Als Anlieger einer Straße hat man diverse Rechte und Pflichten, die im alltäglichen Leben oft von großer Bedeutung sind. Sei es der Anspruch auf Zufahrt, das Parken oder die weitreichenden Verkehrssicherungspflichten, die auf Haus- und Grundstücksbesitzer zukommen können. In diesem ausführlichen Beitrag möchten wir Ihnen einen umfassenden Überblick über das Thema Straßenanliegergebrauch, seinen rechtlichen Rahmen, die damit verbundenen Rechte und Pflichten sowie die aktuellen Gerichtsurteile geben. Der Beitrag ist in folgende Abschnitte gegliedert:
- Einführung: Straßenanliegergebrauch
- Die Rechtsgrundlagen des Straßenanliegergebrauchs
- Anlieger- und Benutzungsrechte
- Die Verkehrssicherungspflicht der Anlieger
- Aktuelle Gerichtsurteile zum Thema Straßenanliegergebrauch
- FAQs zum Straßenanliegergebrauch
Einführung: Straßenanliegergebrauch
Der Straßenanliegergebrauch ist gesetzlich geregelt und umfasst die Nutzung der Straße durch An- und Bewohner von Grundstücken, die an einer öffentlichen Straße liegen, sowie die damit verbundenen Rechte und Pflichten. Dazu gehören unter anderem die Zufahrt zum Grundstück, die Parkmöglichkeiten, aber auch die Instandhaltung des öffentlichen Gehwegs, die Räum- und Streupflicht im Winter oder bestimmte Einschränkungen, die aufgrund von Straßenbauarbeiten entstehen können.
Die Rechtsgrundlagen des Straßenanliegergebrauchs
Die Rechtsgrundlagen des Straßenanliegergebrauchs finden sich in verschiedenen Gesetzeswerken, insbesondere im Bundes- und Landesstraßengesetz sowie im Bürgerlichen Gesetzbuch. Die wichtigsten gesetzlichen Regelungen auf Bundesebene sind das Bundesfernstraßengesetz (FStrG) und das Straßenverkehrsgesetz (StVG). Auf Landesebene kommen die jeweiligen Landesstraßengesetze (LStrG) und kommunalen Regelungen zum Einsatz.
Die genauen Regelungen sind je nach Bundesland unterschiedlich. Es empfiehlt sich daher, die konkreten Vorschriften im jeweiligen Landesstraßengesetz zu konsultieren oder sich von einem Experten beraten zu lassen.
Anlieger- und Benutzungsrechte
Grundsätzlich haben Anlieger von öffentlichen Straßen einige Rechte und Ansprüche, die ihnen aufgrund ihrer Lage direkt an der Straße zustehen. Dazu gehören:
- Zufahrtsrecht: Anlieger haben das Recht, jederzeit ihre Grundstücke mit Fahrzeugen zu erreichen. Das bedeutet, dass die Behörde für eine ordnungsgemäße Erhaltung und Instandhaltung der Straße sorgen muss. In Ausnahmefällen kann das Zufahrtsrecht jedoch eingeschränkt oder vorübergehend aufgehoben werden, zum Beispiel bei Straßenbauarbeiten oder Großveranstaltungen.
- Benutzungsrecht: Anlieger haben das Recht, die öffentliche Straße nicht nur zum Zwecke der Zufahrt, sondern auch für sonstige Zwecke zu nutzen, wie zum Beispiel zum Parken von Fahrzeugen. Hierbei müssen sie jedoch die Vorgaben der Straßenverkehrsordnung (StVO) einhalten und auf andere Verkehrsteilnehmer Rücksicht nehmen.
