In diesem umfassenden Leitfaden zum Thema Stufenklage im Erbrecht erfahren Sie alles, was Sie wissen müssen, um Ihre Rechte als Erbe oder Pflichtteilsberechtigter erfolgreich geltend zu machen. Von der rechtlichen Grundlage über die Vorgehensweise bis hin zu aktuellen Gerichtsurteilen und häufig gestellten Fragen wird Ihnen hier alles geboten, um die Thematik der Stufenklage im Erbrecht vollständig zu verstehen.
Was ist eine Stufenklage und warum ist sie im Erbrecht relevant?
Die Stufenklage ist eine besondere Form der Klage, die es ermöglicht, in einem einzigen gerichtlichen Verfahren mehrere aufeinander aufbauende und voneinander abhängige Ansprüche geltend zu machen. Im Erbrecht ist die Stufenklage vor allem in den folgenden Fällen relevant:
- Erben oder Pflichtteilsberechtigte, die Auskunft über den Bestand des Nachlasses verlangen
- Erben oder Pflichtteilsberechtigte, die ihren fälligen Erb- oder Pflichtteilsanspruch durchsetzen wollen
- Erben, die aufgrund von Testamentsvollstreckung oder Vermächtnissen bestimmte Leistungen vom Nachlass verlangen
Die Stufenklage ermöglicht es, diese Ansprüche in einem Verfahren durchzusetzen, ohne dass separate Klagen erforderlich sind. Dies spart Zeit, Kosten und verhindert widersprüchliche Entscheidungen.
Rechtliche Grundlage der Stufenklage
Die Stufenklage ist im deutschen Zivilprozessrecht in § 254 der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Dieser Paragraph besagt, dass eine Stufenklage zulässig ist, wenn der Kläger einen Anspruch auf eine Leistung hat, deren Umfang er jedoch erst nach der Auskunftserteilung durch den Beklagten bestimmen kann. Die Stufenklage ist somit ein Instrument, um den Erben oder Pflichtteilsberechtigten zu ermöglichen, zunächst Auskunft über den Nachlassbestand zu erhalten und im Anschluss daran ihren fälligen Erb- oder Pflichtteilsanspruch geltend zu machen.
Vorgehensweise bei einer Stufenklage im Erbrecht
Die Durchführung einer Stufenklage im Erbrecht gliedert sich in mehrere Schritte. Diese sind:
Aufforderung zur Auskunftserteilung
Bevor eine Stufenklage erhoben wird, sollten Erben oder Pflichtteilsberechtigte den Auskunftspflichtigen zunächst außergerichtlich auffordern, die geforderte Auskunft zu erteilen. Dies kann in Form eines Schreibens geschehen, in dem der Auskunftspflichtige unter Fristsetzung zur Auskunftserteilung aufgefordert wird. Sollte der Auskunftspflichtige dieser Aufforderung nicht nachkommen, kann die Stufenklage eingeleitet werden.
Einleitung der Stufenklage
Die Stufenklage wird bei dem zuständigen Gericht eingereicht. In der Klageschrift müssen die aufeinander aufbauenden Ansprüche (Auskunftsanspruch, Zahlungsanspruch, ggf. weitere Ansprüche) dargelegt werden. Zudem ist zu begründen, warum die Klage in dieser Stufenform erhoben wird und dass die Voraussetzungen des § 254 ZPO erfüllt sind.
Durchführung des Verfahrens
Das Verfahren beginnt in der Regel mit dem Auskunftsanspruch. Erst wenn der Beklagte die geforderte Auskunft erteilt hat, wird über den Zahlungsanspruch verhandelt. Sollte der Beklagte der Auskunftspflicht nicht nachkommen, kann das Gericht ihn zur Auskunftserteilung verurteilen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens kann der Kläger dann seinen Zahlungsanspruch geltend machen und ggf. weitere Ansprüche durchsetzen.
Abschluss des Verfahrens
Das Verfahren endet entweder mit einem Vergleich zwischen den Parteien oder mit einem Urteil, das die Ansprüche des Klägers feststellt und den Beklagten zu deren Erfüllung verurteilt. Nach Abschluss des Verfahrens können die Parteien ggf. noch Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen.
