Als erfahrene und kompetente Anwaltskanzlei konzentriert sich dieser Blog-Beitrag auf eine der weniger bekannten, aber potenziell sehr relevanten Rechtsformen: die Publikumsgesellschaft. Informationen zu Rechtsformen sind wertvoll für Unternehmer und Investoren, um die richtige Entscheidung beim Aufbau eines Unternehmens oder beim Investieren in eines zu treffen.
Wir werden die Publikumsgesellschaft eingehend analysieren, einschließlich ihrer Merkmale, gesetzlichen Anforderungen, Haftungsrisiken, Steuerfolgen und bei der Unternehmensauflösung. Außerdem wird der Beitrag mit einer FAQ-Liste wichtiger Fragen abschließen.
Unterscheidungsmerkmale einer Publikumsgesellschaft
Einige der Hauptmerkmale, die die Publikumsgesellschaft von anderen Gesellschaftsformen unterscheiden, sind:
- Die Beteiligung einer größeren Anzahl von Gesellschaftern – in der Regel mehr als fünf.
- Die Fähigkeit, Anteile öffentlich anzubieten, um mehr Investoren in die Gesellschaft zu locken.
- Die geringeren organisatorischen Anforderungen im Vergleich zu Kapitalgesellschaften – insbesondere der Verzicht auf einen formalen Vorstand.
- Die Verteilung der unternehmerischen Kontrolle und Entscheidungsfindung auf die Gesellschafter, was ihnen normalerweise volle Geschäftsführungsbefugnisse einräumt.
Die Publikumsgesellschaft ist weitgehend eine rechtliche und kommerzielle Entscheidung, die auf den spezifischen Bedürfnissen eines Unternehmens und seiner Eigentümer abzielt. Sie eignet sich in erster Linie für Unternehmen, bei denen eine breitere Beteiligung von Investoren gewünscht ist, ohne die formellen Strukturen einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien zu verlangen.
Gesetzliche Regelungen für Publikumsgesellschaften
Die Publikumsgesellschaft unterliegt einer Reihe gesetzlicher Regelungen. Dieser Abschnitt erläutert einige wichtige Regelungen, die für Publikumsgesellschaften gelten.
Gründung und Eintragung
Um eine Publikumsgesellschaft zu gründen, sind mindestens zwei Gründer erforderlich, die eine schriftliche Gründungsurkunde unterzeichnen. Die Gründungsurkunde enthält alle wesentlichen Angaben zu den Gründungsgesellschaftern und dem Unternehmen, wie etwa die Namen der Gesellschafter, die Geschäftsanschrift und die Firma.
Die Gründung einer Publikumsgesellschaft ist erst wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen ist. Danach werden die Gesellschafter beim zuständigen Registergericht eingetragen. Die Eintragung im Handelsregister dient der Rechtssicherheit und informiert die Öffentlichkeit über alle relevanten Daten.
Publikumsoffene Anteilsangebote
Publikumsgesellschaften sind berechtigt, Anteile öffentlich anzubieten, um Investoren zu gewinnen. Allerdings ist das Angebot solcher Wertpapiere an rechtliche Vorgaben gebunden. Gemäß §§ 264a, 264f Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) unterliegt ein solches Wertpapierangebot bestimmten Offenlegungsanforderungen und Prospektpflichten.
Die Aufsichtsgremien sorgen für die Überwachung dieser Offenlegungsanforderungen und rechtlichen Regelungen. Beispielsweise §§ 13 ff. Analysehausgesetz (AnaHG) geben Regeln für Aufsichtsbehörden und Informationsanforderungen zum Schutz der Investoren.
Haftung der Gesellschafter
Ein wichtiger Aspekt der Publikumsgesellschaft ist die unbeschränkte Haftung der Gesellschafter. Jeder Gesellschafter haftet unbeschränkt und anteilig mit seinem Privatvermögen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Ein einzelner Gesellschafter kann jedoch seine Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränken, indem er eine besondere Haftungsbeschränkung in der Gründungsurkunde vorsieht.
Diese Haftungsbeschränkung muss jedoch öffentlich bekannt gemacht werden und in das Handelsregister eingetragen werden, um wirksam zu sein. Trotzdem unterliegt die Haftungbeschränkung gewissen Beschränkungen, zum Beispiel können sie nicht für Steuerforderungen gelten.
Steuern bei Publikumsgesellschaften
Die Besteuerung von Publikumsgesellschaften unterscheidet sich von der Steuerbehandlung von Kapitalgesellschaften. Im Allgemeinen gelten die folgenden Regeln:
- Einkommensteuer – Gewinne der Publikumsgesellschaften werden direkt den Gesellschaftern zugerechnet und unterliegen entsprechend der persönlichen Einkommenssteuer jedes Gesellschafters.
- Gewerbesteuer – Die Gesellschaft ist gewerbesteuerpflichtig und muss auf ihre gewerblichen Gewinne Gewerbesteuer zahlen.
- Keine Körperschaftsteuer – Da Publikumsgesellschaften keine Kapitalgesellschaften sind, unterliegen sie nicht der Körperschaftsteuer.
