Das Vertragsrecht ist ein zentrales Element der Rechtsordnung und der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Privatpersonen und Unternehmen. In der täglichen Praxis kommt es jedoch immer wieder zu Situationen, in denen Verträge möglicherweise nicht so umgesetzt werden können, wie sie ursprünglich beabsichtigt waren. Eine solche Situation kann die sogenannte „relative Unwirksamkeit“ darstellen. In diesem Beitrag wollen wir dieses Konzept ausführlich untersuchen und erläutern, was es bedeutet, wie es auf verschiedene Vertragskonstellationen Anwendung finden kann, welche rechtlichen Konsequenzen es hat und wie Gerichtsurteile es prägen. Dafür werden wir zunächst in die Grundlagen der relativen Unwirksamkeit einführen und sie dann im Detail zusammentragen, um Ihnen ein umfassendes Verständnis dieser wichtigen Thematik zu ermöglichen.

Grundlagen der relativen Unwirksamkeit im Vertragsrecht

Das Konzept bezieht sich auf die Wirksamkeit von Verträgen und ist eng mit der Frage verbunden, ob ein Vertrag rechtswirksam geschlossen wurde oder nicht. Um einen wirksamen Vertrag zu schließen, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein, wie z. B. eine übereinstimmende Willenserklärung der Vertragspartner, die Einhaltung der Formvorschriften, eine zulässige Vertragsklausel usw. Sollte eine dieser Voraussetzungen nicht gegeben sein, so spricht man von einem „unwirksamen“ Vertrag. Dies kann jedoch unterschiedliche Auswirkungen auf die Vertragsparteien haben:

  • Absolute Unwirksamkeit: In diesem Fall ist der Vertrag von Anfang an nichtig und hat keine rechtlichen Folgen für die beteiligten Parteien. Das bedeutet, dass keine Verpflichtungen entstanden sind und keine Leistungen erbracht werden müssen.
  • Relative Unwirksamkeit: Im Gegensatz zur absoluten Unwirksamkeit hat der Vertrag bei der relativen Unwirksamkeit grundsätzlich Bestand, solange kein Betroffener die Unwirksamkeit geltend macht. Sobald die Unwirksamkeit jedoch gerichtlich festgestellt wurde, werden die Rechtsfolgen rückwirkend korrigiert.

Anwendungsgebiete der relativen Unwirksamkeit

Sie kann in verschiedenen Situationen auftreten und beispielsweise aufgrund der folgenden Umstände zur Anwendung kommen:

  • Anfechtbarkeit: Ein Vertrag kann unter bestimmten Umständen angefochten werden, z. B. wenn einer der Vertragspartner durch Täuschung oder Drohung zur Abgabe seiner Willenserklärung veranlasst wurde (§ 123 BGB). In solchen Fällen ist der Vertrag gemäß § 142 BGB erst ab dem Zeitpunkt unwirksam, in dem die Anfechtungserklärung zugeht.
  • Verstoß gegen das gesetzliche Schriftformerfordernis: Einige Verträge bedürfen einer bestimmten Form, wie z. B. der schriftlichen Form (§ 126 BGB) oder der notariellen Beurkundung (§ 128 BGB). Ist die Form eines solchen Vertrages fehlerhaft, kann dies zur relativen Unwirksamkeit führen, da der Vertrag grundsätzlich gültig wäre, solange keine der Vertragsparteien die Unwirksamkeit geltend macht.
  • Abgeschlossener Vertrag unter aufschiebender Bedingung: Ein Vertrag, der unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen wurde (§ 158 BGB), ist solange relativ unwirksam, bis die Bedingung eintritt.

Rechtsfolgen relative Unwirksamkeit

Die Rechtsfolgen hängen von den jeweiligen Umständen und dem konkreten Sachverhalt ab. Im Allgemeinen bewirkt die Feststellung der relativen Unwirksamkeit jedoch eine Rückabwicklung des Vertrages, als sei dieser nie zustande gekommen. Dabei sind die betroffenen Vertragsparteien dazu verpflichtet, ihre gegenseitigen Leistungen zurückzugewähren (§ 346 BGB). Die Rückabwicklung kann jedoch auch modifiziert werden, z. B. durch eine Anpassung des Vertrages, wenn dies rechtlich zulässig ist.

