Das deutsche Rechtssystem ist bekannt für seine umfassende Struktur und strengen Gesetze. Eine der bemerkenswertesten Eigenschaften dieses Systems ist die Rolle der Schöffen. Als aktive Bürger, die im Strafverfahren an Gerichtsverhandlungen teilnehmen, tragen Schöffen zur Rechtsprechung und zum Rechtswesen bei. Aber was genau sind Schöffen und welche Rolle spielen sie im deutschen Rechtssystem? In diesem umfassenden Artikel werden wir alles untersuchen, von der historischen Entwicklung der Schöffen bis zu ihrer heutigen Funktion und Rolle. Verwirrungen und Missverständnisse über Schöffen werden ausgeräumt, und wir werden auch auf relevante Gesetze und Verfahren eingehen.

Inhaltsverzeichnis

Historischer Kontext von Schöffen

Die Geschichte der Schöffen reicht bis ins Mittelalter zurück, als sie erstmals als ehrenamtliche Richter in Erscheinung traten. In verschiedenen Regionen Europas, darunter Deutschland, England und Schweden, wurden ehrenamtliche Laienrichter eingesetzt, um Recht zu sprechen und Rechtsstreitigkeiten zu schlichten. Schöffen stammten oft aus der örtlichen Bevölkerung und hatten meist keine formale juristische Ausbildung. Ihre Rechtskenntnisse basierten auf traditionellem oder gewohnheitsrechtlichem Verständnis.

Im Laufe der Jahre sind die Aufgaben und Zuständigkeiten der Schöffen jedoch gewachsen und haben sich verändert. Heute sind sie fester Bestandteil des Strafverfahrens in Deutschland und vielen anderen Ländern, in denen sie gemeinsam mit Berufsrichtern im Gericht Fälle und Angelegenheiten verhandeln.

Definition eines Schöffen

Ein Schöffe ist eine Person, die als ehrenamtlicher Richter im Strafprozess tätig ist. Schöffen sind keine Berufsrichter, das heißt, sie haben keine spezielle juristische Ausbildung oder formale Qualifikationen. Sie werden jedoch aufgrund ihrer Lebenserfahrung und ihres gesunden Menschenverstands ausgewählt, um gemeinsam mit Berufsrichtern in Strafverfahren zu urteilen. Schöffen repräsentieren die Allgemeinheit und tragen dazu bei, dass das Rechtssystem transparent, gerecht und demokratisch bleibt.

Auswahlverfahren

Die Auswahl von Schöffen erfolgt in einem mehrstufigen Prozess, der auf Bundes- und Landesebene geregelt ist. In Deutschland gibt es zwei Hauptgesetze, die diesen Prozess regeln: das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und das Schöffenwahlgesetz (SchöffenwG). Der Auswahlprozess läuft in etwa wie folgt ab:

  1. Einrichtung der Schöffenvorschlagsliste: Jede Gemeinde erstellt eine Liste von Schöffenvorschlägen, die in der Regel mindestens doppelt so viele Personen enthält, wie erforderlich sind. Die Personen, die vorgeschlagen werden, müssen bestimmte Kriterien erfüllen, wie z. B. deutscher Staatsbürger sein, ihren Wohnsitz in der Gemeinde haben und zwischen 25 und 70 Jahren alt sein. Zudem dürfen sie keine Vorstrafen haben und müssen für das Amt des Schöffen geeignet erscheinen.
  2. Wahl der Schöffen: Die Vorschlagslisten werden den jeweiligen Schöffenwahlausschüssen der Amtsgerichte übergeben, die aus den Vorschlagslisten die tatsächlichen Schöffen wählen. Der Schöffenwahlausschuss besteht aus dem Direktor des Amtsgerichts, einem beruflichen Richter sowie sieben ehrenamtlichen Mitgliedern, die vom Rat der jeweiligen Kommune gewählt werden.
  3. Benachrichtigung und Berufung: Die ausgewählten Schöffen werden schriftlich über ihre Ernennung informiert und können das Amt innerhalb einer bestimmten Frist ablehnen, wenn sie Gründe dafür angeben. Wenn sie das Amt akzeptieren, werden sie für fünf Jahre berufen.

Es ist wichtig zu betonen, dass das Schöffenamt in Deutschland ein Pflichtamt ist, jedoch gibt es Ausnahmefälle, in denen Personen das Amt ablehnen können, wie z. B. persönliche oder berufliche Härte.

