Unsere Haustiere sind für viele von uns treue Begleiter und Familienmitglieder. Doch trotz aller Fürsorge und Vorsicht können Tiere Schäden verursachen, für die der Halter haftbar gemacht werden kann. In diesem ausführlichen Beitrag befassen wir uns mit dem Thema Tierhalterhaftung: Haftung und Schadensersatzansprüche bei Schäden durch Tiere. Wir erklären die gesetzlichen Grundlagen, behandeln die wichtigsten Fragen und geben Beispiele für Gerichtsurteile, die für Tierhalter und Geschädigte von Interesse sein könnten.
Gesetzliche Grundlagen der Tierhalterhaftung
Die Haftung für Schäden, die durch Tiere verursacht werden, ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Insbesondere § 833 BGB ist hier von besonderer Bedeutung. Diese Vorschrift lautet wie folgt:
Wer ein Tier hält, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den das Tier einem anderen zufügt. Die Verpflichtung tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
Im Folgenden werden die einzelnen Voraussetzungen dieser Vorschrift näher erläutert und einige wichtige Fragen geklärt.
Wer ist Tierhalter im Sinne des Gesetzes?
Als Tierhalter gilt grundsätzlich diejenige Person, die das Tier in seinem Haushalt aufgenommen hat und für dessen Unterhalt sorgt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Tierhalter auch der Eigentümer des Tieres ist. Es kommt darauf an, wer die tatsächliche Kontrolle und Verantwortung für das Tier hat.
Beispiele für Tierhalter:
- Der Besitzer eines Hundes, der diesen bei sich zu Hause hält und für dessen Versorgung sorgt
- Ein Pferdebesitzer, der sein Pferd in einem Reitstall unterstellt und für dessen Versorgung aufkommt
- Ein Landwirt, der Nutztiere wie Kühe oder Schweine hält
Welche Tiere fallen unter die Tierhalterhaftung?
Die Tierhalterhaftung gilt grundsätzlich für alle Tiere, unabhängig von ihrer Art oder Größe. Sowohl Haustiere wie Hunde, Katzen oder Pferde, als auch Nutztiere und Wildtiere, die in menschlicher Obhut gehalten werden, fallen unter die Regelung des § 833 BGB.
Haftet der Tierhalter immer für Schäden, die durch sein Tier verursacht werden?
Die Tierhalterhaftung ist eine sogenannte Gefährdungshaftung. Das bedeutet, dass der Tierhalter für Schäden, die durch sein Tier verursacht werden, grundsätzlich auch ohne eigenes Verschulden haftet. Es gibt jedoch einige Ausnahmen, bei denen die Haftung des Tierhalters entfällt oder beschränkt wird:
- Der Schaden wurde durch ein Haustier verursacht, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters dient, und der Tierhalter hat die erforderliche Sorgfalt bei der Beaufsichtigung des Tieres beobachtet (§ 833 Satz 2 BGB).
- Der Geschädigte hat den Schaden selbst verschuldet, etwa durch eigenes grob fahrlässiges Verhalten oder durch eine vorsätzliche Provokation des Tieres.
- Der Geschädigte hat sich freiwillig einer besonderen Gefahr ausgesetzt, etwa durch das Reiten eines fremden Pferdes ohne ausreichende Kenntnisse.
Welche Schäden können bei der Tierhalterhaftung geltend gemacht werden?
Grundsätzlich können alle Schäden, die durch das Tier verursacht wurden, vom Tierhalter ersetzt verlangt werden. Dazu gehören insbesondere:
- Sachschäden, etwa an Fahrzeugen, Kleidung oder anderen Gegenständen
- Personenschäden, also Verletzungen des Geschädigten oder dessen Angehöriger
- Vermögensschäden, die in Folge eines Sach- oder Personenschadens entstanden sind, etwa Heilungskosten, Verdienstausfall oder Schmerzensgeld
Beispiel für einen Schadensersatzanspruch
Ein Hundebesitzer lässt seinen Hund unbeaufsichtigt im Garten spielen. Der Hund entwischt durch ein Loch im Zaun und beißt einen Passanten in den Arm. Der Geschädigte erleidet eine Verletzung, die ärztlich behandelt werden muss, und kann für einige Tage nicht arbeiten gehen. In diesem Fall haftet der Hundebesitzer für die entstandenen Schäden, also die Heilungskosten, den Verdienstausfall und ein angemessenes Schmerzensgeld.
Wie kann sich der Tierhalter gegen Haftungsansprüche absichern?
Um sich gegen die finanziellen Risiken der Tierhalterhaftung abzusichern, empfiehlt es sich für Tierhalter, eine Tierhalterhaftpflichtversicherung abzuschließen. Diese Versicherung übernimmt im Schadensfall die Kosten für berechtigte Schadensersatzansprüche und wehrt unberechtigte Forderungen ab. Bei der Auswahl der Versicherung sollten Tierhalter darauf achten, dass die Deckungssumme ausreichend hoch ist, um auch bei schweren Personenschäden den Schadensersatzanspruch abzudecken.
Aktuelle Gerichtsurteile zur Tierhalterhaftung
Im Folgenden werden einige aktuelle Gerichtsurteile vorgestellt, die für das Verständnis der Tierhalterhaftung von Bedeutung sind.