- Umsatzsteuer – Die Gesellschaft muss Umsatzsteuer auf ihre Umsätze zahlen. Im Allgemeinen kann sie jedoch Vorsteuer abziehen und ist somit zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Auflösung und Liquidation einer Publikumsgesellschaft
Die Auflösung und Liquidation einer Publikumsgesellschaft ist ein Mehrstufenprozess, der mehrere Phasen umfasst. Dieser Prozess kann freiwillig oder gesetzlich erzwungen sein. Einige häufige Gründe für die Auflösung einer Publikumsgesellschaft sind:
- Eine Entscheidung der Gesellschafter, das Geschäft zu beenden und die Gesellschaft aufzulösen.
- Erreichen oder Überschreiten eines festgelegten Auflösungsdatums.
- Abschluss des Geschäftszwecks der Gesellschaft.
- Rechtliche Schritte, wie z.B. Insolvenzanträge, die zur Auflösung führen.
- Andere gesetzlich vorgeschriebene Gründe.
Phasen der Liquidation
Die Auflösung einer Publikumsgesellschaft umfasst im Wesentlichen folgende Schritte:
- Entscheidung zur Auflösung: Eine ordnungsgemäße Beschlussfassung der Gesellschafter ist erforderlich, um den Liquidationsprozess einzuleiten. In vielen Fällen erfordert der Gesellschaftsvertrag der Publikumsgesellschaft eine qualifizierte Mehrheit für diesen Beschluss.
- Eintragung der Auflösung: Die Liquidation der Publikumsgesellschaft muss in das Handelsregister eingetragen werden, um rechtswirksam zu sein. Dies dient dazu, die Öffentlichkeit über den Auflösungsprozess zu informieren.
- Bestellung eines Liquidators: Die Gesellschafter bestimmen einen oder mehrere Liquidatoren, die für die Abwicklung der Angelegenheiten der Gesellschaft und die Verteilung des Vermögens verantwortlich sind.
- Durchführung der Liquidation: Der Liquidator führt die Liquidation durch. Dazu gehört das Erstellen einer Abschlussbilanz, die Begleichung von Verbindlichkeiten, die Kündigung von Verträgen und die Veräußerung der Vermögenswerte der Gesellschaft. Überzählige Vermögenswerte werden nach der Begleichung aller Schulden unter den Gesellschaftern aufgeteilt.
- Löschung aus dem Handelsregister: Im letzten Schritt wird die erloschene Gesellschaft aus dem Handelsregister gelöscht. Dies beendet die Existenz der Publikumsgesellschaft endgültig.
Arten der Auflösung
Es gibt drei Hauptarten der Auflösung für eine Publikumsgesellschaft: reguläre Liquidation, Insolvenzverfahren und Fusion oder Verschmelzung mit einer anderen Gesellschaft.
1. Reguläre Liquidation: Dies ist der normale Liquidationsprozess, bei dem die Gesellschaft ihre Vermögenswerte verkauft, ihre Schulden begleicht und den verbleibenden Gewinn an die Gesellschafter verteilt. Diese Art der Auflösung ist am häufigsten und tritt in der Regel freiwillig oder aufgrund des Ablaufs der Gesellschaft auf.
2. Insolvenz: Im Falle einer Insolvenz wird die Auflösung aufgrund von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung erzwungen. Ein Insolvenzverfahren ist ein gerichtlich angeordnetes Verfahren, bei dem ein Insolvenzverwalter ernannt wird, um die Vermögenswerte der Gesellschaft zu verwerten, die Gläubiger befriedigt und die Reste des Vermögens – wenn vorhanden – an die Gesellschafter verteilt.
3. Fusion oder Verschmelzung: Eine Fusion oder Verschmelzung ermöglicht es zwei oder mehreren Unternehmen, sich zu einer einzigen Einheit zu vereinigen. In diesem Fall werden die Vermögenswerte und Schulden der beteiligten Gesellschaften auf die erwerbende Gesellschaft übertragen, und die ursprünglichen Gesellschaften werden aufgelöst, ohne in Liquidation zu treten.
Aktuelle Gerichtsurteile zu Publikumsgesellschaften
Im Folgenden werden einige aktuelle Gerichtsurteile zu verschiedenen Aspekten von Publikumsgesellschaften aufgeführt. Diese Urteile zeigen, wie Gerichte verschiedene Fragestellungen im Zusammenhang mit Publikumsgesellschaften entscheiden:
- Urteil des BGH vom 19.09.2018 (II ZR 12/17): In diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Frage der Haftung von Factoring-Unternehmen als stille Gesellschafter von Publikumsgesellschaften behandelt. Der BGH hat entschieden, dass Factoring-Unternehmen als stille Gesellschafter, deren Haftung auf die Einlage beschränkt ist, nicht für die Schulden der Gesellschaft haften sollen.
- Urteil des OLG Schleswig vom 25.04.2019 (5 U 9/18): Das Oberlandesgericht Schleswig hat in einem Rechtsstreit von Aktionären gegen ihre Publikumsgesellschaft entschieden, dass der Schadensersatzanspruch eines Aktionärs wegen einer irreführenden Kapitalmarktinformation gemäß § 37b WpHG auf die Differenz zwischen dem tatsächlichen und dem hypothetischen Börsenkurs des Papiers beschränkt ist.
