Die Schenkung zu Lebzeiten wird immer häufiger als Instrument der Vermögensübertragung und Nachlassplanung genutzt. Neben steuerlichen Vorteilen kann sie auch dazu beitragen, spätere Erbstreitigkeiten in der Familie zu vermeiden.

In diesem umfassenden Blog-Beitrag werden wir die rechtlichen Rahmenbedingungen, Best Practices und aktuelle Gerichtsurteile zur Schenkung zu Lebzeiten analysieren. Außerdem werden wir häufig gestellte Fragen zu diesem Thema beantworten.

Inhalt

  • Grundlagen der Schenkung zu Lebzeiten
  • Steuerliche Aspekte
  • Rechtliche Fallstricke und Streitvermeidung
  • Schenkung und Pflichtteilsergänzungsanspruch
  • Die Schenkung zu Lebzeiten an ein Kind
  • Checkliste für eine erfolgreiche Schenkung zu Lebzeiten an ein Kind
  • Best Practices bei Schenkungen zu Lebzeiten
  • Aktuelle Gerichtsurteile
  • FAQs zur Schenkung zu Lebzeiten
  • Fazit: Schenkung zu Lebzeiten

Grundlagen der Schenkung zu Lebzeiten

Die Schenkung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt und wird als „unentgeltliche Zuwendung“ definiert. Eine Schenkung zu Lebzeiten liegt vor, wenn der Schenker einer anderen Person einen Vermögensvorteil gewährt, ohne eine Gegenleistung dafür zu erhalten. Beispiele für Schenkungen sind die Übertragung von Immobilien, Geldgeschenke oder die Übertragung von Unternehmensanteilen.

Grundsätzlich sind Schenkungen zulässig, sofern sie nicht gegen Gesetze oder die guten Sitten verstoßen. Die Schenkung muss nicht notariell beurkundet werden, es sei denn, es handelt sich um eine Immobilienschenkung oder eine Schenkung unter Ehegatten, bei der der gesetzliche Güterstand geändert wird.

Steuerliche Aspekte

Die Schenkung zu Lebzeiten kann steuerliche Vorteile bieten, insbesondere in Bezug auf die Erbschaftsteuer. Gemäß dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) gibt es persönliche Freibeträge und steuerliche Vergünstigungen, die bei Schenkungen gelten:

  • Freibeträge für nahe Angehörige (z. B. Ehegatten: 500.000 €, Kinder: 400.000 €, Enkel: 200.000 €)
  • Freibeträge für sonstige Personen (z. B. Freunde, Geschwister, Nichten/Neffen: 20.000 €)
  • Steuerklassen je nach Verwandtschaftsgrad (z. B. Ehegatten: Steuerklasse I, Geschwister: Steuerklasse II, sonstige Personen: Steuerklasse III)
  • Steuerbefreiung für bestimmte Vermögensgegenstände (z. B. selbstgenutztes Wohneigentum, Betriebsvermögen)

Der persönliche Freibetrag kann alle zehn Jahre erneut in Anspruch genommen werden, sodass größere Vermögenswerte schrittweise und steuerfrei übertragen werden können. Bei Überschreitung der Freibeträge fallen Schenkungsteuern an, deren Höhe sich nach dem Wert des übertragenen Vermögens und der Steuerklasse des Beschenkten richtet.

Rechtliche Fallstricke und Streitvermeidung

Um spätere Streitigkeiten bei Schenkungen zu Lebzeiten zu vermeiden, sollten einige wichtige Aspekte beachtet werden:

  • Schenkungsvertrag: Die Schenkung sollte in einem schriftlichen Vertrag festgehalten werden, um Unklarheiten und Missverständnisse zu vermeiden. Bei Immobilienschenkungen ist eine notarielle Beurkundung zwingend erforderlich.
  • Rückforderungsrechte: Der Schenker kann sich im Schenkungsvertrag Rückforderungsrechte vorbehalten, z. B. für den Fall, dass er selbst bedürftig wird oder der Beschenkte vor ihm verstirbt. Solche Rückforderungsrechte müssen im Vertrag klar formuliert sein.
  • Ausgleichspflicht: Wenn mehrere Personen erbberechtigt sind und der Schenker zu Lebzeiten einzelnen Personen Vermögenswerte schenkt, kann dies zu einer Ausgleichspflicht führen. Die Ausgleichspflicht bedeutet, dass der beschenkte Erbe den Wert der Schenkung bei der späteren Erbauseinandersetzung berücksichtigen und ggf. ausgleichen muss. Um dies zu verhindern, kann der Schenker im Schenkungsvertrag ausdrücklich auf die Ausgleichspflicht verzichten.

Schenkung und Pflichtteilsergänzungsanspruch

Ein weiterer wichtiger Aspekt bei Schenkungen zu Lebzeiten ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch. Pflichtteilsberechtigte Personen (z. B. Abkömmlinge oder Ehegatten des Erblassers) haben einen Anspruch auf einen bestimmten Anteil am Nachlass, auch wenn sie im Testament übergangen oder enterbt wurden. Schenkungen zu Lebzeiten können den Pflichtteilsergänzungsanspruch beeinflussen, indem sie den Wert des Nachlasses und damit den Pflichtteil reduzieren.

