Das Stimmrecht bei Eigentümerversammlungen ist für viele Wohnungseigentümer und -verwalter ein wichtiges und komplexes Thema. In diesem umfassenden Blog-Beitrag erfahren Sie alles Wissenswerte über das Stimmrecht bei Eigentümerversammlungen, inklusive rechtlicher Grundlagen, aktueller Gerichtsurteile und FAQs, aus der Perspektive eines erfahrenen Rechtsanwalts.

Inhaltsverzeichnis

Gesetzliche Grundlagen

Die gesetzlichen Grundlagen für das Stimmrecht bei Eigentümerversammlungen finden sich im Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Die wichtigsten Vorschriften sind:

Die gesetzlichen Vorschriften regeln die Organisation, Durchführung und Beschlussfassung bei Eigentümerversammlungen. Dabei gibt das Gesetz den Wohnungseigentümern einen gewissen Gestaltungsspielraum, um eine auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Regelung zu treffen. Dies kann beispielsweise durch eine abweichende Regelung der Stimmrechtsverteilung in der Teilungserklärung oder einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer erfolgen.

Stimmrechtsarten und Berechnung

Das Stimmrecht bei Eigentümerversammlungen kann grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten im Immobilienrecht berechnet werden:

  1. Nach Köpfen (§ 25 Abs. 1 WEG)
  2. Nach Miteigentumsanteilen (§ 25 Abs. 2 WEG)

Die erste Variante, die sogenannte Kopfstimmrecht, sieht vor, dass jeder Wohnungseigentümer unabhängig von der Größe seiner Wohnung oder der Höhe seiner Miteigentumsanteile eine Stimme hat. Dieses Stimmrecht kann durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer oder durch eine Regelung in der Teilungserklärung abgeändert werden.

Die zweite Variante, das Stimmrecht nach Miteigentumsanteilen, orientiert sich an der Größe und dem Wert der einzelnen Wohnungen und den damit verbundenen Miteigentumsanteilen. Bei dieser Berechnungsart hat jeder Wohnungseigentümer so viele Stimmen, wie Miteigentumsanteile auf ihn entfallen.

Die Wahl der Stimmrechtsart kann erheblichen Einfluss auf die Entscheidungsfindung und die Durchsetzung von Interessen in der Eigentümerversammlung haben. Daher ist es wichtig, die Vor- und Nachteile beider Varianten sorgfältig abzuwägen.

Ordentliche und außerordentliche Eigentümerversammlung

Es gibt zwei Arten von Eigentümerversammlungen:

  • Ordentliche Eigentümerversammlung
  • Außerordentliche Eigentümerversammlung

Die ordentliche Eigentümerversammlung ist die regelmäßig stattfindende Versammlung der Wohnungseigentümer zur Beschlussfassung über gemeinschaftliche Angelegenheiten. Sie muss mindestens einmal jährlich einberufen werden (§ 24 Abs. 2 WEG).

Die außerordentliche Eigentümerversammlung kann jederzeit einberufen werden, wenn besondere Gründe dies erfordern. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn dringende Instandsetzungsmaßnahmen beschlossen oder eine Verwalterbestellung vorgenommen werden muss.

Beide Arten von Eigentümerversammlungen unterliegen denselben gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Einberufung, Durchführung und Beschlussfassung.

Beschlussfassung

Die Beschlussfassung bei Eigentümerversammlungen erfolgt grundsätzlich durch Abstimmung der anwesenden Wohnungseigentümer. Dabei sind die folgenden Mehrheitsregelungen zu beachten:

  • Einfache Mehrheit: Die meisten Beschlüsse werden nach der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst (§ 25 Abs. 3 WEG). Dies bedeutet, dass ein Beschluss angenommen wird, wenn mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen dafür sind. Enthaltungen werden hierbei nicht berücksichtigt.
  • Qualifizierte Mehrheit: Bei bestimmten Beschlüssen, die eine höhere Zustimmung der Wohnungseigentümer erfordern, ist eine qualifizierte Mehrheit erforderlich. Dies betrifft insbesondere Beschlüsse zur Änderung der Teilungserklärung oder der Gemeinschaftsordnung (§ 22 Abs. 1, § 10 Abs. 2 WEG). Hierbei müssen mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen und mehr als die Hälfte aller Miteigentumsanteile für den Beschluss stimmen.
  • Allstimmigkeit: In einigen Fällen ist die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich, beispielsweise bei der Änderung des Kostenverteilungsschlüssels (§ 16 Abs. 3 WEG).