Rollen und Funktionen der Schöffen

Die Hauptrolle besteht darin, als ehrenamtliche Richter in Strafverfahren gemeinsam mit den Berufsrichtern zu arbeiten. Sie nehmen an Gerichtsverhandlungen teil und tragen zur Urteilsfindung bei. Im Folgenden werden die wichtigsten Funktionen im deutschen Rechtssystem erläutert:

  • Gemeinsame Urteilsfindung: In Strafverfahren sind Schöffen gemeinsam mit Berufsrichtern dafür verantwortlich, über Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu entscheiden und, wenn der Angeklagte für schuldig befunden wird, über das angemessene Strafmaß.
  • Vertretung der Öffentlichkeit: Schöffen stellen sicher, dass das Gerichtsverfahren auch von „normalen“ Bürgern beurteilt wird, die keine juristische Ausbildung haben. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Gerichtsverfahren in Einklang mit den Vorstellungen von Recht und Gerechtigkeit der Allgemeinheit stehen und nicht nur aufgrund juristischer Fachkenntnisse entschieden werden.
  • Kontrolle der Berufsrichter: Die Anwesenheit von Schöffen bei Gerichtsverhandlungen stellt auch einen Mechanismus der Kontrolle und Transparenz der Berufsrichter dar. Schöffen können ihre Meinung äußern und hinterfragen, wenn sie glauben, dass ein Berufsrichter voreingenommen oder unfair handelt.

Schöffen im Amtsgericht & Landgericht

Sie können sowohl in Amtsgerichten als auch in Landgerichten tätig werden, jedoch unterscheiden sich ihre Funktionen und Zuständigkeiten in diesen beiden Gerichtsinstanzen. Im Folgenden eine Übersicht der Rolle in Amts- und Landgerichten:

  • Amtsgericht: In Amtsgerichten sitzen sie in der Regel in Strafsachen, die von einem Berufsrichter und zwei Schöffen verhandelt werden. Diese Konstellation wird als Schöffengericht bezeichnet. In einem Schöffengericht sind die Schöffen gleichberechtigte Richter, das heißt, sie haben dieselben Kompetenzen und Entscheidungsbefugnisse wie der Berufsrichter.
  • Landgericht: In Landgerichten sind sie in der sogenannten Schwurgerichtsbarkeit tätig, einer besonderen Abteilung des Landgerichts, die sich ausschließlich mit Strafsachen befasst. In der Schwurgerichtsbarkeit besteht das Gericht aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffen. Sie sind wie im Amtsgericht gleichberechtigte Richter und beteiligen sich aktiv an Entscheidungsprozessen. Die Schwurgerichtsbarkeit ist zuständig für besonders schwerwiegende Straftaten wie Mord, Totschlag und andere schwere Gewalttaten.

Es ist wichtig zu betonen, dass sie im deutschen Rechtssystem keine beratende Rolle einnehmen, sondern tatsächlich als gleichberechtigte Richter neben den Berufsrichtern agieren und entscheiden.

Pflichten & Verantwortlichkeiten

Sie haben eine Reihe von Pflichten und Verantwortlichkeiten, die sie während ihrer Amtszeit wahrnehmen müssen. Zu diesen gehören:

  • Teilnahme an Gerichtsverhandlungen: Sie müssen an den ihnen zugewiesenen Gerichtsverhandlungen teilnehmen und sich aktiv am Entscheidungsprozess beteiligen. Sie müssen die Beweise und Zeugenaussagen im Gericht sorgfältig prüfen und offen für die Meinungen und Perspektiven anderer Richter sein.
  • Aufklärungspflicht: Sie sind verpflichtet, Sachverhalte aufzuklären und alle notwendigen Fragen zu stellen, die zur Wahrheitsfindung und zur Beurteilung eines Falls beitragen. Sie sollten nicht zögern, ihre Sichtweisen und Meinungen während der Verhandlung zu äußern und Berufsrichter in Frage zu stellen, wenn sie das für angemessen halten.
  • Verschwiegenheitspflicht: Sie sind zur Verschwiegenheit verpflichtet und dürfen über vertrauliche Informationen, die sie während ihrer Tätigkeit erhalten haben, nicht sprechen, öffentlich berichten oder in sozialen Medien teilen. Die Verschwiegenheitspflicht besteht auch nach Beendigung ihrer Amtszeit weiter.
  • Verantwortungsbewusstsein: Sie müssen sich ihrer Verantwortung und ihrer Rolle im Rechtsprozess bewusst sein und stets im Interesse der Rechtsprechung und der Öffentlichkeit handeln. Verantwortungsbewusstsein schließt auch die Teilnahme an Schulungen und Weiterbildungen ein, um auf dem Laufenden zu bleiben und ihre Kenntnisse und Fähigkeiten weiterzuentwickeln.