Nach § 2325 BGB können Pflichtteilsberechtigte einen Ergänzungsanspruch geltend machen, wenn der Erblasser ihnen zu Lebzeiten eine Schenkung gemacht hat. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch besteht allerdings nur, wenn die Schenkung innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgt ist. Die Schenkung wird dann bei der Berechnung des Pflichtteils berücksichtigt und führt zu einer Erhöhung des Pflichtteils.

Die Schenkung zu Lebzeiten an ein Kind

Die Schenkung zu Lebzeiten an ein Kind ist eine häufige Methode zur Vermögensübertragung innerhalb der Familie. Die Gründe dafür sind vielfältig: Eltern möchten ihren Kindern oftmals einen finanziellen Vorsprung geben, das Kind bei der Existenzgründung oder Immobilienfinanzierung unterstützen oder den späteren Familienfrieden sichern, indem asymmetrische Erbverteilungen bereits zu Lebzeiten ausgeglichen werden.

Checkliste für eine erfolgreiche Schenkung zu Lebzeiten an ein Kind

Die Schenkung zu Lebzeiten an ein Kind erfordert eine sorgfältige Planung und Durchführung. Die folgende Checkliste hilft Ihnen, die Schenkung rechtssicher und steueroptimal zu gestalten:

  • Ermittlung des Schenkungsumfangs und der finanziellen Möglichkeiten des Schenkers
  • Berücksichtigung der familiären Verhältnisse, insbesondere der Bedürfnisse anderer Erben und Pflichtteilsberechtigter
  • Wahl der geeigneten Vermögenswerte für die Schenkung (Immobilien, Wertpapiere, Geld, etc.)
  • Prüfung der rechtlichen Anforderungen für die Schenkung, insbesondere der Formvorschriften und Genehmigungserfordernisse
  • Ausnutzung der steuerlichen Freibeträge und Gestaltungsmöglichkeiten
  • Einbeziehung eines Rechtsanwalts oder Notars zur rechtssicheren Dokumentation der Schenkung
  • Steuerliche Anzeige der Schenkung an das zuständige Finanzamt

Best Practices bei Schenkungen zu Lebzeiten

Um die Vorteile einer Schenkung zu Lebzeiten optimal zu nutzen und rechtliche Fallstricke zu vermeiden, sollten folgende Best Practices beachtet werden:

Frühzeitige Planung: Beginnen Sie frühzeitig mit der Planung der Vermögensübertragung, um die persönlichen Freibeträge optimal auszuschöpfen und steuerliche Vorteile zu nutzen.

Klare schriftliche Vereinbarungen: Halten Sie die Schenkung in einem schriftlichen Vertrag fest und regeln Sie darin wichtige Aspekte wie Rückforderungsrechte, Ausgleichspflicht und ggf. den Verzicht auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch.

Offene Kommunikation: Sprechen Sie offen mit allen Beteiligten über die geplante Schenkung und die damit verbundenen rechtlichen und finanziellen Aspekte, um spätere Missverständnisse und Streitigkeiten zu vermeiden.

Professionelle Beratung: Lassen Sie sich von einem erfahrenen Rechtsanwalt oder Notar beraten, um die Schenkung rechtssicher zu gestalten und alle relevanten Aspekte zu berücksichtigen.

Aktuelle Gerichtsurteile

Im Folgenden werden einige aktuelle Gerichtsurteile zum Thema Schenkung zu Lebzeiten vorgestellt, die für die rechtliche Praxis relevant sind:

  • Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.10.2017: In diesem Fall wurde eine Lebensversicherung auf den Todesfall vom Versicherungsnehmer an seine Ehefrau verschenkt. Nach der Trennung des Paares verlangte der Versicherungsnehmer die Rückgabe der Police. Der BGH entschied, dass die Schenkung wirksam war und die Ehefrau die Police nicht zurückgeben musste, da keine Rückforderungsrechte vereinbart waren.
  • Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 15.11.2016: In diesem Fall ging es um eine Immobilienschenkung von Eltern an ihre Tochter. Die Eltern hatten sich ein lebenslanges Wohnrecht vorbehalten. Nach dem Tod der Mutter verlangte der Vater von der Tochter den Verkauf der Immobilie, um sich eine kleinere Wohnung zu kaufen. Das OLG Hamm entschied, dass die Schenkung wirksam war und der Vater keinen Anspruch auf Rückforderung der Immobilie hatte, da keine Rückforderungsrechte vereinbart waren.
  • Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.09.2017: In diesem Fall schenkte ein Vater seinem Sohn ein Hausgrundstück und behielt sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vor. Der Bundesfinanzhof entschied, dass das Nießbrauchsrecht für die Berechnung der Schenkungsteuer als Belastung zu berücksichtigen ist und somit den Wert der Schenkung mindert.

