In einem Rechtsstaat spielt die Unparteilichkeit der Richter eine zentrale Rolle. Daher haben Verfahrensbeteiligte in bestimmten Situationen die Möglichkeit, die Ablehnung eines Richters zu beantragen. In diesem umfassenden Blog-Beitrag erfahren Sie alles über die Richterablehnung, wann und wie sie angestrebt werden sollte, sowie rechtliche Grundlagen, aktuelle Gerichtsurteile und FAQs.
Inhaltsverzeichnis
- Rechtliche Grundlagen der Richterablehnung
- Ablehnungsgründe: Befangenheit und Besorgnis der Befangenheit
- Verfahren der Richterablehnung
- Wichtigkeit des richtigen Timings bei der Richterablehnung
- Folgen einer erfolgreichen Richterablehnung
- Aktuelle Gerichtsurteile zur Richterablehnung
- Häufig gestellte Fragen (FAQs)
Rechtliche Grundlagen der Richterablehnung
Die rechtlichen Grundlagen für die Richterablehnung finden sich im deutschen Zivilprozessrecht in den §§ 41 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) und im Strafprozessrecht in den §§ 22 ff. der Strafprozessordnung (StPO). Diese Vorschriften legen die Voraussetzungen für die Ablehnung eines Richters fest und regeln das Verfahren.
Die Richterablehnung dient dem Schutz des Rechts auf ein faires Verfahren und der Unparteilichkeit des Gerichts. Sie soll sicherstellen, dass keine Partei benachteiligt wird, weil ein Richter nicht unparteiisch ist oder als nicht unparteiisch wahrgenommen wird.
Ablehnungsgründe: Befangenheit und Besorgnis der Befangenheit
Ein Richter kann gemäß § 42 Abs. 1 ZPO bzw. § 24 Abs. 2 StPO abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dieser Ablehnungsgrund wird als „Besorgnis der Befangenheit“ bezeichnet. Darüber hinaus kann ein Richter gemäß § 41 Nr. 1-7 ZPO bzw. § 22 StPO abgelehnt werden, wenn er in einer bestimmten Funktion oder Beziehung zu den Parteien oder dem Streitgegenstand steht, die seine Unparteilichkeit in Frage stellen könnte. Dieser Ablehnungsgrund wird als „Befangenheit“ bezeichnet.
Besorgnis der Befangenheit
Die Besorgnis der Befangenheit ist ein subjektiver Ablehnungsgrund. Es kommt darauf an, ob ein objektiver Betrachter bei vernünftiger Betrachtung Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters haben könnte. Dabei ist es unerheblich, ob der Richter tatsächlich befangen ist oder nicht.
Beispiele für die Besorgnis der Befangenheit sind:
- Äußerungen des Richters, die seine Voreingenommenheit gegenüber einer Partei oder deren Rechtsposition offenbaren
- Freundschaft oder persönliche Feindschaft zwischen dem Richter und einer Partei oder deren Rechtsanwalt
- Der Richter hat bereits in einer anderen Funktion über den Streitgegenstand entschieden (z.B. als Gutachter oder Schlichter)
Befangenheit
Die Befangenheit ist ein objektiver Ablehnungsgrund. Sie liegt vor, wenn der Richter in einer bestimmten Funktion oder Beziehung zu den Parteien oder dem Streitgegenstand steht, die seine Unparteilichkeit in Frage stellen könnte. Dabei ist es unerheblich, ob der Richter tatsächlich befangen ist oder nicht.
Beispiele für Befangenheit sind:
- Der Richter ist mit einer Partei verwandt oder verschwägert (§ 41 Nr. 1 und 2 ZPO bzw. § 22 Nr. 1 und 2 StPO)
- Der Richter oder ein naher Angehöriger ist an dem Rechtsstreit beteiligt (§ 41 Nr. 3 ZPO bzw. § 22 Nr. 3 StPO)
- Der Richter hat ein persönliches Interesse an der Sache (§ 41 Nr. 4 ZPO bzw. § 22 Nr. 4 StPO)
- Der Richter hat bereits als Zeuge oder Sachverständiger in der Sache ausgesagt (§ 41 Nr. 5 ZPO bzw. § 22 Nr. 5 StPO)
- Der Richter hat als Prozessbevollmächtigter, Beistand oder Vertreter einer Partei in der Sache gehandelt (§ 41 Nr. 6 ZPO bzw. § 22 Nr. 6 StPO)
- Der Richter ist als Schöffe oder ehrenamtlicher Richter von der Ausübung des Amtes ausgeschlossen (§ 41 Nr. 7 ZPO bzw. § 22 Nr. 7 StPO)
Verfahren der Richterablehnung
Um einen Richter abzulehnen, müssen die Parteien einen förmlichen Antrag auf Ablehnung stellen. Das Verfahren zur Richterablehnung ist in den §§ 43 ff. ZPO bzw. §§ 26 ff. StPO geregelt und umfasst im Wesentlichen folgende Schritte:
Antragstellung
Die Partei, die die Ablehnung eines Richters begehrt, muss einen schriftlichen Antrag bei dem zuständigen Gericht einreichen. Der Antrag muss die konkreten Ablehnungsgründe enthalten und sollte von einem Rechtsanwalt verfasst werden.
Stellungnahme des abgelehnten Richters
Nach Eingang des Antrags wird der abgelehnte Richter aufgefordert, zu den Ablehnungsgründen Stellung zu nehmen. Er kann den Ablehnungsantrag als begründet anerkennen oder eine dienstliche Äußerung abgeben.
Entscheidung über den Ablehnungsantrag
Die Entscheidung über den Ablehnungsantrag trifft das Gericht, dem der abgelehnte Richter angehört, ohne dessen Mitwirkung. Die Entscheidung erfolgt in der Regel durch Beschluss, gegen den Rechtsmittel eingelegt werden können.
