In diesem umfangreichen Blog-Beitrag wird der Begriff der schwebenden Unwirksamkeit eingehend untersucht, wobei auf rechtliche Ausführungen, aktuelle Gerichtsurteile und durch Juristen kommentierte Gesetzestexte Bezug genommen wird. Der Artikel ist für alle Interessierten und insbesondere für Juristen, Rechtsanwälte und Studierende der Rechtswissenschaften konzipiert, um ein umfassendes Verständnis für dieses oft missverstandene Rechtsprinzip zu ermöglichen.
Inhalt
- Einleitung
- Definition der schwebenden Unwirksamkeit
- Rechtsfolgen der schwebenden Unwirksamkeit
- Aktuelle Gerichtsurteile zur schwebenden Unwirksamkeit
- FAQs zur Schwebenden Unwirksamkeit
Einleitung
Die schwebende Unwirksamkeit ist eine Rechtsfigur, die im deutschen Zivilrecht weitreichende Bedeutung hat und in zahlreichen Rechtsbereichen wie zum Beispiel Mietrechts-, Gesellschafts- oder Vertragsrecht zur Anwendung kommt. Die schwebende Unwirksamkeit führt dazu, dass ein Rechtsgeschäft unter bestimmten Bedingungen als rechtswirksam angesehen werden kann, obwohl rechtliche Einwände gegen seine Wirksamkeit bestehen. Es handelt sich somit um eine ungewisse Situation, in der das Rechtsgeschäft entweder als unwirksam oder als wirksam angesehen werden kann, je nachdem ob die Bedingungen erfüllt werden oder nicht.
Definition der schwebenden Unwirksamkeit
Schwebende Unwirksamkeit bezeichnet eine vorläufige Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts, bei der die endgültige Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts von einer zukünftigen und ungewissen Bedingung abhängt. Diese Bedingung kann in der Regel entweder durch eine nachträgliche Genehmigung oder einen Heilungstatbestand erfüllt werden. Beispiele für Fälle der schwebenden Unwirksamkeit sind unter anderem die Beschlussfassung in einer Gesellschafterversammlung, der Mietvertrag bei fehlender Schriftform oder der Vertragsschluss unter einer aufschiebenden Bedingung.
Rechtsfolgen der schwebenden Unwirksamkeit
Im Folgenden werden die Rechtsfolgen der schwebenden Unwirksamkeit näher beleuchtet:
Genehmigung der schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfte
Das schwebend unwirksame Rechtsgeschäft kann entweder als unwirksam oder als wirksam betrachtet werden, je nachdem ob die aufschiebende Bedingung eintritt oder nicht. Die endgültige Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts tritt in der Regel dann ein, wenn die betroffene Partei das Rechtsgeschäft genehmigt oder der Mangel durch einen Heilungstatbestand beseitigt wird. Eine solche Genehmigung kann ausdrücklich oder konkludent erteilt werden. Eine konkludente Genehmigung liegt vor, wenn die betroffene Partei durch schlüssiges Verhalten erkennen lässt, dass sie das Rechtsgeschäft anerkennt.
Rückabwicklung nach ablehnender Entscheidung
Wird das schwebend unwirksame Rechtsgeschäft nicht genehmigt oder etwa die aufschiebende Bedingung nicht erfüllt, bleibt es unwirksam. In diesem Fall sind die bereits erbrachten Leistungen der beteiligten Parteien grundsätzlich gemäß §§ 812 ff. BGB zurückzugewähren. Dies bedeutet, dass die Parteien im Rahmen der Rückabwicklung so gestellt werden sollen, als wäre das Rechtsgeschäft nicht abgeschlossen worden.
Fortwirkung der rechtlichen und tatsächlichen Wirkungen
Während der Phase der schwebenden Unwirksamkeit – also bis zur endgültigen Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts – wirkt das Rechtsgeschäft grundsätzlich rechtlich und tatsächlich, so als wäre es von Anfang an wirksam gewesen. Dies bedeutet beispielsweise, dass die beteiligten Parteien im Falle eines Kaufvertrags in der Regel verpflichtet sind, die übereignungs- und zahlungspflichtigen Leistungen gemäß dem geschlossenen Rechtsgeschäft zu erbringen.
Die besondere Schutzwirkung für den Dritten im Gutglaubenserwerb
Als besondere Schutzvorschrift gilt im Zusammenhang mit der schwebenden Unwirksamkeit der Gutglaubenserwerb gemäß § 932 BGB. Ein gutgläubiger Dritter, der von einer Partei eines schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfts eine Sache erwirbt, kann die Erwerbsvoraussetzungen in der Regel als erfüllt ansehen, wenn er keine Kenntnis von der schwebenden Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts hat. Ein solcher Dritter kann die Sache dann als rechtmäßiger Eigentümer betrachten, sofern die übrigen Voraussetzungen für den gutgläubigen Erwerb erfüllt sind.
Aktuelle Gerichtsurteile zur schwebenden Unwirksamkeit
Im Folgenden werden einige aktuelle und einschlägige Gerichtsurteile zur schwebenden Unwirksamkeit vorgestellt:
Urteil des BGH zur Anwendung der Schwebenden Unwirksamkeit beim Wohnraummietverträgen (Az. VIII ZR 195/14)
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 18. Februar 2015 die Anwendung der schwebenden Unwirksamkeit auf das Wohnraummietvertragsrecht bestätigt, insbesondere bei Verstößen gegen die Schriftform. Im vorliegenden Fall hatten die Parteien einen Mietvertrag über Gewerberäume abgeschlossen, der in einem nicht notariell beurkundeten Nachtrag geändert worden war. Der BGH stellte fest, dass der Mietvertrag mangels Schriftform schwebend unwirksam war, aber durch die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses als wirksam angesehen werden konnte.
