Der Strengbeweis ist ein zentraler Begriff im deutschen Zivil- und Strafprozessrecht. Er beschreibt eine Methode, die höchste Gewissheit bei der Feststellung von Tatsachen ermöglicht. In diesem Beitrag werden wir detailliert die rechtlichen Grundlagen, aktuelle Gesetze, wichtige Gerichtsurteile und häufig gestellte Fragen zum Strengbeweis untersuchen, um eine ausführliche Analyse und praktische Anwendungshilfe für Praktiker und Interessierte zu bieten.

Rechtliche Grundlagen des Strengbeweises

Im deutschen Beweisrecht gilt in der Regel das Prinzip der freien Beweiswürdigung nach § 261 der Strafprozessordnung (StPO) und § 286 der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Strengbeweis kann als Ausnahme verstanden werden, die in speziellen Fällen und bestimmten Beweismitteln Anwendung findet, um eine unumstößliche Gewissheit bei der Tatsachenfeststellung zu liefern.

Arten des Strengbeweises

Dabei sind grundsätzlich zwei Arten des Strengbeweises zu unterscheiden:

  • Legalbeweis: Schreibt gesetzlich bestimmte Beweismittel und deren Würdigung vor, um eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen.
  • Rechtsformbeweis: Der Richter ist an bestimmte Formvorschriften gebunden, um ein Beweismittel als gültig anzuerkennen.

Gesetzliche Grundlagen und Anwendungsbereiche

Die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen und konkrete Anwendungsbereiche des Strengbeweises finden sich in folgenden Vorschriften:

  • § 67 StPO: Strafprozessuale Bau- und Leichenschau durch Sachverständige
  • § 81d StPO: Richterliche Anordnung von körperlichen Untersuchungen
  • § 163a StPO: Vernehmung des Beschuldigten durch Polizeibeamte
  • § 395 StPO: Verlesung von Urkunden im Strafprozess
  • § 415 ZPO: Urkundsbeweis im Zivilprozess
  • § 418 ZPO: Beweiskraft von Urkunden
  • § 444 ZPO: Vermutung der Echtheit bei rechtsfordernden Urkunden

Anforderungen an die Beweismittel

Grundsätzlich kann jedes Beweismittel herangezogen werden, um einen Strengbeweis zu erbringen. Dabei müssen jedoch bestimmte Anforderungen erfüllt sein:

  1. Die Beweismittel müssen objektiv verlässlich sein und eine eindeutig wahrnehmbare Auskunft über den streitigen Sachverhalt geben.
  2. Die Beweismittel müssen dem Gericht direkt zugänglich sein, das heißt, sie können Gegenstand der Beweisaufnahme oder direkte Wahrnehmung durch den Richter sein.
  3. Die Beweismittel müssen geeignet sein, eine lückenlose und zweifelsfreie Überzeugung von der Wahrheit der zu beweisenden Tatsache zu ermöglichen.

Typische Beweismittel des Strengbeweises

Die klassischen Beweismittel des Strengbeweises sind:

  • Urkunden
  • Zeugenaussagen
  • Gutachten von Sachverständigen
  • Parteivernehmungen (im Zivilprozess)
  • Augenschein

Aktuelle Gerichtsurteile und ihre Bedeutung

Im Folgenden werden wir anhand prägnanter Gerichtsentscheidungen die Anwendung des Strengbeweises in der Rechtsprechung exemplarisch verdeutlichen.

Der Urkundenbeweis (BGH, Beschluss vom 29. August 2017 – XI ZB 44/16)

In diesem Fall hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden, ob ein Schiedsspruch ein Strengbeweismittel darstellt. Der BGH entschied, dass der Schiedsspruch den Anforderungen des Strengbeweises genügt, soweit er den maßgeblichen Sachverhalt ohne weiteren Beweisbedarf abschließend feststellt. In diesem Fall bindet der Schiedsspruch das Gericht bezüglich der darin enthaltenen tatsächlichen Feststellungen.

Der Zeugenbeweis (BGH, Urteil vom 3. November 2015 – VI ZR 586/14)

Hierzu musste der Bundesgerichtshof in einem Fall entscheiden, der sich auf eine ärztliche Fehlbehandlung bezog. Im Rahmen dieses Verfahrens ging es insbesondere um die Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen als Beweismittel. Der BGH stellte fest, dass Zeugenaussagen dann als Strengbeweismittel tauglich sind, wenn sie widerspruchsfrei, eindeutig und ohne Lücken auf den festzustellenden Sachverhalt schließen lassen. Im konkreten Fall gab es jedoch Widersprüche zwischen den Aussagen der beteiligten Ärzte, was zur Folge hatte, dass die Zeugenaussagen keinen strengbeweislichen Wert besaßen.