Bei der Beschlussfassung müssen die Wohnungseigentümer die gesetzlichen Vorgaben, insbesondere das Gebot der ordnungsmäßigen Verwaltung (§ 21 Abs. 3 WEG), beachten. Das bedeutet, dass Beschlüsse wirtschaftlich vernünftig, sachgerecht und im Interesse der Gemeinschaft getroffen werden müssen.

Anfechtung von Beschlüssen

Wenn ein Wohnungseigentümer der Ansicht ist, dass ein in der Eigentümerversammlung gefasster Beschluss rechtswidrig ist, kann er diesen innerhalb einer Frist von einem Monat nach Beschlussfassung gerichtlich anfechten (§ 46 WEG). Die Anfechtungsklage muss innerhalb dieser Frist beim zuständigen Amtsgericht eingereicht werden.

Ein Beschluss kann aus verschiedenen Gründen rechtswidrig sein:

  • Formelle Mängel, beispielsweise bei der Einladung zur Versammlung oder der Protokollierung des Beschlusses
  • Verletzung des Stimmrechts oder des Stimmrechtsausschlusses
  • Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften oder die Gemeinschaftsordnung
  • Verstoß gegen das Gebot der ordnungsmäßigen Verwaltung
  • Verletzung von Treu und Glauben oder von Minderheitenschutzrechten

Wird die Anfechtungsklage für begründet erklärt, wird der angefochtene Beschluss für ungültig erklärt und die Wohnungseigentümergemeinschaft muss einen neuen Beschluss fassen. Die Gültigkeit eines angefochtenen Beschlusses bleibt jedoch bis zur gerichtlichen Entscheidung erhalten, sofern das Gericht nicht anders entscheidet.

Aktuelle Gerichtsurteile

Im Folgenden werden einige aktuelle Gerichtsurteile zum Stimmrecht bei Eigentümerversammlungen vorgestellt, die die Rechtsprechung in diesem Bereich verdeutlichen:

BGH, Urteil vom 13.01.2017, V ZR 138/16: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Wohnungseigentümer, der die Einberufung einer außerordentlichen Eigentümerversammlung verlangt, keinen Anspruch darauf hat, dass diese außerhalb der üblichen Geschäftszeiten stattfindet. Die Einberufung einer solchen Versammlung muss jedoch innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen.

BGH, Urteil vom 14.06.2019, V ZR 254/17: Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer, die vorsieht, dass bei Stimmengleichheit der Verwalter den Stichentscheid trifft, unwirksam ist. Eine solche Regelung verstößt gegen das gesetzliche Stimmrecht der Wohnungseigentümer und ist damit nichtig.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.04.2018, 20 W 155/17: Das Oberlandesgericht Frankfurt hat entschieden, dass ein Wohnungseigentümer, der seine Wohnung an einen Mieter überlassen hat, nicht von der Stimmabgabe bei Beschlüssen ausgeschlossen ist, die das „Rauchen“ in der Wohnung betreffen. Der Wohnungseigentümer ist auch in diesem Fall stimmberechtigt, da er weiterhin von den Auswirkungen des Beschlusses betroffen ist.

LG München I, Urteil vom 21.12.2017, 1 S 8103/17: Das Landgericht München I hat entschieden, dass ein Wohnungseigentümer, der seine Stimme aufgrund einer Vollmacht eines anderen Eigentümers abgibt, nicht von der Stimmabgabe ausgeschlossen ist. Eine solche Regelung würde gegen das gesetzliche Stimmrecht und das Grundrecht auf Mitwirkung an der Willensbildung der Wohnungseigentümergemeinschaft verstoßen.