Urteil: Haftung des Pferdehalters für Schäden bei einem Ausritt
Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. März 2018, Az. VI ZR 135/17
In diesem Fall ging es um einen Reiter, der auf einem fremden Pferd ausgeritten ist und dabei einen Unfall hatte. Das Pferd scheute, warf den Reiter ab und verletzte ihn schwer. Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Pferdehalter für die Schäden haftet, da er die Gefährdungshaftung nach § 833 BGB zu tragen hat. Der Reiter hatte sich nicht freiwillig einer besonderen Gefahr ausgesetzt, da er von seiner Reiterfahrung ausgehen durfte und das Pferd als grundsätzlich gutmütig und zuverlässig galt.
Urteil: Haftung des Hundehalters für Schäden bei einem „Hundekampf“
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 18. Mai 2017, Az. 6 U 203/16
In diesem Fall ereignete sich ein Zwischenfall, bei dem zwei Hunde, die ohne Leine geführt wurden, miteinander kämpften. Dabei wurde einer der Hunde verletzt, und der Halter des verletzten Hundes verlangte Schadensersatz vom Halter des anderen Hundes. Das Oberlandesgericht Hamm entschied, dass beide Hundehalter zu gleichen Teilen für den Schaden haften, da sie jeweils gegen die Leinenpflicht verstoßen hatten und somit beide ein Mitverschulden trugen.
Urteil: Haftung des Hundehalters für Schäden durch Bissattacke auf ein Pferd
Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 22. Januar 2016, Az. 20 U 38/15
Ein Hund hatte ein angeleintes Pferd angegriffen und gebissen, woraufhin das Pferd panisch auf die Straße lief und von einem Auto erfasst wurde. Das Pferd musste eingeschläfert werden, und der Pferdehalter verlangte Schadensersatz vom Hundehalter. Das Oberlandesgericht Celle entschied, dass der Hundehalter für den Schaden haftet, da er seine Aufsichtspflicht verletzt hatte und der Angriff des Hundes als alleinige Ursache für den Tod des Pferdes angesehen werden konnte.
FAQ: Häufig gestellte Fragen zur Tierhalterhaftung
Haftet der Tierhalter auch für Schäden, die durch sein Tier in seiner Abwesenheit verursacht werden?
Ja, der Tierhalter haftet grundsätzlich auch für Schäden, die durch sein Tier in seiner Abwesenheit verursacht werden, sofern keine der oben genannten Ausnahmen vorliegt. Die Haftung entfällt jedoch, wenn der Tierhalter darlegen kann, dass er alle erforderlichen Sicherungsmaßnahmen getroffen hat und der Schaden dennoch unvorhersehbar eingetreten ist.
Haftet der Tierhalter auch für Schäden, die durch sein Tier auf fremdem Grund und Boden verursacht werden?
Ja, der Tierhalter haftet auch für Schäden, die durch sein Tier auf fremdem Grund und Boden verursacht werden. Die Haftung kann in solchen Fällen allerdings eingeschränkt sein, wenn der Geschädigte den Zutritt des Tieres auf sein Grundstück ermöglicht oder geduldet hat.
Was passiert, wenn zwei Tiere einen gemeinsamen Schaden verursachen?
Wenn zwei Tiere gemeinsam einen Schaden verursachen, haften die Tierhalter in der Regel anteilig für den entstandenen Schaden. Die genaue Aufteilung der Haftung kann jedoch von den Umständen des Einzelfalls abhängen, insbesondere davon, inwieweit die Tierhalter jeweils ihre Aufsichtspflichten verletzt haben.
Kann der Tierhalter seine Haftung durch eine entsprechende Vereinbarung ausschließen?
Grundsätzlich können Tierhalter ihre Haftung für Schäden, die durch ihr Tier verursacht werden, nicht durch eine Vereinbarung mit dem Geschädigten ausschließen. Eine solche Vereinbarung wäre wegen Verstoßes gegen die guten Sitten und die zwingenden gesetzlichen Vorschriften unwirksam. In bestimmten Fällen, etwa bei einem freiwilligen Tierhortungsvertrag, kann jedoch eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vereinbart werden.
Fazit: Tierhalterhaftung und Schadensersatzansprüche bei Schäden durch Tiere
Die Tierhalterhaftung ist ein wichtiges Thema für Tierhalter und Geschädigte. Die gesetzliche Regelung in § 833 BGB stellt sicher, dass Geschädigte einen Anspruch auf Schadensersatz haben, wenn sie durch ein Tier geschädigt werden. Gleichzeitig müssen Tierhalter sich ihrer Verantwortung bewusst sein und für die Sicherheit ihrer Tiere sorgen, um Haftungsansprüche zu vermeiden. Eine Tierhalterhaftpflichtversicherung ist für Tierhalter eine sinnvolle Investition, um sich gegen die finanziellen Risiken der Tierhalterhaftung abzusichern.
Sollten Sie als Tierhalter oder Geschädigter Fragen zur Tierhalterhaftung oder Schadensersatzansprüchen haben, empfiehlt es sich, anwaltlichen Rat einzuholen. Ein erfahrener Rechtsanwalt für Tierrecht kann Sie umfassend beraten und Ihre Interessen in einem möglichen Rechtsstreit vertreten.
Unsere Rechtsanwälte stehen Ihnen bundesweit und im deutschsprachigen Ausland zur Verfügung.
Arthur Wilms | Rechtsanwalt | Associate
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