Herausforderungen und Lösungen

Wie jede andere Funktion im Rechtssystem sind auch sie mit Herausforderungen konfrontiert, die sie während ihrer Amtszeit bewältigen müssen. Einige der wichtigsten Herausforderungen sind:

  • Fehlende juristische Kenntnisse: Schöffen haben in der Regel keine formale juristische Ausbildung, was bedeutet, dass sie oft mit dem juristischen System und Fachbegriffen weniger vertraut sind als Berufsrichter. Dies kann zu Missverständnissen oder Unklarheiten während des Prozesses führen. Um dieses Problem anzugehen, bieten viele Bundesländer Schulungen und Fortbildungen für Schöffen an, um ihre Kenntnisse des Rechtssystems zu erweitern.
  • Zeitmanagement: Schöffen müssen sich oft zwischen Beruf, Familie und ihren richterlichen Pflichten aufteilen, was zu Zeitmanagementproblemen führen kann. In diesem Fall ist es wichtig, dass die Schöffen von ihren Arbeitgebern die erforderliche Unterstützung erhalten, um an Gerichtsterminen teilnehmen zu können – sie sind gesetzlich dazu verpflichtet, Schöffen für die Teilnahme an Gerichtsverhandlungen freizustellen. Deutliche Kommunikation und vorausschauende Planung können helfen, terminliche Konflikte zu vermeiden.
  • Emotionale Belastung: Gerichtsverfahren, insbesondere bei schweren Straftaten, können emotional belastend sein, sowohl für die Schöffen selbst als auch für ihre Familien. Es ist wichtig, dass Schöffen lernen, mit dieser emotionalen Belastung umzugehen und gegebenenfalls Unterstützung von Fachleuten oder anderen Schöffen suchen, um mit schwierigen Situationen fertig zu werden.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Nachfolgend die häufigsten Fragen für Sie auf einen Blick.

Kann ein Schöffe bei Geschworenenverfahren teilnehmen?

Nein. Entgegen der landläufigen Meinung sind Schöffen und Geschworene nicht dasselbe. Geschworene sind im deutschen Rechtssystem nicht vorgesehen und beziehen sich in der Regel auf Laienrichter, die in einigen anderen Ländern tätig sind (z. B. Vereinigte Staaten oder Großbritannien). Schöffen sind spezifisch für das deutsche Rechtssystem und arbeiten gemeinsam mit Berufsrichtern in Strafverfahren.

Wird ein Schöffe für seine Tätigkeit bezahlt?

Während sie kein Gehalt für ihre Tätigkeit erhalten, haben sie Anspruch auf eine Entschädigung für ihren Zeitaufwand und ihre Auslagen. Schöffen, die in Vollzeit arbeiten, erhalten auch von ihrem Arbeitgeber ihren regulären Lohn, während sie an Gerichtsterminen teilnehmen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass das Schöffenamt nicht als Einkommensquelle angesehen werden sollte, sondern als ehrenamtliche Tätigkeit im Interesse der Gemeinschaft und des Rechtssystems.

Können juristisch ausgebildete Personen Schöffen werden?

Prinzipiell können juristisch ausgebildete Personen Schöffen werden. Allerdings ist eine der Hauptvoraussetzungen für Schöffen, dass sie keine hauptamtlichen Richter, Staatsanwälte oder Rechtspfleger sein dürfen. Daher können Personen, die in diesen Berufen tätig sind oder waren, nicht als Schöffen tätig werden. Personen mit juristischer Ausbildung, die nicht in einem dieser Berufe tätig sind, können jedoch als Schöffen in Frage kommen, sofern sie die anderen Kriterien erfüllen.

Abschließende Gedanken

Das Schöffenamt ist eine wichtige und respektierte Funktion im deutschen Rechtssystem, die zur demokratischen und öffentlichen Natur des Gerichtsprozesses beiträgt. Die Teilnahme an Gerichtsverfahren stellt sicher, dass die Öffentlichkeit in Entscheidungsprozessen vertreten ist und berufsrichterliche Entscheidungen in Einklang mit Theorie und Praxis des Rechts stehen. Obwohl sie mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert sind, bietet ihre Rolle eine einzigartige Gelegenheit, aktiv zum Rechtsprozess beizutragen und Einblicke in das deutsche Rechtssystem aus einer anderen Perspektive zu gewinnen. Die hier präsentierten Informationen sollen Klarheit über das Schöffenamt und seine Funktionen schaffen und potenziellen Kandidaten ein besseres Verständnis ihrer Rolle und Verantwortung im Rechtssystem vermitteln.

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