FAQ

Wie wird das Stimmrecht bei Eigentümerversammlungen berechnet?

Das Stimmrecht bei Eigentümerversammlungen kann entweder nach Köpfen (jeder Wohnungseigentümer hat eine Stimme) oder nach Miteigentumsanteilen (jeder Wohnungseigentümer hat so viele Stimmen, wie Miteigentumsanteile auf ihn entfallen) berechnet werden. Die Regelung hierzu findet sich in der Teilungserklärung oder einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer.

Wie oft muss eine Eigentümerversammlung stattfinden?

Die ordentliche Eigentümerversammlung muss mindestens einmal jährlich stattfinden. Eine außerordentliche Eigentümerversammlung kann jederzeit einberufen werden, wenn besondere Gründe dies erfordern.

Welche Mehrheit ist für die Beschlussfassung bei Eigentümerversammlungen erforderlich?

Die meisten Beschlüsse werden nach der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Bei bestimmten Beschlüssen, wie z. B. Änderungen der Teilungserklärung oder der Gemeinschaftsordnung, ist eine qualifizierte Mehrheit erforderlich. In einigen Fällen, wie z. B. bei der Änderung des Kostenverteilungsschlüssels, ist die Zustimmung aller Wohnungseigentümer notwendig.

Was kann ich tun, wenn ich einen Beschluss der Eigentümerversammlung für rechtswidrig halte?

Sie können innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung eine Anfechtungsklage beim zuständigen Amtsgericht einreichen. Wird die Klage für begründet erklärt, wird der angefochtene Beschluss für ungültig erklärt und die Wohnungseigentümergemeinschaft muss einen neuen Beschluss fassen.

Kann ein Wohnungseigentümer, der seine Wohnung vermietet hat, bei Beschlüssen zur Nutzung der Wohnung mitstimmen?

Grundsätzlich ist ein Wohnungseigentümer, der seine Wohnung vermietet hat, weiterhin stimmberechtigt. Er ist von der Stimmabgabe lediglich in Fällen ausgeschlossen, in denen ein Beschluss ausschließlich die Rechte und Pflichten des Mieters betrifft.

Stimmrecht bei Eigentümerversammlungen: Alle Fakten

Das Stimmrecht bei Eigentümerversammlungen ist ein zentrales Element der gemeinschaftlichen Selbstverwaltung von Wohnungseigentümern. Die gesetzlichen Grundlagen im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) bieten einen Rahmen, innerhalb dessen die Wohnungseigentümer ihre Stimmrechtsregelungen gestalten können. Die Berechnung des Stimmrechts kann entweder nach Köpfen oder nach Miteigentumsanteilen erfolgen, wobei beide Varianten ihre Vor- und Nachteile haben.

Die Beschlussfassung bei Eigentümerversammlungen unterliegt den gesetzlichen Mehrheitsregelungen und dem Gebot der ordnungsmäßigen Verwaltung. Bei Unstimmigkeiten oder rechtswidrigen Beschlüssen besteht die Möglichkeit, diese gerichtlich anzufechten. Aktuelle Gerichtsurteile zeigen die Rechtsprechung in diesem Bereich und verdeutlichen die Relevanz von korrekter Einberufung, Durchführung und Protokollierung von Eigentümerversammlungen sowie der Beachtung von gesetzlichen Vorgaben und Minderheitenschutzrechten.

Als Wohnungseigentümer oder -verwalter ist es wichtig, sich mit den Regelungen zum Stimmrecht bei Eigentümerversammlungen vertraut zu machen und eine auf die Bedürfnisse der Gemeinschaft zugeschnittene Regelung zu treffen. Im Zweifelsfall kann die Beratung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt hilfreich sein, um rechtliche Risiken zu minimieren und eine sachgerechte Entscheidungsfindung in der Eigentümerversammlung zu gewährleisten.

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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter

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