Die Verkehrssicherungspflicht der Anlieger
Der Straßenanliegergebrauch bringt jedoch auch einige Pflichten für die betroffenen Grundstückseigentümer und -bewohner mit sich. Eine der wichtigsten Pflichten ist die Verkehrssicherungspflicht, die sich in verschiedene Einzelpflichten aufteilt:
- Räum- und Streupflicht im Winter: In der Winterzeit sind Anlieger oft dazu verpflichtet, den an ihr Grundstück angrenzenden Gehweg von Schnee und Eis zu befreien und gegebenenfalls zu streuen. Diese Pflicht kann je nach örtlichen Gegebenheiten und Regelungen variieren. Sie müssen sich daher mit den Vorgaben Ihrer Gemeinde vertraut machen und ggf. auf Anordnungen der zuständigen Behörde reagieren.
- Laubkehrpflicht: Im Herbst sind Anlieger in der Regel dazu verpflichtet, den Gehweg von Laub zu befreien. Auch hierbei ist es wichtig, die örtlichen Regelungen zu beachten.
- Instandhaltungs- und Sanierungspflicht: In einigen Fällen sind Anlieger auch für die Instandhaltung und Sanierung der öffentlichen Straße und des Gehwegs verantwortlich. Dies kann bedeuten, dass sie etwa für die Reparatur von Schlaglöchern oder Rissen im Belag aufkommen müssen. Diese Verpflichtung ist ebenfalls abhängig von der jeweiligen kommunalen Regelung.
- Beleuchtungspflicht: In manchen Fällen sind Anlieger dafür verantwortlich, dass ihr Grundstück ausreichend beleuchtet ist. Dies kann beispielsweise dann relevant sein, wenn eine unzureichende Beleuchtung ein Sicherheitsrisiko für den Verkehr oder Fußgänger darstellt. Auch diese Pflicht variiert je nach örtlichen Regelungen.
Verstöße gegen die Verkehrssicherungspflichten können erhebliche rechtliche und finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen. Im Falle eines Unfalls, der auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zurückzuführen ist, kann der Anlieger unter Umständen zu Schadensersatz- oder Schmerzensgeldzahlungen verpflichtet werden.
Aktuelle Gerichtsurteile zum Thema Straßenanliegergebrauch
In der jüngsten Rechtsprechung sind diverse Urteile ergangen, die sich mit verschiedenen Aspekten des Straßenanliegergebrauchs befassen. Einige ausgewählte Urteile sind:
- Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 16.11.2017 – III ZR 56/17: Der BGH hat entschieden, dass die Verkehrssicherungspflicht auch bei abgesenkten Bordsteinen greift. Im konkreten Fall war eine Fußgängerin aufgrund von Eisglätte auf einem abgesenkten Bordstein gestürzt. Die Klägerin machte geltend, dass der Anlieger seine Räum- und Streupflicht verletzt habe. Der BGH gab ihr Recht und führte aus, dass auch abgesenkte Bordsteine von der Verkehrssicherungspflicht des Anliegers umfasst sind.
- Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Urteil vom 28.03.2017 – 9 U 173/16: Das OLG Hamm hat entschieden, dass auch Anlieger ohne direkten Zugang zur Straße (sogenannte Hinterlieger) von der Räum- und Streupflicht erfasst sein können. Im konkreten Fall hatte der Hinterlieger die Schneeräumung auf dem vorderen Grundstück durch den Vordermann durch Entgeltübernahme übernommen, sodass die Räum- und Streupflicht auf den Hinterlieger übertragen wurde.
- OLG Köln, Urteil vom 16.06.2016 – 7 U 2/16: Das OLG Köln hat entschieden, dass die Anlieger von einer öffentlichen Straße auch bei Nutzung durch Dritte die Verkehrssicherungspflichten zu erfüllen haben. Im konkreten Fall ging es um die Nutzung eines Grundstücks als Veranstaltungsfläche durch einen Dritten. Das Gericht führte aus, dass auch in dieser Konstellation der Anlieger für die Verkehrssicherungspflicht verantwortlich ist.
