In der Welt des Rechts kann es viele verschiedene Möglichkeiten geben, um zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen Parteien beizulegen. Eine dieser Möglichkeiten ist die Streithilfe, die sowohl in zivilrechtlichen als auch in öffentlich-rechtlichen Verfahren eine wichtige Rolle spielen kann. Dieser umfangreiche Artikel wird die Grundlagen der Streithilfe erläutern, einige wichtige rechtliche Rahmenbedingungen aufzeigen, verschiedene Anwendungsbeispiele diskutieren und häufig gestellte Fragen beantworten, um ein besseres Verständnis dieser wichtigen Rechtsinstitution zu fördern.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist Streithilfe?
- Rechtliche Grundlagen der Streithilfe
- Anwendungsbeispiele und Besonderheiten der Streithilfe
- Häufig gestellte Fragen (FAQs) zur Streithilfe
Was ist Streithilfe?
Die Streithilfe ist ein Rechtsinstitut, das es einer dritten Partei erlaubt, sich an einem Rechtsstreit zwischen zwei anderen Parteien zu beteiligen, wenn diese dritte Partei ein eigenes rechtliches Interesse an der Entscheidung des Streits hat. In der Regel kann diese dritte Partei entweder einem Kläger oder einem Beklagten helfen, den Streit zu gewinnen. Dabei hat die hinzutretende Partei ihre Interessen selbstständig zu vertreten und Parteistellung im Prozess zu erlangen.
Die dritte Partei, die der Streithilfe beitritt, wird als „Streithelfer“ bezeichnet, während der Kläger oder Beklagte, dem die Streithilfe zugutekommt, als „Hauptpartei“ bezeichnet wird. Der Hauptunterschied zwischen der Streithilfe und der Nebenintervention besteht darin, dass bei der Streithilfe die hinzutretende Partei ihre eigenen Interessen vertritt, während sie bei der Nebenintervention eine ergänzende Rolle zur Prozessführung der Hauptpartei spielt.
Rechtliche Grundlagen der Streithilfe
Die Streithilfe ist in der deutschen Zivilprozessordnung (ZPO) und in der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt.
Streithilfe in der Zivilprozessordnung
Die Regelungen zur Streithilfe finden sich in § 65 ff. ZPO. Die Voraussetzungen für eine Streithilfe sind in § 66 ZPO festgelegt:
- Ein rechtliches Interesse der hinzutretenden Partei
- Der Streithelfer unterstützt die Hauptpartei (Kläger oder Beklagter)
- Die Hauptpartei wird durch die Streithilfe in ihrer Prozessführung nicht behindert
- Ein zulässiges und begründetes Rechtsschutzbegehren der Hauptpartei
Die rechtlichen Folgen einer Streithilfe werden in § 68 ZPO geregelt:
- Der Streithelfer wird im Verfahren als selbstständige Partei behandelt
- Der Streithelfer kann alle Rechte und Pflichten der Hauptpartei geltend machen und wahrnehmen (soweit diese ihm zustehen)
- Der Streithelfer hat auch die Möglichkeit, eigene Anträge zu stellen und selbst Berufung oder Revision einzulegen
Streithilfe in der Verwaltungsgerichtsordnung
Auch im öffentlichen Recht, insbesondere im Verwaltungsrecht, existiert die Möglichkeit der Streithilfe. Die Streithilfe im Verwaltungsprozess ist in § 65 ff. VwGO geregelt. Die Regelungen entsprechen im Wesentlichen denen der ZPO, jedoch gibt es einige Unterschiede, die vor allem durch die Besonderheiten des Verwaltungsprozesses bedingt sind:
- In der Regel ist die Streithilfe für Behörden und Rechtspersonen des öffentlichen Rechts vorgesehen (z. B. Bundes- oder Landesbehörden)
- Die Streithilfe eines privaten Dritten (z. B. ein Privatunternehmen) ist nur in seltenen Fällen zulässig
- Die Streithilfe wird hauptsächlich eingesetzt, um Entscheidungen zu unterstützen, die auf der Grundlage von Verwaltungsakten getroffen wurden
Anwendungsbeispiele und Besonderheiten der Streithilfe
Im Folgenden werden einige Anwendungsbeispiele der Streithilfe aufgeführt, um ein besseres Verständnis für die Funktionsweise und das mögliche Einsatzgebiet dieses Rechtsinstituts zu erhalten:
Beispiel 1: Streit um das Wohnungseigentum
In einem Rechtsstreit um die Gültigkeit einer Teilungserklärung des Wohnungseigentums können andere Wohnungseigentümer, die ebenfalls betroffen sind, gemäß § 66 ZPO als Streithelfer aufseiten des beklagten Wohnungseigentümers beitreten. Hierbei besteht das rechtliche Interesse gemäß § 66 ZPO darin, dass auch ihre eigene Wohnungseigentumsposition von der Entscheidung über die Gültigkeit der Teilungserklärung betroffen wäre.
