Im deutschen Vertragsrecht ist die Teilanfechtung ein intensiv diskutiertes Thema. Schon die bloße Möglichkeit der Anfechtung eines Vertrages kann weitreichende Konsequenzen haben, die, wenn sie realisiert werden, für beide Parteien erhebliche wirtschaftliche Folgen haben können. Die Teilanfechtung eines Vertrags zielt darauf ab, ein Gleichgewicht zwischen den Interessen der Vertragsparteien herzustellen, indem sie einen Teil eines Vertrages auflöst, welcher unter gewissen Umständen mangelfrei fortbestehen kann. Das Konzept der Teilanfechtung zielt darauf ab, sowohl die Rechte der Vertragsparteien zu schützen als auch die Integrität des Vertrages zu bewahren, indem es eine maßvolle Lösung zur Verfügung stellt, um potenzielle Streitigkeiten zu lösen. Der vorliegende Blogbeitrag untersucht das Recht, die Anwendungen und die Praxis der Teilanfechtung, präsentiert aktuelle Gerichtsurteile zum Thema und beantwortet häufig gestellte Fragen zur Teilanfechtung.

Rechtliche Grundlagen der Teilanfechtung

Die Teilanfechtung ist in Deutschland im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. In diesem Abschnitt werden die rechtlichen Grundlagen und Mechanismen der Teilanfechtung im deutschen Vertragsrecht erläutert.

Anfechtungsgründe

Die Anfechtung eines Vertrags kann aus verschiedenen Gründen erfolgen. Gemäß § 119 BGB kann ein Vertrag unter bestimmten Umständen wegen Irrtum angefochten werden:

  • Erklärungsirrtum: Wenn eine Vertragspartei bei Abgabe ihrer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war und eine Erklärung abgegeben hat, die ihrem Willen nicht entspricht;
  • Eigenschaftsirrtum: Wenn eine Vertragspartei sich über eine wesentliche Eigenschaft der Sache oder des Vertragspartners im Irrtum befindet.

Außerdem kann eine Anfechtung gemäß § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung erfolgen:

  • Täuschung: Wenn eine Partei die andere Partei durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen zum Abschluss des Vertrages veranlasst hat;
  • Drohung: Wenn eine Partei die andere Partei zur Abgabe ihrer Willenserklärung durch eine Drohung zum Vertragsabschluss genötigt hat.

Prüfung der Teilanfechtbarkeit

Die Prüfung der Teilanfechtbarkeit soll feststellen, ob die Anfechtung eines Vertrages auf einen bestimmten Teil desselben beschränkt werden kann. Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine Teilanfechtung erfolgreich ist:

  • Ein anfechtbarer Vertrag liegt vor;
  • Ein zulässiger Anfechtungsgrund (Irrtum, Täuschung oder Drohung) ist vorhanden;
  • Die angefochtene Vertragsbestimmung ist tatsächlich teilbar;
  • Die verbleibenden Vertragsbestimmungen sind auch ohne die angefochtene Bestimmung mangelfrei fortbestehend;
  • Die Ausübung des Anfechtungsrechts ist form- und fristgerecht erfolgt.

Anwendungsbeispiele der Teilanfechtung

Die Teilanfechtung ist in der Praxis auf verschiedene Rechtsgebiete anwendbar. Im Folgenden werden einige Anwendungen der Teilanfechtung beschrieben.

Teilanfechtung im Kaufrecht

Im Kaufrecht ist die Teilanfechtung vielfältig einsetzbar. Ein häufiger Anwendungsfall ist der sogenannte Minderkauf. Wenn der Käufer irrtümlich von einem höheren Kaufpreis ausgegangen ist und der Verkäufer dies erkennt, kann der Käufer die Anfechtung des Kaufvertrages auf den überhöhten Kaufpreis beschränken. Ein weiteres Beispiel ist der Abschluss eines Mietvertrages über mehrere Räume, bei dem einer der Räume unbewohnbar ist. Hat der Mieter den Vertrag aufgrund einer Täuschung über den Zustand des unbewohnbaren Raumes abgeschlossen, kann er die Anfechtung auf diesen Raum beschränken und die Miete entsprechend mindern.

Teilanfechtung im Arbeitsrecht

Auch im Arbeitsrecht kann die Teilanfechtung zum Einsatz kommen. Ein Beispiel ist die Anfechtung einer Beförderung wegen einer arglistigen Täuschung des Arbeitnehmers über seine Qualifikationen. In diesem Fall kann der Arbeitgeber die Beförderung anfechten und den Arbeitnehmer auf seine ursprüngliche Position zurückversetzen.

Teilanfechtung im Gesellschaftsrecht

Im Gesellschaftsrecht kann die Teilanfechtung eine Rolle spielen, wenn ein Gesellschafter aufgrund einer Täuschung über wesentliche Faktoren der Gesellschaft beigetreten ist. In diesem Fall kann der betroffene Gesellschafter die Anfechtung auf den unzutreffenden Teil des Gesellschaftsvertrages beschränken.