OLG Bamberg: Schwebende Unwirksamkeit bei Gesellschafterbeschlüssen (Az. 6 U 72/08)
Das OLG Bamberg hat in seinem Urteil vom 29. Juli 2009 entschieden, dass Gesellschafterbeschlüsse, die unter Verletzung der für die Einberufung der Gesellschafterversammlung geltenden Formalien gefasst werden, grundsätzlich schwebend unwirksam sind. Im konkreten Fall war eine GmbH & Co. KG von der Geschäftsführung einberufen worden, ohne dass den einzelnen Gesellschaftern die Tagesordnung vorab zugänglich gemacht worden war. Damit lag ein Verstoß gegen § 51 GmbHG und § 119 AktG vor. Das Gericht bekräftigte, dass solche Mängel grundsätzlich zur schwebenden Unwirksamkeit der Beschlussfassung führen, insbesondere wenn den Gesellschaftern hierdurch eine ordnungsgemäße Willensbildung unmöglich gemacht wird.
OLG Stuttgart zur Anwendung der schwebenden Unwirksamkeit bei Darlehensverträgen (Az. 10 U 120/15)
Das OLG Stuttgart hat in seinem Urteil vom 29. Juli 2016 entschieden, dass die schwebende Unwirksamkeit auch bei Darlehensverträgen Anwendung finden kann, wenn die Verbrauchereigenschaft des Darlehensnehmers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht feststand. Das Gericht stellte fest, dass der Darlehensvertrag in den Fällen, in denen der Darlehensnehmer Verbraucher ist, unwirksam wäre, da die entsprechenden Belehrungen nicht erteilt wurden bzw. den strengen Anforderungen an eine solche Belehrung nicht genügen würden. Sollte sich hingegen herausstellen, dass der Darlehensnehmer kein Verbraucher ist, würde der Darlehensvertrag keine schwebende Unwirksamkeit aufweisen und somit wirksam sein.
FAQs zur Schwebenden Unwirksamkeit
Im Folgenden finden Sie häufig gestellte Fragen zur schwebenden Unwirksamkeit:
Wann liegt eine schwebende Unwirksamkeit vor?
Eine schwebende Unwirksamkeit liegt vor, wenn die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts von einer zukünftigen und ungewissen Bedingung abhängt. Solange diese Bedingung nicht erfüllt ist, ist das Rechtsgeschäft weder vollständig wirksam noch vollständig unwirksam – es befindet sich in einem „schwebenden“ Zustand.
Wie unterscheidet sich die schwebende Unwirksamkeit von der Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit eines Rechtsgeschäfts?
Die schwebende Unwirksamkeit ist von der Nichtigkeit und Anfechtbarkeit zu unterscheiden. Ein nichtiges Rechtsgeschäft ist von Anfang an unwirksam und kann nicht „geheilt“ werden. Ein anfechtbares Rechtsgeschäft hingegen ist zunächst wirksam, kann aber durch eine erfolgreiche Anfechtung rückwirkend beseitigt werden. Bei der schwebenden Unwirksamkeit hängt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts von einer zukünftigen und ungewissen Bedingung ab.
Können schwebend unwirksame Rechtsgeschäfte nachträglich geheilt werden?
Ja, schwebend unwirksame Rechtsgeschäfte können unter Umständen nachträglich geheilt werden. Dies geschieht in der Regel durch die Erfüllung der aufschiebenden Bedingung, beispielsweise durch eine nachträgliche Genehmigung des Rechtsgeschäfts durch die betroffene Partei.
Was passiert, wenn die aufschiebende Bedingung nicht eintritt?
Trifft die aufschiebende Bedingung nicht ein, bleibt das schwebend unwirksame Rechtsgeschäft unwirksam. In diesem Fall sind die Parteien zur Rückabwicklung ihrer Leistungen verpflichtet, sodass sie so gestellt werden, als hätte das Rechtsgeschäft nie stattgefunden.
Welche Rolle spielt der gutgläubige Dritte im Zusammenhang mit der schwebenden Unwirksamkeit?
Im Kontext der schwebenden Unwirksamkeit genießt der gutgläubige Dritte besonderen Schutz. Erwirbt ein gutgläubiger Dritter, der keine Kenntnis von der schwebenden Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts hat, eine Sache von einer Partei dieses Rechtsgeschäfts, so kann er unter Umständen als rechtmäßiger Eigentümer der Sache betrachtet werden, sofern die Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs erfüllt sind.
Zusammenfassend bietet die schwebende Unwirksamkeit einen interessanten Ansatz im Zivilrecht, um die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften unter bestimmten Bedingungen zu ermöglichen oder zu verhindern. Insbesondere die Möglichkeit der Heilung schwebend unwirksamer Rechtsgeschäfte und der Schutz gutgläubiger Dritter zeigen die praktische Bedeutung dieser Rechtsfigur in den unterschiedlichsten Rechtsgebieten. Dieser Beitrag hat die schwebende Unwirksamkeit ausführlich behandelt und dient somit als umfassender Überblick für Juristen und alle, die sich näher mit dieser Materie befassen möchten.
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