Relative Unwirksamkeit – Aktuelle Gerichtsurteile

Die Anwendung und Auslegung des Begriffs der relativen Unwirksamkeit wird durch Gerichtsurteile immer wieder konkretisiert und fortentwickelt. Im Folgenden stellen wir einige aktuelle Gerichtsentscheidungen vor, die sich mit dieser Thematik befassen:

  1. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 25.04.2018 – XII ZR 81/17: In diesem Fall ging es um die relative Unwirksamkeit eines Mietvertrages wegen Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis. Der BGH stellte klar, dass die relative Unwirksamkeit hier dazu führt, dass der ursprüngliche Vertrag rückwirkend als mündlicher Vertrag behandelt wird und somit eine kürzere Kündigungsfrist gilt.
  2. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 14.11.2018 – VIII ZR 26/17: In einem Fall, in dem ein Kaufvertrag über ein Grundstück unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen wurde, entschied der BGH, dass der Vertrag relativ unwirksam ist, solange die Bedingung noch nicht eingetreten ist.
  3. Landgericht (LG) Berlin, Urteil vom 27.04.2016 – 65 S 109/15: Das LG Berlin bestätigte die relative Unwirksamkeit einer Anfechtungserklärung in einem Fall von Täuschung beim Abschluss eines Mietvertrages. Hierdurch wurde der Vertrag rückabgewickelt und die Parteien mussten ihre gegenseitigen Leistungen zurückgewähren.

Relative Unwirksamkeit – FAQs

Im Folgenden beantworten wir einige häufig gestellte Fragen zur relativen Unwirksamkeit:

Gilt ein relativ unwirksamer Vertrag als nichtig?

Nein, ein relativ unwirksamer Vertrag ist nicht automatisch nichtig. Ein nichtiger Vertrag ist von Anfang an ungültig und nicht durchsetzbar, während ein relativ unwirksamer Vertrag seine Gültigkeit verliert, sobald die Unwirksamkeit von einer Partei geltend gemacht oder gerichtlich festgestellt wird.

Kann ein relativ unwirksamer Vertrag nachträglich geheilt werden?

Das hängt von den jeweiligen Umständen des Falles ab. In manchen Fällen kann eine Heilung der relativen Unwirksamkeit möglich sein, z. B. wenn das gesetzliche Schriftformerfordernis nachträglich eingehalten wird oder die aufschiebende Bedingung eintritt.

Muss ich einen relativ unwirksamen Vertrag trotzdem erfüllen?

Grundsätzlich sind Sie zur Erfüllung eines relativ unwirksamen Vertrages verpflichtet, solange die Unwirksamkeit nicht geltend gemacht oder gerichtlich festgestellt wurde. Hinsichtlich der möglichen Rechtsfolgen empfiehlt es sich jedoch, den Rat eines erfahrenen Rechtsanwalts einzuholen.

Wer kann die Unwirksamkeit eines relativ unwirksamen Vertrages geltend machen?

Im Falle der relativen Unwirksamkeit kann grundsätzlich jeder direkt betroffene Vertragspartner die Unwirksamkeit geltend machen. In bestimmten Fällen kann dies auch durch einen gesetzlichen Vertreter erfolgen, beispielsweise bei Minderjährigen oder Betreuten.

Wie kann ich feststellen, ob ein Vertrag relativ unwirksam ist?

Die Feststellung kann in vielen Fällen komplex sein und erfordert eine sorgfältige Prüfung der vertraglichen Vereinbarungen sowie der zugrunde liegenden Sachverhalte. Um sicherzustellen, dass ein Vertrag unter Umständen relativ unwirksam ist, sollten Sie einen erfahrenen Rechtsanwalt konsultieren, der Sie diesbezüglich beraten und die entsprechenden Schritte einleiten kann.

Die relative Unwirksamkeit – Abschlussbemerkungen

Die relative Unwirksamkeit ist ein bedeutsames Konzept im Vertragsrecht, das weitreichende Auswirkungen auf die Vertragsbeziehungen zwischen den beteiligten Parteien haben kann. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Unterscheidung zwischen absoluter und relativer Unwirksamkeit zu kennen und zu verstehen, welche Rechtsfolgen damit verbunden sind. Darüber hinaus ist es wichtig, sich der verschiedenen Anwendungsgebiete bewusst zu sein, um bei Bedarf entsprechende Ansprüche geltend machen zu können. In jedem Fall empfiehlt es sich, in solchen Situationen die rechtliche Beratung und Unterstützung eines erfahrenen Anwalts in Anspruch zu nehmen.

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