In der Praxis erhebt nicht immer nur eine Person eine Klage gegen eine andere Person oder gibt es lediglich zwei Gegner in einem Rechtsstreit. Häufig sind mehrere Personen an einem Prozess beteiligt, sei es auf Seiten des Klägers oder des Beklagten. In solchen Fällen spricht man von einer Streitgenossenschaft (auch: Mehrparteienverhältnis). Dieser Blog-Beitrag beschäftigt sich umfassend mit dem Thema Streitgenossenschaft und beleuchtet die verschiedenen Aspekte, die damit einhergehen. Rechtliche Grundlagen, Beispiele, aktuelle Gerichtsurteile, FAQs und Ausführungen eines erfahrenen Rechtsanwalts bieten einen fundierten Einblick in diese Thematik.

Inhaltsverzeichnis:

  • Was ist eine Streitgenossenschaft?
  • Arten von Streitgenossenschaften
  • Rechtliche Grundlagen für Streitgenossen
  • Wirkungen der Streitgenossenschaft aller Gegner auf verfahrensrechtliche Aspekte
  • Aktuelle Gerichtsurteile zur Streitgenossenschaft
  • FAQ zur Streitgenossenschaft
  • Fazit zur Streitgenossenschaft

Was ist eine Streitgenossenschaft?

Eine Streitgenossenschaft liegt vor, wenn in einem Prozess mehrere Kläger und/oder mehrere Beklagte beteiligt sind und damit ein Mehrparteienverhältnis besteht. Die Personen, die gemeinsam einen Rechtsstreit führen, bezeichnet man als Streitgenossen. Die Streitgenossenschaft ist damit ein rechtliches Phänomen, das im Zivilprozess, aber auch im Verwaltungs-, Arbeits- und Sozialgerichtsprozess sowie im Strafverfahren relevant ist.

Arten von Streitgenossenschaften

Man unterscheidet im Wesentlichen drei Arten von Streitgenossenschaften:

  • Rechtliche Streitgenossenschaft
  • Notwendige Streitgenossenschaft
  • Freiwillige (nebenintervenierende) Streitgenossenschaft

Rechtliche Streitgenossenschaft liegt vor, wenn mehrere Personen aufgrund eines gemeinschaftlichen Rechtsverhältnisses betroffen sind und somit gemeinsam klagen oder verklagt werden können. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn zwei oder mehr Mitbewohner gemeinsam gegen ihren Vermieter klagen, weil dieser die Mieträume nicht ordnungsgemäß instand hält.

Notwendige Streitgenossenschaft besteht, wenn das Gesetz vorschreibt, dass eine bestimmte Rechtsstreitigkeit nur gemeinsam mit anderen Personen geführt werden kann. Hier stehen die einzelnen Beteiligten so eng in rechtlicher Beziehung zueinander, dass ein Urteil nur einheitlich für oder gegen alle ergehen kann. Beispielsweise ist dies der Fall bei einer Erbengemeinschaft, in der alle Mitglieder gemeinschaftlich über Nachlassgegenstände verfügen und sich die Verfügungsbefugnis nicht aufteilen lässt.

Freiwillige (nebenintervenierende) Streitgenossenschaft liegt vor, wenn eine Person freiwillig in den Rechtsstreit einer anderen Person eintritt, um sie zu unterstützen oder um eigene Rechte zu wahren. Ein typisches Beispiel ist die Nebenintervention, bei der ein Dritter im Prozess beitritt, um dem Kläger oder Beklagten beizustehen und eigene Interessen zu verfolgen.

Rechtliche Grundlagen für Streitgenossen

Die rechtlichen Grundlagen für Streitgenossenschaften finden sich in der Zivilprozessordnung (ZPO) und in anderen Verfahrensordnungen wie der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), der Arbeitsgerichtsordnung (ArbGG) und der Sozialgerichtsordnung (SGG). Hier einige wichtige Vorschriften:

  • § 59 ZPO: Streitgenössische Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung
  • § 60 ZPO: Notwendige Streitgenossenschaft
  • § 64 ZPO: Wirkungen der Streitgenossenschaft

Zudem spielen im Zusammenhang mit Streitgenossenschaften die allgemeinen Grundsätze des Verfahrensrechts, etwa zur örtlichen und sachlichen Zuständigkeit der Gerichte, zur Klageart und zum Verfahrensablauf, eine Rolle.

Wirkungen der Streitgenossenschaft aller Gegner auf verfahrensrechtliche Aspekte

Die Streitgenossenschaft hat einige Auswirkungen auf gerichtliche Verfahren, insbesondere auf die Verantwortung und Rechte der beteiligten Personen sowie auf die verfahrensrechtliche Behandlung der Streitgenossen:

  • Prozessführung: Streitgenossen führen den Prozess grundsätzlich gemeinsam (§ 59 ZPO). Sie sind im Verfahren gemeinsam vertreten und handeln geschlossen gegenüber der Gegenseite. Dies bedeutet aber nicht, dass sie stets die gleichen Rechtsstandpunkte vertreten müssen. Jeder Streitgenosse kann seinen eigenen rechtlichen Standpunkt vortragen.
  • Zustellung und Zustimmungen: Wird ein Schriftstück an einen Streitgenossen zugestellt, so wirkt die Zustellung grundsätzlich auch für die übrigen Streitgenossen (§ 59 Abs. 1 ZPO). Einwendungen, die ein Streitgenosse gegen die Zustellung erhebt, kommen auch den anderen Streitgenossen zugute. Zudem kann ein Streitgenosse für die anderen Streitgenossen Erklärungen abgeben und Zustimmungen erteilen (§ 59 Abs. 2 ZPO).
  • Fristen: In der Regel gelten für Streitgenossen dieselben Fristen. Dies betrifft sowohl die Frist zur Klageerhebung als auch Fristen im Verlauf des Verfahrens, etwa für den Schriftwechsel oder die Berufung.
  • Gerichtskosten: Grundsätzlich haften Streitgenossen für Prozesskosten gesamtschuldnerisch (§ 59 Abs. 1 ZPO). Das bedeutet, dass jeder Streitgenosse zur Leistung der gesamten Kosten herangezogen werden kann. Im Innenverhältnis kann jedoch eine andere Aufteilung der Kosten vereinbart werden.
  • Anwaltliche Vertretung: Streitgenossen können in der Regel denselben Anwalt beauftragen. Dieser vertritt dann vor Gericht die Interessen aller Streitgenossen. Bei Bedarf kann jedoch auch jeder Streitgenosse einen eigenen Anwalt beauftragen.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Streitgenossenschaft

Die Rechtsprechung der deutschen Gerichte zum Thema Streitgenossenschaft ist umfangreich und vielfältig. Im Folgenden einige aktuelle Urteile, die das Verständnis für die Problematik vertiefen:

  • BGH, Urteil vom 22.11.2018 – I ZR 221/16: Der Bundesgerichtshof entschied, dass bei einer wettbewerbsrechtlichen Streitgenossenschaft (hier: Mitglieder einer Ärztegenossenschaft) für die Ermittlung des Streitwertes die einzelnen Streitgenossenbetreibungen zu addieren sind, sofern die Streitgenossen auch gesamtschuldnerisch auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.
  • BGH, Urteil vom 05.12.2019 – XII ZB 203/18: Der Bundesgerichtshof bekräftigte in dieser Entscheidung, dass bei einer notwendigen Streitgenossenschaft (hier: im familiengerichtlichen Verfahren) nur dann eine ordnungsgemäße Anhörung aller Beteiligten vorliegt, wenn alle notwendigen Streitgenossen in derselben Weise beteiligt sind und ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben wird.
  • BVerwG, Urteil vom 17.10.2018 – 9 C 5.17: Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass eine notwendige Streitgenossenschaft auch dann vorliegt, wenn die Feststellung der Luftreinhaltung für verschiedene Schadstoffe in der Zuständigkeit unterschiedlicher Behörden liegt und diese Behörden gegenüber dem betroffenen Bürger gesamtschuldnerisch verantwortlich sind.

FAQ zur Streitgenossenschaft

Wann liegt eine Streitgenossenschaft vor?
Eine Streitgenossenschaft liegt vor, wenn mehrere Personen (Kläger und/oder Beklagte) gemeinsam an einem Prozess beteiligt sind, weil sie aufgrund eines gemeinschaftlichen Rechtsverhältnisses Rechte verfolgen oder verteidigen (rechtliche Streitgenossenschaft), aufgrund gesetzlicher Vorgaben gemeinsam verfahren müssen (notwendige Streitgenossenschaft) oder sich freiwillig dem Prozess anschließen, um eine Partei zu unterstützen (freiwillige Streitgenossenschaft).

Wie wirkt sich die Streitgenossenschaft auf die Prozessführung aus?
Streitgenossen führen den Prozess grundsätzlich gemeinsam und vertreten geschlossen ihre Rechtspositionen gegenüber der Gegenseite. Sie unterliegen in der Regel denselben Fristen, Zustellungen und Zustimmungen gelten für alle Streitgenossen, und sie haften gemeinsam für die Gerichtskosten.

Können Streitgenossen den gleichen Anwalt beauftragen?
Ja, Streitgenossen können sich vor Gericht durch denselben Anwalt vertreten lassen. Bei Interessengegensätzen oder unterschiedlichen Rechtsstandpunkten kann jedoch auch jeder Streitgenosse einen eigenen Anwalt beauftragen.

Fazit zur Streitgenossenschaft

Die Streitgenossenschaft ist ein relevantes Phänomen im deutschen Zivilprozessrecht sowie in anderen Verfahrensordnungen. Sie betrifft Fälle, in denen mehrere Personen gemeinsam an einem Prozess beteiligt sind, und kann erhebliche verfahrensrechtliche Auswirkungen haben. Das Verständnis der verschiedenen Arten von Streitgenossenschaften und ihrer rechtlichen Grundlagen ist daher für Juristen und Parteien gleichermaßen wichtig, um ihre Rechte und Pflichten in solchen Verfahren angemessen wahrzunehmen. Fragen zu einem konkret vorliegenden Streitgenossenschaftsverhältnis sollten im Zweifel mit einem erfahrenen Rechtsanwalt besprochen werden.

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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter

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