Beispiel 2: Streit um eine Baugenehmigung
Ein Anwohner klagt gegen das Bauamt, da er die Erteilung einer Baugenehmigung für ein benachbartes Grundstück für rechtswidrig hält. Der Bauherr, der die Baugenehmigung erhalten hat, kann gemäß § 65 VwGO als Streithelfer auf Seiten der Behörde beitreten, da er ein rechtliches Interesse am Bestand der ihm erteilten Baugenehmigung hat.
Besonderheiten der Streithilfe
Zu den wichtigsten Besonderheiten der Streithilfe gehören:
- Das Begehren der Streithilfe muss rechtzeitig in der mündlichen Verhandlung vorgetragen werden (§ 67 ZPO bzw. § 67 VwGO)
- Der Beitritt zur Streithilfe kann auch gegen einen Antrag der Hauptpartei erfolgen, wenn sie dies nicht innerhalb einer Woche widerruft (§ 69 ZPO bzw. § 69 VwGO)
- Der Streithelfer kann eigene Anträge stellen und Berufung bzw. Revision einlegen
- Im Falle der Streithilfe kann sowohl der Streithelfer als auch die Hauptpartei von den prozessualen Rechten und Pflichten profitieren
Häufig gestellte Fragen (FAQs) zur Streithilfe
Lassen Sie uns Ihnen mit den häufigsten Fragen und ihren Antworten weiterhelfen.
Wann ist eine Streithilfe zulässig?
Sie ist dann zulässig, wenn eine dritte Partei ein eigenes rechtliches Interesse an der Entscheidung des zugrunde liegenden Rechtsstreits hat und dadurch die Hauptpartei (Kläger oder Beklagter) unterstützt. Zudem darf die Hauptpartei durch die Streithilfe nicht in ihrer Prozessführung behindert werden.
Was sind die Vorteile der Streithilfe für die beteiligten Parteien?
Die Vorteile der Streithilfe bestehen hauptsächlich darin, dass sowohl der Streithelfer als auch die Hauptpartei von den prozessualen Rechten und Pflichten profitieren können. Der Streithelfer hat die Möglichkeit, eigene Anträge zu stellen und selbst Berufung oder Revision einzulegen, um seine eigenen Interessen zu schützen. Die Hauptpartei kann von der zusätzlichen Unterstützung des Streithelfers und dessen prozessualer Stärke im Verfahren profitieren.
Ist die Streithilfe auf zivilrechtliche Streitigkeiten beschränkt?
Nein, die Streithilfe ist nicht auf zivilrechtliche Streitigkeiten beschränkt. Dieses Rechtsinstitut kann auch im öffentlichen Recht, insbesondere im Verwaltungsrecht, zur Anwendung kommen. Die Regelungen zur Streithilfe im Verwaltungsprozess finden sich in der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Können auch Behörden als Streithelfer auftreten?
Ja, Behörden und Rechtspersonen des öffentlichen Rechts können in entsprechenden Verfahren ebenfalls als Streithelfer auftreten. Dies kann beispielsweise bei Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Verwaltungsakten oder Umweltschutzthemen der Fall sein.
Welche Rechte und Pflichten hat ein Streithelfer im Prozess?
Ein Streithelfer wird im Verfahren als selbstständige Partei behandelt und kann alle Rechte und Pflichten der Hauptpartei geltend machen und wahrnehmen (soweit diese ihm zustehen). Dazu gehört auch die Möglichkeit, eigene Anträge zu stellen und selbst Berufung oder Revision einzulegen.
Wie tritt man einem Rechtsstreit als Streithelfer bei?
Um einem Rechtsstreit als Streithelfer beizutreten, muss das Begehren rechtzeitig in der mündlichen Verhandlung vorgetragen werden (§ 67 ZPO bzw. § 67 VwGO). Der Beitritt zur Streithilfe kann auch gegen einen Antrag der Hauptpartei erfolgen, wenn sie dies nicht innerhalb einer Woche widerruft (§ 69 ZPO bzw. § 69 VwGO).