Aktuelle Gerichtsurteile zur Stufenklage im Erbrecht
Im Folgenden werden einige aktuelle Gerichtsurteile zur Stufenklage im Erbrecht vorgestellt, die die Relevanz und das Potential dieser Klageform verdeutlichen:
BGH, Urteil vom 12.03.2020 – IV ZR 43/19
In diesem Urteil entschied der Bundesgerichtshof, dass ein Pflichtteilsberechtigter, der zunächst eine Stufenklage auf Auskunft und Zahlung seines Pflichtteils erhebt, später noch eine weitere Stufenklage auf Auskunft und Zahlung des sogenannten „Pflichtteilsergänzungsanspruchs“ erheben kann, ohne dass die Rechtskraft der ersten Entscheidung entgegensteht. Dies gilt auch, wenn der Pflichtteilsergänzungsanspruch bereits im ersten Verfahren hätte geltend gemacht werden können.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.08.2019 – I-3 Wx 99/19
Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied, dass ein Erbe, der zunächst eine Stufenklage auf Auskunft und Zahlung seines Erbteils erhebt, später noch eine weitere Stufenklage auf Auskunft und Zahlung eines etwaigen weiteren Erbteils erheben kann, wenn sich der Nachlassbestand nachträglich ändert, z.B. durch die Entdeckung weiterer Vermögensgegenstände. Auch in diesem Fall steht die Rechtskraft der ersten Entscheidung einer weiteren Stufenklage nicht entgegen.
Häufig gestellte Fragen zur Stufenklage im Erbrecht
Gegen wen kann eine Stufenklage im Erbrecht gerichtet sein?
Die Stufenklage im Erbrecht kann gegen den Erben, den Testamentsvollstrecker, den Nachlassverwalter oder den beschenkten Dritten gerichtet sein, je nachdem, wer in dem jeweiligen Fall auskunftspflichtig ist.
Welche Kosten entstehen bei einer Stufenklage im Erbrecht?
Die Kosten einer Stufenklage im Erbrecht setzen sich aus den Gerichtskosten und den Anwaltskosten zusammen. Die Gerichtskosten richten sich nach dem Streitwert der Klage, der sich aus dem Wert der geltend gemachten Ansprüche ergibt. Die Anwaltskosten richten sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) und sind ebenfalls vom Streitwert abhängig. In der Regel hat die unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Kann ich eine Stufenklage im Erbrecht auch ohne Anwalt führen?
Grundsätzlich besteht in Deutschland kein Anwaltszwang bei Stufenklagen im Erbrecht. Das bedeutet, dass Sie auch ohne Anwalt eine Stufenklage einreichen und vor Gericht vertreten können. Allerdings wird aufgrund der Komplexität des Erbrechts und der Besonderheiten einer Stufenklage dringend empfohlen, sich anwaltliche Unterstützung zu suchen.
Wie lange dauert ein Stufenklageverfahren im Erbrecht?
Die Dauer eines Stufenklageverfahrens im Erbrecht hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. der Komplexität des Falles, der Arbeitsbelastung des zuständigen Gerichts und dem Verhalten der beteiligten Parteien. In der Regel sollten Sie jedoch mit einer Verfahrensdauer von mehreren Monaten bis hin zu mehreren Jahren rechnen.
Kann ich eine Stufenklage im Erbrecht auch gegen eine Erbengemeinschaft richten?
Ja, eine Stufenklage im Erbrecht kann auch gegen eine Erbengemeinschaft gerichtet werden. In diesem Fall sind alle Mitglieder der Erbengemeinschaft gemeinsam auskunftspflichtig und haften auch gemeinsam für die Erfüllung der geltend gemachten Ansprüche.
Fazit
Die Stufenklage im Erbrecht ist ein effektives Instrument, um Auskunfts- und Zahlungsansprüche in einem einzigen Verfahren geltend zu machen und dadurch Zeit und Kosten zu sparen. Die aktuelle Rechtsprechung zeigt, dass die Stufenklage auch in komplexen erbrechtlichen Fällen erfolgreich eingesetzt werden kann. Um Ihre Rechte als Erbe oder Pflichtteilsberechtigter bestmöglich durchzusetzen, sollten Sie sich jedoch an einen erfahrenen Rechtsanwalt wenden, der Sie bei der Erhebung einer Stufenklage im Erbrecht unterstützt und vertritt.
Unsere Rechtsanwälte stehen Ihnen bundesweit und im deutschsprachigen Ausland zur Verfügung.
Philipp Franz | Rechtsanwalt | Associate
Arthur Wilms | Rechtsanwalt | Associate
Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter
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