangen nach einem Wertgutachten für den Nachlass. In diesem umfassenden Artikel möchte ich Ihnen die gesetzlichen Grundlagen für solche Forderungen näherbringen, aufzeigen, welche Optionen Sie haben, um sich dagegen zu wehren und nicht zuletzt auch wertvolle Praxistipps und Ratschläge aus meiner langjährigen Berufserfahrung geben. Dabei gehe ich auf anonymisierte Fallbeispiele, rechtliche Ausführungen und hilfreiche Checklisten ein, um Ihnen das Thema bestmöglich zu vermitteln.
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen des Pflichtteils im Erbrecht
- Wann ist ein Wertgutachten angebracht?
- Gesetzliche Grundlagen für das Verlangen eines Wertgutachtens
- Optionen zur Wehrsetzung gegen das Verlangen eines Wertgutachtens
- Das Thema Pflichtteilsrecht und Gutachterkosten verstehen
- Anonymisierte Mandantengeschichten und Fallbeispiele
- FAQs aus der Praxis: Häufige Fragen und Antworten
- Checkliste: Wann sollten Sie selbst ein Wertgutachten in Erwägung ziehen?
Grundlagen des Pflichtteils im Erbrecht
Der Pflichtteil ist ein gesetzliches Mindesterbrecht, das nahen Angehörigen zusteht, wenn sie durch das Testament oder den Erbvertrag vom Erbe ausgeschlossen wurden. Ziel des Pflichtteils ist es, die finanzielle Versorgung der nächsten Angehörigen auch gegen den Willen des Erblassers sicherzustellen. Zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten zählen die direkten Abkömmlinge des Verstorbenen (Kinder, Enkel, Urenkel), der Ehegatte sowie die Eltern des Erblassers.
Wann ist ein Wertgutachten angebracht?
Ein Wertgutachten ist meist dann von Bedeutung, wenn es um die Bewertung von Immobilien oder anderen wertvollen Vermögensgegenständen innerhalb des Nachlasses geht. Der Pflichtteilsberechtigte hat ein Interesse daran, den genauen Wert der Erbschaft zu erfahren, um seinen Pflichtteilanspruch korrekt berechnen zu können. Aus diesem Grund kann er die Erben auffordern, die Vermögenswerte durch ein Wertgutachten schätzen zu lassen.
Gesetzliche Grundlagen für das Verlangen eines Wertgutachtens
Die rechtliche Grundlage für das Verlangen eines Wertgutachtens durch den Pflichtteilsberechtigten ergibt sich aus den Paragraphen 2314 und 2315 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Der Pflichtteilsberechtigte hat gegen die Erben einen Auskunftsanspruch über den Bestand des Nachlasses und darüber, welche Vermächtnisse und Auflagen der Erblasser angeordnet hat (§ 2314 BGB). Laut § 2315 BGB hat der Pflichtteilsberechtigte auch einen Wertermittlungsanspruch, der es ihm ermöglicht, die Auskunft über den Bestand des Nachlasses unter anderem durch ein Wertgutachten zu konkretisieren.
Optionen zur Wehrsetzung gegen das Verlangen eines Wertgutachtens
Als Erbe haben Sie verschiedene Möglichkeiten, sich gegen das Verlangen eines Wertgutachtens zu wehren:
- Vereinbaren Sie mit dem Pflichtteilsberechtigten einvernehmlich einen Wert für die strittigen Vermögensgegenstände, um ein aufwendiges und kostspieliges Wertgutachten zu vermeiden.
- Weisen Sie den Pflichtteilsberechtigten darauf hin, dass er selbst ein Wertgutachten in Auftrag geben und die entstehenden Kosten tragen kann – sofern Sie nicht zur Wertermittlung verpflichtet sind.
- Legen Sie dem Pflichtteilsberechtigten eigene Schätzungen und Belege für den Wert der betroffenen Vermögensgegenstände vor und suchen Sie das Einvernehmen über diese Werte.
- Bestreiten Sie die Voraussetzungen für das Verlangen eines Wertgutachtens und ziehen Sie im Zweifel anwaltlichen Rat hinzu.
Ein erfahrener Anwalt für Erbrecht kann Ihnen bei der rechtlichen Bewertung Ihres Falls und der Abwehr unberechtigter Forderungen nach einem Wertgutachten wertvolle Unterstützung bieten.