Was ist der Unterschied zwischen Streithilfe und Nebenintervention?
Der Hauptunterschied zwischen der Streithilfe und der Nebenintervention besteht darin, dass bei der Streithilfe die hinzutretende Partei ihre eigenen Interessen vertritt, während sie bei der Nebenintervention eine ergänzende Rolle zur Prozessführung der Hauptpartei spielt. Die Nebenintervention dient somit vorrangig der Unterstützung der Hauptpartei, während es bei der Streithilfe um die Wahrung der eigenen Interessen des Streithelfers geht.
Kann ein Streithelfer gegen den Willen der Hauptpartei beitreten?
Ja, der Beitritt kann auch gegen einen Antrag der Hauptpartei erfolgen, wenn sie dies nicht innerhalb einer Woche widerruft (§ 69 ZPO bzw. § 69 VwGO). Die Streithilfe ist grundsätzlich aufgrund des rechtlichen Interesses des Streithelfers zulässig, auch wenn die Hauptpartei dem Beitritt zunächst widerspricht.
Was passiert, wenn die Hauptpartei den Rechtsstreit verliert?
Wenn die Hauptpartei den Rechtsstreit verliert, ist die Entscheidung auch für den Streithelfer bindend, sofern er sich an der Prozessführung beteiligt hat. Der Streithelfer kann jedoch, wie auch die Hauptpartei, gegen diese Entscheidung Berufung oder Revision einlegen, um seine eigenen Interessen weiterhin zu wahren.
Kann ein Streithelfer von der Hauptpartei Schadensersatz verlangen, wenn er im Verfahren unterliegt?
In der Regel kann ein Streithelfer keinen Schadensersatz von der Hauptpartei verlangen, wenn er im Verfahren unterliegt. Die Streithilfe dient hauptsächlich dazu, die eigenen Interessen des Streithelfers zu schützen, und der Streithelfer trägt die prozessualen Risiken selbstständig. Es kann jedoch Ausnahmefälle geben, in denen die Hauptpartei verpflichtet ist, dem Streithelfer Ersatz zu leisten, wenn sie im Verfahren schuldhaft ihre prozessualen Pflichten verletzt hat.
Wer trägt die Kosten für den Streithelfer im Verfahren?
Der Streithelfer trägt grundsätzlich seine eigenen Kosten für den Beitritt zum Verfahren. Diese Kosten umfassen im Wesentlichen Anwalts- und Gerichtskosten sowie die Kosten für einen möglichen Rechtsmittelzug. Allerdings können die Kosten für die Streithilfe im Rahmen der endgültigen Kostenentscheidung auch auf die Hauptpartei und/oder die Gegenpartei umgelegt werden, wenn dies im Einzelfall gerechtfertigt ist.
Was passiert, wenn die Hauptpartei den Rechtsstreit gewinnt?
Wenn die Hauptpartei den Rechtsstreit gewinnt, kommt dies in der Regel auch dem Streithelfer zugute, da die streitgegenständlichen Rechtsfragen im Sinne der von der Hauptpartei und dem Streithelfer vertretenen Anträge entschieden wurden. Der Streithelfer kann somit sein rechtliches Interesse durch den Prozessgewinn wahren und gegebenenfalls auf dieser Grundlage auch eigene Rechtsansprüche geltend machen.
Fazit
Zusammenfassend ist die Streithilfe eine wichtige und vielseitige Rechtsinstitution, die es ermöglicht, dass betroffene Dritte in zivilen und öffentlich-rechtlichen Verfahren ihre Interessen wahren und vertreten können. Durch die prozessuale Beteiligung des Streithelfers kann sichergestellt werden, dass die relevanten rechtlichen Fragestellungen umfassend und interessengerecht diskutiert und entschieden werden, wodurch eine höhere Qualität der Rechtsprechung erreicht werden kann.
Unabhängig von der Komplexität Ihres Falles und der Art der Streitigkeiten kann unsere Anwaltskanzlei Sie umfassend beraten und vertreten, sowohl als Streithelfer als auch in jeglicher anderen Verfahrens- und Prozessführung. Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren, um Ihre individuellen rechtlichen Fragen zu besprechen und gemeinsam die bestmögliche Strategie für Ihr Anliegen zu entwickeln.
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Arthur Wilms | Rechtsanwalt | Associate
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