Fortsetzung des Verfahrens
Wenn der Ablehnungsantrag begründet ist, wird der abgelehnte Richter von der weiteren Mitwirkung am Verfahren ausgeschlossen und durch einen anderen Richter ersetzt. Wenn der Ablehnungsantrag unbegründet ist, wird das Verfahren mit dem bisherigen Richter fortgesetzt.
Wichtigkeit des richtigen Timings bei der Richterablehnung
Beim Antrag auf Richterablehnung ist das richtige Timing entscheidend. Nach § 43 Abs. 1 ZPO bzw. § 25 Abs. 1 StPO muss der Ablehnungsantrag unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, gestellt werden, sobald der Ablehnungsgrund bekannt ist. Die Unverzüglichkeit ist eine formelle Voraussetzung für die Zulässigkeit des Antrags, deren Missachtung zur Verwerfung des Antrags führen kann.
Ein weiterer Aspekt des Timings betrifft die prozessuale Situation, in der der Ablehnungsantrag gestellt wird. In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, den Antrag erst zu einem späteren Zeitpunkt im Verfahren zu stellen, um eine günstigere Verfahrenskonstellation herbeizuführen oder um die Erfolgsaussichten des Antrags zu erhöhen.
Folgen einer erfolgreichen Richterablehnung
Eine erfolgreiche Richterablehnung führt dazu, dass der abgelehnte Richter von der weiteren Mitwirkung am Verfahren ausgeschlossen wird und durch einen anderen Richter ersetzt wird. Dies kann für die Partei, die den Ablehnungsantrag gestellt hat, Vorteile bringen, wenn der neue Richter objektiver und unparteiischer ist als der abgelehnte Richter.
Allerdings hat eine erfolgreiche Richterablehnung nicht zwangsläufig zur Folge, dass die bisherigen Entscheidungen und Maßnahmen des abgelehnten Richters unwirksam werden. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalls und den jeweiligen Verfahrensordnungen ab.
Aktuelle Gerichtsurteile zur Richterablehnung
Im Folgenden werden einige aktuelle Gerichtsurteile zur Richterablehnung vorgestellt, die die verschiedenen Aspekte des Themas verdeutlichen:
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.01.2020 – 5 StR 426/19
In diesem Fall hatte der Angeklagte die Richter des Landgerichts wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil sie in einem anderen Verfahren gegen ihn wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung verhandelt hatten. Der Bundesgerichtshof (BGH) wies den Ablehnungsantrag als unbegründet zurück und stellte fest, dass die bloße Mitwirkung der Richter an einem früheren Verfahren gegen den Angeklagten keine ausreichende Grundlage für die Besorgnis der Befangenheit darstellt.
Oberlandesgericht München, Beschluss vom 12.09.2019 – 24 W 1082/19
In diesem Zivilverfahren hatte die Klägerin die Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil diese in einer früheren Entscheidung eine einstweilige Verfügung gegen die Klägerin erlassen hatte. Das Oberlandesgericht München wies den Ablehnungsantrag als unbegründet zurück und führte aus, dass die bloße Tatsache, dass ein Richter in einem früheren Verfahren eine für die Partei ungünstige Entscheidung getroffen hat, keine ausreichende Grundlage für die Besorgnis der Befangenheit darstellt.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11.07.2019 – 2 BvR 1673/18
In diesem Fall hatte der Beschwerdeführer im Wege der Verfassungsbeschwerde die Verwerfung seines Ablehnungsantrags gegen einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit gerügt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gab der Beschwerde statt und stellte fest, dass der Ablehnungsantrag zu Unrecht verworfen worden war, weil die Ablehnungsgründe im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof nicht ausreichend gewürdigt worden waren.
Häufig gestellte Fragen (FAQs)
Kann ich einen Richter ohne Grund ablehnen?
Nein, ein Richter kann nur abgelehnt werden, wenn ein gesetzlicher Ablehnungsgrund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Eine Ablehnung ohne Grund ist unzulässig.
Was passiert, wenn mein Antrag auf Richterablehnung abgelehnt wird?
Wenn Ihr Antrag auf Richterablehnung abgelehnt wird, wird das Verfahren mit dem bisherigen Richter fortgesetzt. Es ist jedoch möglich, gegen die Ablehnung des Antrags Rechtsmittel einzulegen.
Kann ich einen Richter nach einer ungünstigen Entscheidung ablehnen?
Die bloße Tatsache, dass ein Richter eine für eine Partei ungünstige Entscheidung getroffen hat, ist in der Regel keine ausreichende Grundlage für die Ablehnung des Richters. Es müssen weitere Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen.
Wie oft kann ich einen Richter ablehnen?
Es gibt keine gesetzliche Begrenzung für die Anzahl der Richterablehnungen. Allerdings muss für jede Ablehnung ein gesetzlicher Ablehnungsgrund vorliegen, und der Ablehnungsantrag muss unverzüglich gestellt werden.
Kann ich einen Richter auch im laufenden Verfahren ablehnen?
Ja, ein Richter kann auch im laufenden Verfahren abgelehnt werden, wenn ein gesetzlicher Ablehnungsgrund vorliegt und der Ablehnungsantrag unverzüglich gestellt wird.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Richterablehnung ein wichtiges Instrument im deutschen Rechtssystem ist, um die Unparteilichkeit der Richter und das Recht auf ein faires Verfahren zu gewährleisten. Die Ablehnung eines Richters sollte jedoch sorgfältig geprüft und von einem erfahrenen Rechtsanwalt vorbereitet werden, um die Erfolgsaussichten des Antrags zu erhöhen und mögliche negative Folgen für das Verfahren zu vermeiden.
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