Prozessuale Einverständniserklärung – Als notwendiges Instrument im Rechtsstreit nimmt die prozessuale Einverständniserklärung eine zentrale Rolle ein. Sie ermöglicht es, bestimmte rechtliche Positionen, Tatsachen und Umstände anzuerkennen oder zu akzeptieren, ohne dass es zu einer kompletten Aufgabe des Rechtsstreits oder einer nachteiligen Einigung kommt.

Besonders in zivilrechtlichen Streitigkeiten kann die prozessuale Einverständniserklärung eine effektive und kostensparende Methode sein, um Auseinandersetzungen zu beenden oder auf ein Minimum zu reduzieren. In diesem Artikel möchten wir Ihnen die Bedeutung der prozessualen Einverständniserklärung näherbringen und die praktische Relevanz dieses Instruments im Rechtsstreit aufzeigen.

Inhaltsverzeichnis:

  • Die prozessuale Einverständniserklärung – Begriffsdefinition und Bedeutung
  • Formen der prozessualen Einverständniserklärung – Das Teileinverständnis und das erklärte Einverständnis
  • Die prozessuale Einverständniserklärung in der Rechtsprechung
  • Strategische Nutzung der prozessualen Einverständniserklärung im Rechtsstreit
  • Prozessuale Einverständniserklärung und Gestaltungsmöglichkeiten für Anwälte
  • Praktische Umsetzung der Prozessuale Einverständniserklärung: Checkliste und Beispiele
  • FAQs: Häufig gestellte Fragen zur prozessualen Einverständniserklärung

Die prozessuale Einverständniserklärung – Begriffsdefinition und Bedeutung

Die prozessuale Einverständniserklärung ist eine rechtliche Erklärung, die eine Partei in einem gerichtlichen Verfahren abgibt und die dazu führt, dass ein bestimmter Sachverhalt oder eine bestimmte Rechtsposition als unstreitig angesehen wird. Dies hat zur Folge, dass das Gericht diesen Sachverhalt bzw. diese Rechtsposition nicht mehr überprüfen oder in Zweifel ziehen darf und die jeweilige Partei keine Beweismittel mehr dazu vorbringen kann.

Die Bedeutung der prozessualen Einverständniserklärung liegt vor allem in ihrer prozessökonomischen Funktion. Durch die Erklärung wird der Umfang der gerichtlichen Auseinandersetzung reduziert, was wiederum zu einer Reduzierung der Verfahrensdauer und der Prozesskosten führt.

Insbesondere in Fällen, in denen es um komplexe rechtliche oder tatsächliche Fragestellungen geht, kann die prozessuale Einverständniserklärung einen bedeutenden Beitrag zur Vereinfachung und Beschleunigung eines Rechtsstreits leisten.

Formen der prozessualen Einverständniserklärung – Das Teileinverständnis und das erklärte Einverständnis

Im Wesentlichen gibt es zwei Formen der prozessualen Einverständniserklärung: das Teileinverständnis und das erklärte Einverständnis.

Beim Teileinverständnis gibt die erklärende Partei zu erkennen, dass sie bestimmte Sachverhalte oder Rechtspositionen im Rechtsstreit nicht bestreitet und somit als unstreitig ansieht, während sie gleichzeitig andere Teile des Sachverhalts oder der Rechtsposition weiterhin streitig stellt. Das Teileinverständnis kann sowohl im schriftlichen Verfahren als auch mündlich vor Gericht abgegeben werden.

Das erklärte Einverständnis hingegen ist eine ausdrückliche Zustimmung zu einer bestimmten Position, welcher nicht nur die Unstreitigkeit bzw. das Unbestrittensein beinhaltet, sondern auch signalisiert, dass die erklärende Partei mit der Position einverstanden ist. Dies kann etwa beispielsweise als schriftliche Einwilligung zu einer etwaigen zu entrichtenden Geldsumme oder Räumungsverpflichtung oder im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erfolgen.

Die prozessuale Einverständniserklärung in der Rechtsprechung

In der Rechtsprechung hat die prozessuale Einverständniserklärung insbesondere durch höchstrichterliche Entscheidungen an Bedeutung gewonnen. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Vielzahl von Urteilen die prozessuale Einverständniserklärung als zentrales Instrument der Prozessökonomie anerkannt und seine Auffassung zu den verschiedenen Formen und Voraussetzungen der prozessualen Einverständniserklärung präzisiert.

Insbesondere hat der BGH betont, dass die prozessuale Einverständniserklärung wirksam und rechtlich bindend ist, sobald sie von einer Partei abgegeben wurde und der Erklärungsempfänger sich darauf verlassen darf, dass die Partei an ihrer Erklärung festhält. Dementsprechend ist es für das Gericht und die jeweilige Gegenpartei zulässig, die prozessuale Einverständniserklärung als neue prozessuale Situation zu berücksichtigen und ihre Positionen und Strategien darauf abzustimmen.