Der Sachverständigenbeweis (BGH, Urteil vom 18. Juni 2019 – VI ZR 382/18)

In diesem Fall stand die Frage im Raum, ob ein gerichtliches Gutachten eines Sachverständigen im Rahmen des Strengbeweises ausreichend ist, um eine objektive und unumstößliche Gewissheit über den Sachverhalt zu schaffen. Der BGH entschied, dass dies unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. So muss das Gutachten insbesondere umfassend, widerspruchsfrei, plausibel und nachvollziehbar sein. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann ein Sachverständigengutachten strengbeweislichen Wert erlangen.

Häufig gestellte Fragen (FAQs)

In diesem Abschnitt werden einige häufig gestellte Fragen zum Thema Strengbeweis und dessen Anwendung beantwortet.

In welchen Fällen ist der Strengbeweis notwendig?

Der Strengbeweis kommt in der Regel dann zum Einsatz, wenn eine besondere Beweissicherheit erforderlich ist. Dies kann etwa bei der Entscheidung über die Freiheit einer Person (z.B. bei Verhaftung, Untersuchungshaft oder Freiheitsstrafe) oder bei hohen Vermögensbeträgen im Zivilprozess der Fall sein.

Gibt es Fälle, in denen der Strengbeweis nicht zulässig ist?

Es gibt bestimmte Beweismittel, die im Strengbeweisverfahren nicht oder nur eingeschränkt zulässig sind. Dies betrifft insbesondere solche Beweismittel, die einer Beweisvereitelung dienen könnten oder die nicht die notwendige Sicherheit und Klarheit bieten. Beispiele hierfür sind die DNA-Analyse oder vergleichende Phantombilder.

Was ist der Unterschied zwischen dem Strengbeweis und der freien Beweiswürdigung?

Während der Strengbeweis eine unumstößliche und lückenlose Gewissheit über den Sachverhalt erfordert, ist die freie Beweiswürdigung ein flexiblerer Ansatz, bei dem der Richter die Überzeugungskraft der Beweismittel selbstständig und situationsabhängig bewerten kann. Im deutschen Zivil- und Strafprozessrecht gilt grundsätzlich das Prinzip der freien Beweiswürdigung, der Strengbeweis ist hingegen eine Ausnahme.

Könnten verschiedene Gerichte unterschiedliche Auffassungen über die Anwendung des Strengbeweises haben?

In der Rechtspraxis kann es durchaus zu Divergenzen zwischen verschiedenen Gerichten hinsichtlich der Anwendung und Bewertung des Strengbeweises kommen. Dies liegt unter anderem daran, dass der Begriff nicht einheitlich definiert ist und jeder Einzelfall besondere Umstände aufweisen kann. Durch höchstrichterliche Entscheidungen wie jene des Bundesgerichtshofs (BGH) können jedoch Leitlinien und Grundsätze für die Anwendung des Strengbeweises entwickelt werden.

Kann ein Gutachten eines Sachverständigen im Zivilprozess immer als Strengbeweismittel angesehen werden?

Nicht jedes Sachverständigengutachten erfüllt die Voraussetzungen für den Strengbeweis. Damit ein Gutachten als Strengbeweismittel anerkannt wird, muss es umfassend, widerspruchsfrei, plausibel und nachvollziehbar sein. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, hängt dabei stets vom Einzelfall ab.

Fazit

Der Strengbeweis ist ein bedeutender Aspekt im deutschen Zivil- und Strafprozessrecht, der besondere Anforderungen an die Beweismittel, deren Würdigung und die lückenlose Tatsachenfeststellung stellt. Während der Strengbeweis in bestimmten Fällen wie bei der Entscheidung über Freiheitsrechte oder hohen Vermögensbeträgen Anwendung finden kann, gilt im Grundsatz das Prinzip der freien Beweiswürdigung.

In der Rechtsprechung zeigt sich, dass die Anwendung und Bewertung des Strengbeweises nicht immer einheitlich erfolgt, jedoch durch höchstrichterliche Entscheidungen wichtige Leitlinien für die Auslegung und Handhabung dieses Beweisprinzips entwickelt werden können.

Der vorliegende Leitfaden bietet eine umfassende Darstellung der rechtlichen Grundlagen, aktuellen Gerichtsurteile, typischer Beweismittel und häufig gestellter Fragen rund um das Thema Strengbeweis. Damit soll die Rechtspraxis bei der korrekten Anwendung dieser Beweismethode unterstützt und für Interessierte ein umfassendes Verständnis über dieses wichtige Thema geschaffen werden.

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