FAQs zur Schenkung zu Lebzeiten

Im Folgenden finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Schenkung zu Lebzeiten:

Warum sollte ich eine Schenkung zu Lebzeiten in Betracht ziehen?

Die Schenkung zu Lebzeiten kann steuerliche Vorteile bieten, da persönliche Freibeträge und steuerliche Vergünstigungen genutzt werden können. Zudem kann sie dazu beitragen, spätere Erbstreitigkeiten in der Familie zu vermeiden und den Erblasser zu entlasten, indem Vermögenswerte bereits zu Lebzeiten übertragen werden.

Wann ist eine Schenkung steuerpflichtig?

Eine Schenkung ist steuerpflichtig, wenn der Wert der Schenkung die persönlichen Freibeträge übersteigt. Die Höhe der Schenkungsteuer richtet sich nach dem Wert des übertragenen Vermögens und der Steuerklasse des Beschenkten.

Kann ich eine Schenkung zurückfordern?

Eine Schenkung kann grundsätzlich nicht zurückgefordert werden. Ausnahmen gelten, wenn im Schenkungsvertrag Rückforderungsrechte vereinbart wurden, z. B. für den Fall, dass der Schenker bedürftig wird oder der Beschenkte vor dem Schenker verstirbt.

Wie wirkt sich eine Schenkung auf den Pflichtteil aus?

Schenkungen zu Lebzeiten können den Pflichtteil beeinflussen, indem sie den Wert des Nachlasses und damit den Pflichtteil reduzieren. Pflichtteilsberechtigte Personen können unter Umständen einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen, wenn der Erblasser ihnen zu Lebzeiten eine Schenkung gemacht hat.

Welche Rolle spielt ein Schenkungsvertrag?

Ein Schenkungsvertrag dient dazu, die Schenkung rechtssicher zu gestalten und wichtige Aspekte wie Rückforderungsrechte, Ausgleichspflicht und ggf. den Verzicht auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch zu regeln. Bei Immobilienschenkungen ist eine notarielle Beurkundung des Vertrags erforderlich.

Kann ich eine Schenkung an Bedingungen knüpfen?

Grundsätzlich können Sie eine Schenkung an Bedingungen knüpfen, solange diese Bedingungen nicht gegen Gesetze oder die guten Sitten verstoßen. Beispiele für zulässige Bedingungen sind die Verpflichtung des Beschenkten, für den Unterhalt des Schenkers zu sorgen oder die Immobilie nicht ohne Zustimmung des Schenkers zu verkaufen.

Kann ich eine Schenkung widerrufen?

Ein Widerrufsrecht bei Schenkungen ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Ausnahmen gelten bei sogenannten „Schenkungen unter Auflagen“ (z. B. wenn der Beschenkte den Schenker pflegen soll) oder wenn im Schenkungsvertrag Rückforderungsrechte vereinbart wurden.

Was passiert, wenn der Beschenkte vor dem Schenker verstirbt?

Wenn der Beschenkte vor dem Schenker verstirbt, kann der Schenker die Schenkung zurückfordern, sofern ein entsprechendes Rückforderungsrecht im Schenkungsvertrag vereinbart wurde. Andernfalls fällt die Schenkung in den Nachlass des Beschenkten und wird nach den Regelungen des Erbrechts verteilt.

Muss ich als Schenker die Schenkungsteuer zahlen?

Grundsätzlich ist der Beschenkte schenkungsteuerpflichtig. Allerdings können Schenker und Beschenkter im Schenkungsvertrag vereinbaren, dass der Schenker die Schenkungsteuer übernimmt. In diesem Fall sollte der Schenker darauf achten, dass die Übernahme der Steuerlast als „Schenkung auf den Todesfall“ formuliert wird, um eine zusätzliche Schenkungsteuer zu vermeiden.

Ist eine Schenkung zu Lebzeiten bei Unternehmensnachfolge sinnvoll?

Die Schenkung zu Lebzeiten kann bei der Unternehmensnachfolge sinnvoll sein, um die Unternehmensnachfolge frühzeitig zu regeln und steuerliche Vorteile zu nutzen. Dabei sollten jedoch Aspekte wie Pflichtteilsansprüche, Ausgleichspflichten und Rückforderungsrechte sorgfältig geprüft und geregelt werden.

Fazit: Schenkung zu Lebzeiten

Die Schenkung zu Lebzeiten bietet viele Vorteile, insbesondere in Bezug auf steuerliche Aspekte und die Vermeidung von Streitigkeiten innerhalb der Familie. Um rechtliche Fallstricke zu vermeiden, ist eine frühzeitige Planung, klare schriftliche Vereinbarungen und offene Kommunikation mit den Beteiligten essentiell.

Zudem sollte die Beratung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt oder Notar in Betracht gezogen werden. Mit der richtigen Vorbereitung und Umsetzung können Schenkungen zu Lebzeiten eine lohnenswerte Option für die Vermögensübertragung und Nachlassplanung sein.

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