Strategische Nutzung der prozessualen Einverständniserklärung im Rechtsstreit

Die prozessuale Einverständniserklärung kann in verschiedenen Situationen des Rechtsstreits eine effektive und strategische Rolle spielen. Dabei gibt es sowohl für die klagende als auch für die beklagte Partei verschiedene Anwendungsmöglichkeiten und Gestaltungsfreiräume:

  • Verfahrensbeschleunigung: Durch die prozessuale Einverständniserklärung können die Parteien das Verfahren beschleunigen, indem sie bestimmte streitige Sachverhalte oder Rechtspositionen als unstreitig anerkennen und somit das Gericht von einer weiteren Prüfung oder Beweiserhebung entbinden.
  • Prozesskostenreduzierung: Indem bestimmte Sachverhalte oder Rechtspositionen als unstreitig anerkannt werden, können die Parteien die notwendigen Beweisantritte und -verfahren reduzieren und somit ihre Prozesskosten verringern.
  • Vermeidung von Prozessrisiken: Die Erklärung eines Teileinverständnisses oder eines erklärten Einverständnisses in Bezug auf bestimmte Streitpunkte kann zur Vermeidung von Prozessrisiken beitragen, indem sie es der Partei ermöglicht, sich auf die wirklich essenziellen und streitigen Punkte in einem Rechtsstreit zu konzentrieren.

Prozessuale Einverständniserklärung und Gestaltungsmöglichkeiten für Anwälte

Für Anwälte bietet die prozessuale Einverständniserklärung zahlreiche Möglichkeiten, ihre Mandanten effektiv und zielgerichtet im Rechtsstreit zu vertreten. Zu den wichtigsten Gestaltungsmöglichkeiten und -methoden gehören:

  • Einvernehmliche Festlegung von Streitgegenständen: Anwälte können gemeinsam mit ihren Mandanten und der jeweiligen Gegenpartei bestimmte Sachverhalte oder Rechtspositionen als unstreitig vereinbaren und somit den Umfang des Rechtsstreits reduzieren.
  • Verhandlung von Teileinverständnissen: Anwälte können im Rahmen von Verhandlungen mit der Gegenpartei oder vor Gericht Teileinverständnisse anbieten oder einfordern, um auf diese Weise eine gütliche Einigung oder eine Reduzierung der Streitigkeit zu erreichen.
  • Erarbeitung von prozessualen Einverständniserklärungen: Anwälte können im Rahmen der Prozessführung und Strategieentwicklung gezielt prozessuale Einverständniserklärungen erarbeiten und ihre Mandanten dabei unterstützen, diese abzugeben oder entgegenzunehmen.
  • Einschätzung von Prozessrisiken: Anwälte können die prozessuale Einverständniserklärung nutzen, um die Prozessrisiken für ihre Mandanten einzuschätzen und gegebenenfalls eine Anpassung ihrer Prozessstrategie vorzunehmen.
  • Einbindung in Vergleichsverhandlungen: Schließlich können Anwälte die prozessuale Einverständniserklärung in Vergleichsverhandlungen einbinden und hierdurch einen Beitrag zur Streitbeilegung oder Verfahrensbeschleunigung leisten.

Praktische Umsetzung der Prozessuale Einverständniserklärung: Checkliste und Beispiele

Um die prozessuale Einverständniserklärung effektiv und rechtssicher zu gestalten, sollten einige grundlegende Aspekte im Rahmen der Prozessführung berücksichtigt werden. Die folgende Checkliste gibt einen Überblick über die wichtigsten Punkte:

  1. Prüfung der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der prozessualen Einverständniserklärung im konkreten Einzelfall
  2. Ausarbeitung einer klaren und eindeutigen Formulierung der prozessualen Einverständniserklärung
  3. Einbindung der Mandanten in die Erstellung und Abgabe der prozessualen Einverständniserklärung
  4. Abgabe der prozessualen Einverständniserklärung gegenüber dem Gericht und der jeweiligen Gegenpartei
  5. Dokumentation der prozessualen Einverständniserklärung im Rahmen der Prozessakten und -unterlagen
  6. Anpassung der Prozessstrategie und -führung in Abhängigkeit von der prozessualen Einverständniserklärung
  7. Überwachung der Einhaltung und Umsetzung der prozessualen Einverständniserklärung im weiteren Verfahrensverlauf

Zur Veranschaulichung der praktischen Anwendung der prozessualen Einverständniserklärung seien im Folgenden zwei Beispiele angeführt:

Beispiel 1: In einem zivilrechtlichen Streit um einen Verkehrsunfall erklärt die beklagte Partei durch ihren Anwalt gegenüber dem Gericht und der klagenden Partei ein Teileinverständnis hinsichtlich der Unfallursache und der dadurch entstandenen Schäden. Die beklagte Partei bestreitet jedoch weiterhin die Höhe der von der klagenden Partei geforderten Schadensersatzforderung. Durch das Teileinverständnis wird der Rechtsstreit auf die streitige Schadenshöhe verkürzt und die Verfahrensdauer und -kosten reduziert.