Aktuelle Gerichtsurteile zur Teilanfechtung

Die Anwendung der Teilanfechtung wurde durch zahlreiche Gerichtsurteile in den letzten Jahren weiterentwickelt und präzisiert. Hier eine Übersicht ausgewählter aktueller Urteile zum Thema:

Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 22.05.2018, Az. XI ZR 95/17 – Täuschung über Zinsklauseln

In diesem Fall hatte der Kläger einen Darlehensvertrag abgeschlossen, der sowohl eine feste Laufzeit als auch ein variabler Zinssatz enthielt. Später stellte sich heraus, dass der Darlehensgeber mit dem Kläger eine bestimmte Zinsklausel vereinbart hatte, die es ihm ermöglichte, den Zinssatz in einer bestimmten Weise zu manipulieren. Der Kläger focht die Vereinbarung der Zinsklausel an und verlangte die Anpassung des Darlehensvertrages mit einem Festzins.

Der BGH entschied, dass die Teilanfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung über die Zinsklausel möglich sei, da der Kläger nicht über ihre tatsächliche Ausgestaltung informiert worden sei. Somit konnte der Vertrag entsprechend angepasst werden.

Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 06.02.2020, Az. 6 AZR 146/19 – Blanko-Kündigung

Im vorliegenden Fall hatte ein Arbeitgeber mit einer Arbeitnehmerin zwei Kündigungen erklärt, von denen eine datiert war und die andere als sogenannte Blanko-Kündigung (ohne konkretes Kündigungsdatum) verwendet werden sollte. Die Arbeitnehmerin hatte die Kündigungserklärungen ohne Hinweis auf weitere Modalitäten unterzeichnet. Später erklärte der Arbeitgeber die Kündigung mit Berufung auf die Blanko-Kündigung, woraufhin die Arbeitnehmerin die Kündigung anfocht.

Das BAG entschied, dass eine Teilanfechtung der Blanko-Kündigung möglich sei, weil die Arbeitnehmerin durch das Fehlen eines Datums in der Kündigung täuschungsbedingt von der Unwirksamkeit der Blanko-Kündigung ausgegangen sei und somit ihre Unterschrift geleistet hatte. Die datierte Kündigung blieb indes wirksam.

FAQs zur Teilanfechtung

Welche Fristen gelten für die Anfechtung eines Vertrages?

Die Anfechtung eines Vertrages muss gemäß § 121 BGB unverzüglich nach Kenntniserlangung des Anfechtungsgrundes erfolgen. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern, in der Regel innerhalb weniger Wochen. Bei arglistiger Täuschung oder Drohung beträgt die Anfechtungsfrist gemäß § 124 BGB ein Jahr ab Kenntniserlangung des Anfechtungsgrundes.

Wann ist ein Vertragsteil als (rechtlich) teilbar anzusehen?

Ein Vertragsteil ist teilbar, wenn er rechtlich und tatsächlich separiert werden kann und der verbleibende Vertrag seinen Zweck auch ohne den angefochtenen Teil erfüllen kann. Eine solche Teilbarkeit ist immer im Einzelfall zu prüfen und hängt von den konkreten Umständen und Vertragsgegenständen ab.

Kann die Teilanfechtung auch zur Anpassung von Vertragsklauseln führen?

Bei einer erfolgreichen Teilanfechtung, bei der ein Vertragsbestandteil aufgehoben wird, kann dies im Einzelfall auch dazu führen, dass der Vertrag in einem gewissen Umfang angepasst werden muss, um seine Wirksamkeit zu erhalten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Wegfallen der angefochtenen Bestimmung praktische Konsequenzen für die Vertragsgestaltung hat.

Welche Rechtsfolgen hat die Teilanfechtung für die beteiligten Parteien?

Die Rechtsfolgen einer Teilanfechtung können unterschiedlich sein, je nachdem, welche Vertragsbestimmung erfolgreich angefochten wurde. Im Allgemeinen führt die Teilanfechtung dazu, dass der angefochtene Vertragsbestandteil unwirksam wird und die verbleibenden Vertragsbestimmungen fortbestehen. Die Parteien müssen dann gegebenenfalls Anpassungen an den Vertrag vornehmen, um dessen Wirksamkeit zu erhalten.

Fazit

Die Teilanfechtung ist ein wesentliches Instrument im deutschen Vertragsrecht und kann in einer Vielzahl von Rechtsgebieten und Vertragssituationen Anwendung finden. Die Teilanfechtung ermöglicht es, neben der vollständigen Anfechtung eines Vertrages auch eine gezieltere Lösung in Fällen von Irrtümern, arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung zu bieten. Gerade im Hinblick auf die weitreichenden wirtschaftlichen und rechtlichen Konsequenzen, die eine vollständige Anfechtung mit sich bringen kann, ist die Teilanfechtung oftmals eine sinnvolle Alternative. In der Rechtsprechung findet die Teilanfechtung immer wieder Anwendung und wird laufend weiterentwickelt. Für betroffene Parteien ist es daher wichtig, sich über ihre Rechte und Möglichkeiten im Rahmen der Teilanfechtung gut zu informieren und gegebenenfalls fachkundige Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

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Wolfgang Herfurtner | Rechtsanwalt | Geschäftsführer | Gesellschafter

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