Das Thema Pflichtteilsrecht und Gutachterkosten verstehen
Bevor wir ins Detail gehen, ist es wichtig, sich ein grundlegendes Verständnis für das Pflichtteilsrecht und die damit verbundenen Gutachterkosten anzueignen.
- Der Pflichtteil ist geregelt in den §§ 2303 ff BGB und stellt einen Anspruch auf einen prozentualen Anteil des Nachlasses dar. Dieser beträgt in der Regel 50 % des gesetzlichen Erbteils.
- Das Pflichtteilsrecht bietet also einen Schutz für nahe Angehörige, sodass diese nicht vollständig von der Erbschaft ausgeschlossen werden können.
- Für die Ermittlung des Pflichtteils muss der Wert des Nachlasses festgestellt werden. Hierbei können Gutachterkosten anfallen, insbesondere dann, wenn es im Nachlass Immobilien oder Unternehmen gibt.
- Die Begleichung dieser Kosten ist gesetzlich nicht geregelt und ist oft Gegenstand von Auseinandersetzungen.
Wer trägt die Gutachterkosten?
Im Falle, dass die Bewertung des Nachlasses durch einen Gutachter notwendig wird, um den Pflichtteilsanspruch zu ermitteln, stellt sich häufig die Frage, wer die Kosten für das Gutachten trägt.
Grundsätzlich ist zu sagen, dass jeder seinen Gutachter selbst bezahlt. Das bedeutet, dass der Erbe und der Pflichtteilsberechtigte jeweils für ihre Gutachter aufkommen. Dabei kann der Pflichtteilsberechtigte die Kosten für sein Gutachten auch als Nachlassverbindlichkeiten geltend machen.
Nachlassverbindlichkeiten mindern den Erbanteil und somit auch den Pflichtteil, sodass im Ergebnis die Kosten auf alle Erben umgelegt werden.
Das Urteil des Landgerichts Arnsberg
Allerdings gibt es auch eine gerichtliche Entscheidung, die diese Sichtweise modifiziert: Das Landgericht Arnsberg hat in einem Urteil vom 17. September 2021 entschieden, dass ein Pflichtteilsberechtigter unter gewissen Umständen die Kosten für sein Gutachten vom Erben erstattet verlangen kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Erbe an einem zu niedrigen Wert festhält und der Pflichtteilsberechtigte ein Gutachten zur Ermittlung des wahren Werts in Auftrag gibt.
Mit diesem Urteil wurde im Grundsatz bestätigt, dass der Erbe verpflichtet ist, dem Pflichtteilsberechtigten Auskunft über den Bestand und den Wert des Nachlasses zu erteilen.
Kommt der Erbe dieser Pflicht nicht korrekt nach und hält an einer zu niedrigen Bewertung fest, so kann der Pflichtteilsberechtigte auf Kosten des Erben ein Gutachten zur Feststellung des wahren Wertes in Auftrag geben.
Anonymisierte Mandantengeschichten und Fallbeispiele
In meiner langjährigen Praxis als Erbrechtsanwalt sind mir zahlreiche Fälle begegnet, in denen ein Pflichtteilsberechtigter ein Wertgutachten verlangte. Hier möchte ich Ihnen zwei anonymisierte Fallbeispiele vorstellen, um Ihnen die Thematik näherzubringen:
- Fallbeispiel 1: Eine Mandantin erbte gemeinsam mit ihrem Bruder ein Haus von ihrem verstorbenen Vater. Die Schwester des verstorbenen Vaters, eine Tante der Mandantin, hatte einen Pflichtteilsanspruch. Sie verlangte von den Geschwistern ein Wertgutachten für das Haus, um ihre Pflichtteilsforderung konkretisieren zu können. Hier konnte ich der Mandantin helfen, ein Einvernehmen mit der Tante über den Wert des Hauses zu erzielen und das Wertgutachten zu vermeiden.
- Fallbeispiel 2: Ein Mann wurde von seiner Ehefrau enterbt. Er hatte als Pflichtteilsberechtigter einen Anspruch auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Der Erblasser hinterließ neben dem gemeinsamen Wohnhaus auch eine wertvolle Oldtimersammlung. Der enterbte Ehemann verlangte von den Erben – den beiden Kindern des Ehepaars – ein Wertgutachten, um seinen Pflichtteil berechnen zu können. In diesem Fall konnte ich den Kindern dabei helfen, eine einvernehmliche Lösung mit ihrem Vater zu finden und die Notwendigkeit eines Gutachtens abzuwenden.