FAQs zum Straßenanliegergebrauch
1. Wann bin ich von der Räum- und Streupflicht befreit?
Die Räum- und Streupflicht ist je nach örtlichen Regelungen unterschiedlich gestaltet. In manchen Kommunen können beispielsweise körperlich eingeschränkte oder ältere Personen von der Pflicht befreit werden. Hierfür müssen Sie in der Regel einen Antrag bei der zuständigen Behörde stellen. Es empfiehlt sich jedoch immer, sich von einem Experten beraten zu lassen und die örtlichen Regelungen zu konsultieren.
2. Muss ich als Mieter den Gehweg räumen und streuen?
Ob Mieter oder Eigentümer die Räum- und Streupflicht übernehmen müssen, ist von den vertraglichen Regelungen im Mietvertrag abhängig. In der Regel überträgt der Vermieter diese Pflicht jedoch auf die Mieter. In einem Mehrfamilienhaus kann es auch sein, dass die Bewohner diese Aufgabe gemeinschaftlich übernehmen.
3. Kann ich für Schäden haftbar gemacht werden, die durch einen Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht entstehen?
Ja, Sie können in der Tat für Schäden haftbar gemacht werden, die aufgrund eines Verstoßes gegen die Verkehrssicherungspflicht entstehen. Wenn etwa ein Fußgänger auf Ihrem nicht geräumten Gehweg ausrutscht und sich verletzt, kann dieser von Ihnen Schadensersatz oder Schmerzensgeld verlangen.
4. Ist es erlaubt, den Gehweg vor meinem Grundstück zu sperren, um Parken zu verhindern?
Nein, die Sperrung des Gehwegs ist nicht erlaubt. Sie dürfen jedoch in Absprache mit der zuständigen Behörde ein Verkehrsschild aufstellen, das das Parken verbietet. Dabei ist jedoch zu beachten, dass dieses Schild nur eine empfehlende Wirkung hat und im Falle eines Verstoßes keine Sanktionen vorsieht.
5. Bin ich verpflichtet, die Straße vor meinem Grundstück von Schmutz und Unrat zu reinigen?
Die Reinigungspflicht ist je nach örtlichen Regelungen unterschiedlich. In vielen Kommunen sind die Anlieger dazu verpflichtet, die Straße und den Gehweg von Schmutz und Unrat zu befreien. Es empfiehlt sich, sich über die kommunalen Regelungen zu informieren und sich entsprechend daran zu halten.
6. Welche Ansprüche habe ich, wenn das öffentliche Grundstück vor meinem Haus beschädigt wurde, z. B. durch Vandalismus?
Wenn das öffentliche Grundstück vor Ihrem Haus beschädigt wurde, sollten Sie dies bei der zuständigen Behörde melden. In der Regel ist die Kommune für die Instandhaltung des Grundstücks verantwortlich, sie kann jedoch auch Anlieger zur Instandsetzung verpflichten. Daher ist es wichtig, sich mit der zuständigen Stelle in Verbindung zu setzen und gegebenenfalls Ansprüche zu reklamieren.
Fazit
Der Straßenanliegergebrauch umfasst diverse Rechte und Pflichten für Grundstückseigentümer und -bewohner, deren Kenntnis für ein reibungsloses Zusammenleben essentiell ist. Hierbei spielen insbesondere die Verkehrssicherungspflichten eine wichtige Rolle, deren Verletzung erhebliche rechtliche und finanzielle Folgen nach sich ziehen kann. Daher ist es jedem Anlieger anzuraten, sich mit den einschlägigen Regelungen vertraut zu machen und gegebenenfalls juristischen Rat einzuholen.
In diesem Beitrag haben wir Ihnen einen umfassenden Überblick über das Thema Straßenanliegergebrauch, die damit verbundenen Rechte und Pflichten sowie die aktuelle Rechtsprechung vermittelt. Es liegt nun an Ihnen, sich vertiefend mit dem Thema auseinanderzusetzen und für Klarheit und Sicherheit in Ihrem Alltag zu sorgen. Bei weiteren Fragen oder Unklarheiten empfehlen wir Ihnen, sich von einem erfahrenen Anwalt beraten zu lassen.
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