Beispiel 2: In einem Mietrechtsstreit erklären beide Parteien übereinstimmend eine prozessuale Einverständniserklärung bezüglich der beiderseitigen Pflichten und Rechte aus dem Mietvertrag. Damit wird die gerichtliche Auseinandersetzung auf die konkreten streitigen Punkte (z. B. die Höhe der Mieterhöhung oder die Berechtigung einer Kündigung) begrenzt und für die Verfahrensbeteiligten überschaubarer und einfacher gestaltet.

FAQs: Häufig gestellte Fragen zur prozessualen Einverständniserklärung

Nachfolgend finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Thema prozessuale Einverständniserklärung:

Was ist der Zweck einer prozessualen Einverständniserklärung?

Der Zweck einer prozessualen Einverständniserklärung besteht darin, den Streitgegenstand und somit das Verfahren zu verkürzen und damit die Verfahrensdauer und Kosten zu reduzieren. Zudem dient sie der Vereinfachung und Klarstellung des rechtlichen Streitstoffes und ermöglicht den Parteien, sich auf die wirklich streitigen Punkte in einem Rechtsstreit zu konzentrieren.

Wann sollte man eine prozessuale Einverständniserklärung abgeben?

Eine prozessuale Einverständniserklärung sollte dann abgegeben werden, wenn die jeweilige Partei dafür bestimmte Vorteile oder strategische Ziele erwartet, wie beispielsweise die Verkürzung des Verfahrens, die Reduzierung der Prozesskosten, die Vermeidung von Prozessrisiken oder die Erleichterung einer einvernehmlichen Streitbeilegung.

Wie wird eine prozessuale Einverständniserklärung abgegeben?

Die prozessuale Einverständniserklärung kann sowohl schriftlich im Rahmen des schriftlichen Vorverfahrens oder der Klageerwiderung als auch mündlich in einer mündlichen Verhandlung abgegeben werden. Entscheidend ist, dass die Erklärung klar und eindeutig formuliert ist und von der Gegenpartei sowie dem Gericht als solche erkannt und verstanden wird.

Kann man eine prozessuale Einverständniserklärung zurücknehmen?

Grundsätzlich gilt eine prozessuale Einverständniserklärung als unwiderruflich und bindend, sobald sie von der Partei abgegeben und vom Gericht und der Gegenpartei zur Kenntnis genommen wurde. Eine Rücknahme der Erklärung ist im Regelfall nicht möglich und würde das Vertrauen der Verfahrensbeteiligten und die Prozessökonomie ernsthaft beeinträchtigen.

Ausnahmsweise kann eine prozessuale Einverständniserklärung nur dann zurückgenommen oder abgeändert werden, wenn hierfür besondere Gründe vorliegen, wie etwa eine Änderung der Sach- oder Rechtslage oder eine beiderseitige Einwilligung der Parteien.

Kann eine prozessuale Einverständniserklärung zu meinen Ungunsten verwendet werden?

Die prozessuale Einverständniserklärung stellt eine bindende und unwiderrufliche rechtliche Positionierung einer Partei dar, die sowohl für als auch gegen diese verwendet werden kann. Daher ist es wichtig, dass die Erklärung wohlüberlegt und strategisch formuliert wird und die jeweiligen Interessen und Ziele der Partei bestmöglich berücksichtigt.

Fazit: Die Bedeutung der prozessualen Einverständniserklärung im Rechtsstreit

Insgesamt zeigt sich, dass die prozessuale Einverständniserklärung ein bedeutendes und vielseitiges Instrument in der Prozessführung darstellt. Sie ermöglicht es den beteiligten Parteien und ihren Anwälten, Verfahren effizienter, zielgerichteter und kostensparender zu gestalten und sich auf die essenziellen Streitpunkte zu konzentrieren.

Durch die geschickte Nutzung der verschiedenen Formen der prozessualen Einverständniserklärung und die Beachtung der relevanten Gestaltungsmöglichkeiten können sowohl Mandanten als auch Anwälte ihre Position im Rechtsstreit optimieren und die Gerichte entlasten.

Letztlich trägt die prozessuale Einverständniserklärung dazu bei, die Justiz effizienter und ressourcenschonender zu gestalten, indem sie den Umfang und die Dauer von Rechtsstreitigkeiten reduziert und die Chancen auf einvernehmliche und zufriedenstellende Streitbeilegungen erhöht. Sie sollte daher als wertvolles Instrument in der anwaltlichen Praxis und Rechtsprechung weiterhin genutzt und gefördert werden.

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