FAQs aus der Praxis: Häufige Fragen und Antworten
Im Folgenden haben wir die am häufigsten gestellten Fragen für Sie zusammengestellt.
- Frage: Kann sich der Erbe gegen das Verlangen eines Wertgutachtens wehren, indem er den Nachlassverwalter in Anspruch nimmt?
- Antwort: Grundsätzlich kann der Erbe darauf verweisen, dass der Nachlassverwalter die Inventarisierung und Bewertung des Nachlasses vorgenommen hat. Allerdings ersetzt diese Bewertung nicht zwingend das verlangte Wertgutachten. Es kann weiterhin vorkommen, dass der Pflichtteilsberechtigte aufgrund weiterer Umstände oder begründeter Zweifel an der Richtigkeit der Nachlassverwaltung ein zusätzliches Wertgutachten verlangt.
- Frage: Wer trägt die Kosten für das Wertgutachten?
- Antwort: In der Regel sind die Kosten für das Wertgutachten vom Nachlass zu tragen, sodass sie letztendlich die Erben belasten. Es gibt jedoch auch Konstellationen, in denen der Pflichtteilsberechtigte die Kosten selbst tragen muss – beispielsweise wenn das Gutachten unnötig und ohne rechtliche Grundlage gefordert wurde.
- Frage: Wie lange kann der Pflichtteilsberechtigte nach dem Erbfall ein Wertgutachten verlangen?
- Antwort: Der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Auskunft und Wertermittlung ist verjährungsrechtlich den allgemeinen Regelungen unterworfen, sodass der Anspruch in der Regel nach drei Jahren verjährt. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 BGB mit Ablauf des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von seiner Berechtigung erlangt hat bzw. ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
Checkliste: Wann sollten Sie selbst ein Wertgutachten in Erwägung ziehen?
Es gibt Situationen, in denen es für Sie als Erbe ratsam sein kann, selbst ein Wertgutachten beizubringen, bevor es vom Pflichtteilsberechtigten gefordert wird. Diese Checkliste soll Ihnen dabei helfen, in solchen Situationen eine fundierte Entscheidung zu treffen:
- Sind im Nachlass wertvolle oder schwer einschätzbare Vermögensgegenstände wie Immobilien, Kunstobjekte oder Oldtimer enthalten?
- Ist der Wert der Nachlassgegenstände im Testament oder innerhalb der Erbauseinandersetzung umstritten?
- Besteht die Gefahr, dass der Pflichtteilsberechtigte den Erben etwaige Minderungen des Nachlasswertes durch Veräußerung von Vermögensgegenständen vorhält?
- Sind Pflichtteilsberechtigte vorhanden, mit denen eine offene und vertrauensvolle Kommunikation über den Nachlasswert unmöglich ist?
- Möchten Sie als Erbe alle Unsicherheiten im Vorfeld klären, um später keine rechtlichen Auseinandersetzungen mit dem Pflichtteilsberechtigten zu riskieren?
Wenn mehrere der oben genannten Punkte zutreffen, kann es ratsam sein, selbst ein Wertgutachten in Auftrag zu geben oder zumindest die Möglichkeiten dafür ausführlich mit einem erfahrenen Anwalt im Erbrecht zu besprechen.
Abschließend möchte ich betonen, dass der Umgang mit Wertgutachten und Pflichtteilsansprüchen eine komplexe und vielschichtige Thematik darstellt, die juristische Expertise erfordert. Wenn Sie als Erbe mit der Forderung eines Pflichtteilsberechtigten nach einem Wertgutachten konfrontiert sind, empfehle ich Ihnen dringend, sich rechtlich beraten zu lassen, um alle Optionen zu prüfen und die beste Lösung für Ihren individuellen Fall zu finden. Als erfahrener Anwalt stehe ich Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung, um Ihre Fragen zu klären und Sie bei der Durchsetzung Ihrer Rechte zu unterstützen. Zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren und mich an Ihrer Seite zu wissen, wenn es darum geht, sich erfolgreich gegen unberechtigte Forderungen eines Pflichtteilsberechtigten zu wehren.
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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter

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