- Urteil des BGH vom 22.10.2019 (II ZR 241/16): Der BGH legte in diesem Urteil fest, dass Aktionäre einer Publikumsgesellschaft nicht die Wiedereinsetzung des Beginns der Verjährungsfrist verlangen können, wenn sie bereits über wesentliche inside-informationen informiert sind, bevor sie Ansprüche gegen ihre Gesellschaft geltend machen.
FAQs zur Publikumsgesellschaft
Was ist eine Publikumsgesellschaft?
Eine Publikumsgesellschaft ist eine Rechtsform, bei der eine größere Anzahl von Gesellschaftern beteiligt ist und das Unternehmen Anteile öffentlich anbieten kann. Sie unterscheidet sich von Kapitalgesellschaften vor allem durch die unbeschränkte Haftung der Gesellschafter und die geringeren formellen Anforderungen an die Unternehmensführung.
Wie unterscheidet sich die Haftung in einer Publikumsgesellschaft von der in einer GmbH oder Aktiengesellschaft?
In einer Publikumsgesellschaft haften die Gesellschafter unbeschränkt und anteilig mit ihrem Privatvermögen für die Schulden der Gesellschaft, es sei denn, sie haben eine wirksame Haftungsbeschränkung vereinbart. In einer GmbH oder Aktiengesellschaft haften die Gesellschafter bzw. Aktionäre hingegen grundsätzlich nur beschränkt auf ihre Einlagen.
Wie wird eine Publikumsgesellschaft gegründet?
Eine Publikumsgesellschaft wird durch einen schriftlichen Gründungsvertrag zwischen mindestens zwei Gründern gegründet. Der Vertrag enthält alle wesentlichen Angaben zu den Gesellschaftern und der Gesellschaft. Die Gesellschaft muss in das Handelsregister eingetragen werden, um rechts- und handlungsfähig zu sein.
Welche steuerlichen Pflichten hat eine Publikumsgesellschaft?
Eine Publikumsgesellschaft ist verpflichtet, Einkommensteuer auf die Gewinne der Gesellschafter, Gewerbesteuer auf ihre gewerblichen Gewinne und Umsatzsteuer auf ihre Umsätze zu zahlen. Im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften unterliegen Publikumsgesellschaften jedoch nicht der Körperschaftsteuer.
Wie wird eine Publikumsgesellschaft aufgelöst?
Eine Publikumsgesellschaft kann aufgrund verschiedener Gründe aufgelöst werden, z. B. durch einen Gesellschafterbeschluss, Insolvenzantrag oder Fusion mit einer anderen Gesellschaft. Der Liquidationsprozess umfasst die Entscheidung zur Auflösung, die Eintragung der Auflösung in das Handelsregister, die Bestellung eines Liquidators, die Durchführung der Liquidation und die Löschung aus dem Handelsregister.
Gibt es für Publikumsgesellschaften spezielle Regelungen bei der Angebot von Wertpapieren an die Öffentlichkeit?
Ja, Publikumsgesellschaften unterliegen Offenlegungsanforderungen und Prospektpflichten gemäß §§ 264a, 264f Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), wenn sie Anteile öffentlich anbieten. Die Aufsichtsgremien sorgen für die Einhaltung dieser gesetzlichen Regelungen zum Schutz der Investoren.
Können Gesellschafter einer Publikumsgesellschaft ihre Haftung einschränken?
Ja, Gesellschafter einer Publikumsgesellschaft können ihre Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränken, indem sie eine besondere Haftungsbeschränkung in der Gründungsurkunde vorsehen. Diese Haftungsbeschränkung muss jedoch öffentlich bekannt gemacht und in das Handelsregister eingetragen werden, um wirksam zu sein. Trotzdem gelten für Haftungsbeschränkungen gewisse Beschränkungen, zum Beispiel können sie nicht für Steuerforderungen angewendet werden.
Abschluss zur Publikumsgesellschaft
Dieser umfassende Blogbeitrag hat das Wesen einer Publikumsgesellschaft eingehend erläutert, einschließlich der Unterscheidungsmerkmale, gesetzlichen Regelungen, Haftungsrisiken, steuerlichen Folgen und Aspekten der Unternehmensauflösung. Wir haben auch einige wichtige aktuelle Gerichtsurteile zu Publikumsgesellschaften vorgestellt und eine FAQ-Liste wichtiger Fragen zur Verfügung gestellt.
Mit diesem Wissen im Hintergrund können Unternehmer und Investoren die Vor- und Nachteile der Publikumsgesellschaft als Rechtsform besser einschätzen und entscheiden, ob sie für das geplante Vorhaben geeignet ist.
Falls Sie weitere Fragen zu Publikumsgesellschaften oder anderen Rechtsformen haben, stehen Ihnen unsere erfahrenen Anwälte gerne zur Verfügung. Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren, um eine rechtliche Beratung zu erhalten, die auf Ihre individuellen Bedürfnisse und Umstände zugeschnitten ist.
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